Raumfahrtjuristen István Sárhegyi und Tamás Darvas im BZ-Interview. (Foto: BZT / Nóra Halász)

Im Gespräch mit den Experten für Weltraumrecht István Sárhegyi und Tamás Darvas

Auf zu neuen Welten

Ungarn möchte seine Bemühungen in Sachen Raumfahrt ausbauen – das war in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder von Außenminister Péter Szijjártó zu vernehmen. Auf den ersten Blick scheint es vielleicht fragwürdig, warum ein so kleines Land, mit entsprechend beschränkten Mitteln, ausgerechnet in die Raumfahrt investiert. Die Juristen István Sárhegyi und Tamás Darvas, beide Experten in Sachen Weltraumrecht, erklären im Gespräch mit der Budapester Zeitung, warum das Weltall im Leben des Durchschnittsbürgers eine größere Rolle spielt, als es im ersten Moment scheint.

Sie sind Weltraumjuristen, was genau ist Ihre Aufgabe?

István Sárhegyi (IS): Das Weltraumrecht ist sehr komplex, und es ist durchaus gerechtfertigt, die Frage zu stellen, was wir in Ungarn damit zu tun haben. Man muss sich aber vor Augen führen, dass dieses Thema mehrere Ebenen hat – eine internationale und eine ungarische.

Womit wir uns derzeit beschäftigen, ist Folgendes: Tamás ist, als Mitarbeiter der Kanzlei Sárhegyi und Partner, Berater des Außenministeriums, genauer gesagt der Hauptabteilung für Weltraumrecht und dort beispielsweise der Ministerialbeauftragten Orsolya Ferencz. Ich wiederum berate die Ungarische Vereinigung junger Unternehmer (FIVOSZ), wo wir einen Weltraum­ausschuss eingerichtet haben. Dort helfe ich auch bei der Ausarbeitung der ersten nationalen Weltraumstrategie.

Worum geht es im Weltraumrecht?

Tamás Darvas (TD): Ich hatte das Glück, bereits im Bereich Internationales Recht arbeiten zu dürfen. Momentan gilt im Weltraum, wenn wir es rein juristisch betrachten, ausschließlich internationales Recht. Das wird aber nicht lange so bleiben. Weltraumrecht ist unter allen Rechtsarten die jüngste. Ich denke, wir werden zukünftig die Verselbstständigung dieses Rechtszweiges sehen.

Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass Weltraumrecht eine ungarische Erfindung ist. Bestimmte grundlegende Elemente des Weltraumrechts, die wir bis heute nutzen, hat der ungarische Weltraumjurist Gyula Gál erfunden.

Internationales Recht geht immer von Staaten als Akteuren aus. Wie sieht es aus, wenn nun aber eine Privatperson wie beispielsweise Raumfahrtunternehmer Elon Musk als Akteur auftritt?

TD: Eben hier klafft ein riesengroßes juristisches Loch. In den 1960er Jahren wurde das Weltraumrecht auf Staaten zugeschnitten. Damals kannte man keine Privatakteure als Teilnehmer beim Weltraumrecht, sie nahmen nur minimal Anteil am Geschehen. Heute jedoch zeigt sich, dass sie teilnehmen müssen und dies bereits tun. Mehr noch, langfristig könnten Privatakteure sogar wichtiger werden als Staaten.

Derzeit bewegen wir uns hier jedoch noch in einem mehr oder minder geregelten Rechtsbereich. Es muss eine Lösung dafür gefunden werden, wie sich Privatakteure in das bestehende, klare System aus Rechtsvorschriften einfügen können.

Im Rahmen meiner Erfahrungen als Anwalt weiß ich, dass Menschen und Firmen bereits über kleinste Immobilien in Streit geraten können, wie mag es da erst aussehen, wenn es um die Oberfläche des Mondes geht. Es wird in Zukunft zu ernsthaften Problemen führen, wenn dieses Rechtsgebiet nicht geregelt wird.

Für Ungarn ist an dieser Stelle wichtig zu erwähnen, dass bisher bereits bestehenden Verpflichtungen zur ungarischen rechtlichen Regelung nicht nachgekommen wurde. Deswegen haben wir in unserem jüngst auf dem Portal Arsboni erschienenen Artikel auch darüber geschrieben, dass es in Ungarn dringend neuer Regelungen bedarf. Wer in Ungarn heute in diesem Bereich, sprich im Weltraum, tätig ist, tut dies in einem in vielerlei Hinsicht unreglementierten Bereich.

Immer wieder kommt die Schaffung einer Weltraumagentur ins Gespräch. Warum braucht Ungarn eine solche Behörde?

TD: Schon heute ist das Fehlen einer solchen Agentur ein großer Mangel, denn jede ernstzunehmende oder auch nur kleinere Weltraummacht verfügt über eine solche. Wir brauchen nicht erst nach Amerika zu blicken, Rumänien, Tschechien, Polen, Österreich – jedes Land, welches das Weltraumrecht und den Raumfahrtsektor ein wenig ernster nimmt, hat bereits eine solche Agentur.

Die Frage sollte eher so formuliert werden: Warum haben wir uns in den vergangenen 30 Jahren nicht mit diesem Sektor beschäftigt, warum gab es bisher noch keine Weltraumagentur? Eigentlich war Ungarn bereits zu Sowjetzeiten Teil des bestehenden Weltraumsektors.

Wir haben also in Ungarn eine Wissenschaftlergarde, die sich schon früher mit dem Weltraum beschäftigt hat, sowie bereits vorhandenes Know-how und Wissen. Schon jetzt haben wir Firmen, die eben darauf aufbauen konnten. Um in diesem Rennen in Zeiten des New Space wettbewerbsfähig zu sein und überhaupt teilnehmen zu können, muss – das zeigt die internationale Best Practice – der Staat in Form einer Weltraumagentur aktiv teilnehmen. Ungarn hat jetzt vielleicht zum letzten Mal die Möglichkeit, noch in dieses Rennen einzusteigen.

DR. TAMÁS DARVAS promovierte 2018 an der juristischen Fakultät der Loránd-Eötvös-Universität in Buda­pest. Bevor er sich eingehend mit Weltraumrecht beschäftigte, war sein Fachgebiet das Finanz-, Firmen- und Immobilienrecht. Dr. Darvas publiziert regelmäßig Beiträge in der juristischen Fachzeitschrift Arsboni.

ISTVÁN SÁRHEGYI ist Weltraumrechtsexperte und Investor. 2017 schloss er sein Jurastudium an der Loránd-Eötvös-Universität summa cum laude ab. Im Anschluss nahm er am Space Studies Programm der International Space University in Cork teil. Er ist Vorsitzender des Weltraumausschusses der Ungarischen Vereinigung junger Unternehmer (FIVOSZ).

IS: Seit etwa 2010 zeichnet sich ein Trend ab, der uns zeigt, dass der Weltraum auch international an Bedeutung gewinnt. Ich habe die Vision – die ich heute für durchaus realistisch halte –, dass es 2030 einen Gesprächstisch geben wird, an dem alle Weltraumgroß- und Kleinmächte Platz nehmen werden. Sie werden den Weltraum im Rahmen einer quasi neuerlichen Kolonialisierung unter sich aufteilen. Und es ist nicht egal, ob Ungarn dort am Tisch sitzen wird oder nicht. An diesen Tisch werden nur die „eingeladen” sein, die „weltraumfähig“ sind. Damit wir dieses Kriterium 2030 erfüllen, müssen wir 2020 anfangen, uns damit zu befassen. Das sind die Voraussetzungen dafür, dass Ungarn eine ernstzunehmende Größe in Sachen Weltraum sein kann. Dafür braucht es eine Weltraum­agentur, die zentral zusammenfasst, verwaltet, Kontakte pflegt und internationale Lobbyarbeit betreibt.

Was waren Ungarns frühere Erfolge?

TD: Da wäre beispielsweise das Dosismessgerät „Pille”. Es wurde in den 1980er Jahren von Ungarn entwickelt und hat sich bereits in der Anwendung bewährt. Der ungarische Kosmonaut Bertalan Farkas war es, der das Instrument erstmals ins All brachte. Damals noch auf die sowjetische Raumstation Salut 6. Mit der weiterentwickelten Version dieses Instruments wurden mindestens 35.000 Messungen auf der Internationalen Raumstation, ISS, vorgenommen. Es ist ein unerlässliches Instrument für jeden Weltraumspaziergang, damit die Astronauten jederzeit wissen, wie viel Strahlung sie ausgesetzt sind.

IS: Übrigens ist es das einzige Instru­ment, das Astronauten zu Weltraumspaziergängen mitnehmen können.

István Sárhegyi, CEO der New Space Industries Zrt., hilft bei der Ausarbeitung der ersten nationalen Weltraumstrategie. (Foto: BZT / Nóra Halász)

Ein weiterer wichtiger Meilenstein war, dass wir als siebente Nation in der Lage waren, einen Menschen ins All zu schicken, nämlich Lajos Bertalan. Außerdem nahmen ungarische Wissenschaftler in den darauffolgenden Jahrzehnten an ausgesprochen aufwendigen Missionen teil, beispielsweise an der Rosetta-Mission, bei der erstmals ein menschengemachtes Objekt auf einem Kometen landete. Die Ungarn nahmen zudem auch am indischen Mondlandungsprojekt teil. Das blieb zwar am Ende erfolglos, da das Gerät der Inder letztlich nicht landen konnte, aber die Ungarn haben daran und noch an vielen, vielen weiteren Projekten der Europäischen Raumfahrtagentur ESA sowie an russischen Projekten teilgenommen.

Warum hat man bis heute nichts von diesen Erfolgen gehört?

IS: Die Antwort ist einfach: Der ungarische Weltraumsektor wurde bisher belächelt. Außerdem gehörte er früher zum Entwicklungsministerium. Dort wurde diesem Bereich nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet. 2018 gelangte der Sektor zum Außenministerium, wo ihm eine Hauptabteilung sowie eine eigene Ministerialbeauftragte, in Person von Orsolya Ferencz, gewidmet wurde. Sie ist sehr gut und ambitioniert. Ich kann wirklich nur anerkennende Worte für sie finden. Sie will den Sektor im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Mittel bekannter machen. Mit ihr haben wir nun eine absolute Fachfrau an der Spitze dieses Bereiches. Es ist wichtig, dass jemand an der Spitze des Sektors steht, der von allen Beteiligten im Sektor anerkannt wird.

Ein anderer Grund, dass bisher kaum etwas von den ungarischen Erfolgen zu hören war, ist außerdem, dass solche internationalen Trends nur sehr langsam nach Ungarn gelangen. Aber jetzt sind sie da, auch wegen Leuten wie Elon Musk.

Er hat das Marketing für diesen Sektor geschaffen. Jeder will so sein wie Elon Musk. Er hat aus seinem Raketenstart eine geniale Show gemacht. Ich habe es online auf YouTube verfolgt, es war wahnsinnig spannend zu sehen, ob es wohl gelingt oder nicht. Dass so viele Menschen einen Raketenstart verfolgten, gab es seit der Mondlandung nicht mehr. Hinzu kommt, dass Musk verrückte Sachen macht, beispielsweise als er einen Tesla ins All schoss. Das war vielleicht die teuerste Autoreklame der Welt, aber eine geniale Idee.

Der Sektor brauchte Zeit. Jetzt aber sehen wir, wie er überall durchstartet. Ich denke, dass jetzt eine Generation heranwächst, die sich sehr für Hightech-Lösungen interessiert. Natürlich muss auch ihnen erklärt werden, dass das 21. Jahrhundert im Zeichen des Weltraums stehen und dass dort Geschichte geschrieben wird. Diese Generation versteht das aber auf Anhieb. Meiner Meinung nach wird man später, wenn man auf diese Jahrzehnte zurückblickt, sagen, dass die Raumfahrt in dieser Zeit einen großen Sprung gemacht hat. Der erste Sprung war die Mondlandung.

Warum ist der Mond so wichtig?

IS: Der Mond ist deswegen so wichtig, weil es dort Rohstoffe und Edelmetalle gibt, die im 21. Jahrhundert von grundlegender industrieller Bedeutung sind, beispielsweise das für Batterien notwendige Lithium. Elon Musks Interesse am Mond und dessen Eroberung ist nicht zufällig. Für ihn ist Lithium von enormer Bedeutung, da Teslas batteriebetrieben sind und Musk gern unabhängig von sämtlichen Staaten wäre. Wenn er diesen Stoff selbst gewinnen könnte, wäre er der Alleinherrscher auf diesem Gebiet.

Aber daneben gibt es noch zahlreiche andere Rohstoffe auf Himmelskörpern, die in Zukunft etwa bei der Energiegewinnung von Nutzen sein könnten.

Der Weltraum ist auch deswegen so spannend, weil jede „grüne Frage” nicht ohne den Weltraum gelöst werden kann. Schon jetzt stammt fast alles Wissen in Sachen Umweltschutz aus Satellitenaufnahmen. Ein Beispiel hierfür ist die Meteorologie oder die Messung der bewaldeten Oberfläche der Welt. Aber auch die Präzisionslandwirtschaft beruht auf diesen Daten ebenso wie unser gesamtes Navigationssystem. Zusammengefasst lässt sich sagen, wenn wir keine Technik im All hätten, würde die menschliche Zivilisation, so wie wir sie heute kennen, nicht funktionieren. Auch das Smartphone ist ein auf Weltraumtechnologie basierendes Gerät.

TD: Und in Zusammenhang mit dem Mond kommt noch eine wichtige rechtliche Frage ins Spiel. Der US-amerikanische Präsident Donald Trump hat ein Weltraumdekret erlassen. Darin geht es darum, dass die USA die Nutzung des Mondes neu bewerten. Damit wurde Privatfirmen quasi grünes Licht dafür gegeben, den Mond und seine Ressourcen nutzbar zu machen.

Ungarische Firmen in der Weltraumwirtschaft

Laut István Sárhegyi und Tamás Darvas gibt es in Ungarn durchaus schon Firmen, die seit Jahren erfolgreich Teil des internationalen Netzwerks in der Weltraumtechnologie sind. Diese sind die BHE Kft., Admatis und Remred. Solche Firmen zu unterstützen und zu gründen sei für die Gesellschaft als Ganzes nützlich. In einem früheren Interview sagte beispielsweise der Geschäftsführer der BHE Kft., János Solymosi, dass sich die Weltraumwirtschaft auch während der Krise weiterentwickelt habe. Erfolgreiche Firmen weiter zu unterstützen habe gleich zweierlei Nutzen: Einerseits werde die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes gestärkt und damit auch die Fähigkeit, die eigenen Interessen zu vertreten, und andererseits seien die Gewinne enorm (Investitionen können sich gar sechsfach auszahlen). Solymosi vertritt die Position, dass es für Ungarn schlicht unverantwortlich wäre, bei diesem internationalen Rennen nicht mitzumachen.

Das weist in die Richtung des Gesprächstisches, von dem István gesprochen hat. Im Falle des Mondes sehen wir das schon direkt vor uns. Nicht nur aus wirtschaftlichen und rechtlichen Gesichtspunkten, sondern auch aus Sicht der internationalen Politik hat sich gezeigt, dass die Nutzung des Mondes unter den derzeitigen rechtlichen Bedingungen nur schwer vorstellbar ist. Es wird notwendig sein, den Mond unter Staaten und Firmen aufzuteilen.

IS: Und hier kommt das Weltraumrecht ins Spiel. Wie Tamás bereits sagte, hat Trump dieses Dekret erlassen, beziehungsweise hat Amerika sein Artemis-Programm gestartet. Dessen Ziel ist es, dass 2024 erneut ein Mensch auf dem Mond landet und nach Möglichkeit auch dort bleibt. Das Endziel ist die Kolonialisierung und der Rohstoffabbau auf dem Mond. Wir reden hier nicht über Science Fiction. 2030 soll es dort bereits Kolonien geben.

Mit dem Artemis-Programm hat Amerika im Grunde klargestellt, dass es das internationale Mondabkommen außer Acht lässt. Dieses wurde im Übrigen nur von wenigen Staaten unterzeichnet und von weniger Staaten ratifiziert. Viele wollen, dass die internationale Gemeinschaft eine neue rechtliche Struktur aufbaut, die sich bereits den Bedürfnissen wirtschaftlicher Akteure anpasst. Die Grundlage für die derzeitige Struktur ist das Weltraumabkommen, das 1967 kodifiziert und von allen Weltraumgroßmächten unterzeichnet wurde.

Allerdings ist es juristisch nicht all­umfassend. So sagt es beispielsweise, dass kein Staat sich den Mond oder ganze Himmelskörper aneignen darf. Jetzt kommt aber Elon Musk daher und sagt: kein Problem. Er ist ja kein Staat, er leitet ein Unternehmen und ist eine Privatperson. Er vertritt die Space X, nicht Amerika. Zwar darf Amerika laut Weltraumabkommen den Mond nicht als 51. Bundesstaat ausrufen, aber private Unternehmen dürfen sehr wohl dort landen und anfangen, Bodenschätze abzubauen. Mehr noch, sowohl Amerika als auch Luxemburg haben 2017 beziehungsweise 2018 Gesetze erlassen, die es legalisieren, dass Rohstoffe im Weltall dem gehören, der sie abbaut, und nicht etwa der Menschheit als Ganzes.

1972 landete letztmals ein Mensch auf dem Mond. Warum gab es seitdem keine weiteren bemannten Mondlandungen?

IS: Die Amerikaner haben die Fähigkeit dazu schlicht verloren. Deswegen war es auch so beachtenswert, dass nach 2011 die Amerikaner erneut in der Lage waren, einen Menschen ins All zu senden. Doch das war nicht etwa die NASA, sondern Space X.

Es gibt Legenden, warum das so ist. Die wohl nüchternste Antwort ist, dass Wernher von Braun, unter dessen Leitung die Mondrakete Saturn V entwickelt wurde, nicht mehr für die NASA arbeitete. Damals wurden Baupläne nicht elektronisch gespeichert, sondern aufgezeichnet und niedergeschrieben, viel zusätzliches – benötigtes – Wissen war allein in den Köpfen der Wissenschaftler.

Es kursiert die Legende, dass von Braun zornig auf die NASA war, weil diese das Apollo-Programm einstellte, woraufhin er sein Wissen mit ins Grab nahm. Von Braun kam aus Deutschland. Er war es, der auch die V2-Rakete entwickelt hat, er war ein absolut besessenes Genie in Sachen Raketen­entwicklung.

Auch mit der derzeit zur Verfügung stehenden Technik lässt sich die Saturn V nicht reproduzieren. Das war einfach das Spitzenprodukt der 1970er Jahre. In vielerlei Hinsicht kann ein iPhone heute mehr als diese Rakete, und dennoch lässt sie sich nicht reproduzieren. Alles muss neu erfunden werden, weil es seitdem neue Produktionsprozesse und neue Technologien gibt.

TD: Außerdem wurde das Budget der NASA seitdem mehrfach gekürzt. Dies brachte auch die Einstellung von Programmen und die Schließung von Einheiten mit sich.

Weltraumjurist Tamás Darvas: „Ungarn hat jetzt vielleicht zum letzten Mal die Möglichkeit, in dieses Rennen einzusteigen.“ (Foto: BZT / Nóra Halász)

Können sich die Kräfteverhältnisse auf der Erde bis 2030 aufgrund des Weltraums verändern?

IS: Absolut. Wer den Weltraum beherrscht und dort Wortführer ist, wird dies auch auf der Erde sein. Das ist wichtig, zu wissen. Orsolya Ferencz betont regelmäßig, dass der Weltraum ein Ort des „Dual Use“ ist. Das heißt, nicht nur zivile Ziele können dort verfolgt werden, sondern auch militärische. Es ist sicher kein Zufall, dass Amerika nun eine Space Force, also eine Teilstreitkraft für militärische Raumfahrtmissionen, geschaffen hat. Frankreich hat dasselbe getan, aber das hat weniger Staub aufgewirbelt. Mittlerweile ist die Idee überall präsent.

Natürlich ist das grundlegende Ziel die friedliche Nutzung des Weltraums, aber wir dürfen nicht naiv sein. Staaten verfolgen auch militärische Pläne, schon jetzt werden Spionagesatelliten genutzt. Der Staat, der die Raumfahrt gemeistert hat, hat sich seine zukünftige Unabhängigkeit erkauft. Daten müssen dann nicht von anderen eingekauft werden. Wir alle wissen, dass Daten und Informationen im 21. Jahrhundert mit Macht gleichzusetzen sind. Satellitendaten bringen den Ländern momentan militärisch enorme Vorteile – es reicht allein, an Truppenbewegungen und Kommunikation zu denken.

Die Raumfahrt wird aber auch zivil genutzt, etwa für Fernseh- und Radiosender. Wenn diese einem Staat frei zur Verfügung stehen, dann gibt das dem Land eine riesengroße Unabhängigkeit. Luxemburg hat das beispielsweise erkannt. Das Land muss keine Daten von Amerika kaufen, weil es selbst über Unmengen an Daten verfügt, mehr noch, es verkauft diese und macht ein gutes Geschäft damit. Daran gibt es auch nichts auszusetzen.

Weltraumjurist István Sárhegyi: „Das Endziel ist die Kolonialisierung und der Rohstoffabbau auf dem Mond.“ (Foto: BZT / Nóra Halász)

TD: Das einfachste Beispiel, um das Ganze zu verstehen, ist der Wettstreit zwischen der Sowjetunion und den USA zu Zeiten des Kalten Krieges. Man muss hier keineswegs an Star Wars und Ähnliches denken. Zahlreiche Innovationen haben einen militärischen Hintergrund. Es reicht allein, an den Computer oder das Mobiltelefon zu denken. Solche Innovationen erscheinen oft zuerst als Militärtechnik. Wenn also jemand in der Lage ist, im Weltall Schritt zu halten, gibt das Anlass zur Annahme, dass dieser Akteur auch zu anderen Dingen fähig ist und sein technologisches Entwicklungsniveau hoch ist.

Damit möchte ich niemanden verschrecken, aber in den letzten neun Jahren, in denen die USA niemanden in den Weltraum geschickt haben, haben Indien und China nach und nach immer bedeutendere Ergebnisse erzielt. Das muss einfach in Betracht gezogen werden, wenn eine Nation sich als internationaler Akteur sehen und an diesem Wettrennen teilnehmen will.

Wie schwierig ist es, Otto Normalverbraucher verständlich zu machen, dass sich der Staat sehr wohl mit dem Weltraum beschäftigen muss? Gerade in Zeiten, in denen das Land mit zahlreichen Problemen zu kämpfen hat und auch andere Bereiche dringender Entwicklung bedürfen.

TD: Auch als Präsident Kennedy verkündete, dass die USA einen Menschen auf den Mond schicken werden – das vergessen die Menschen gern –, gab es Stimmen, die sagten, dass dies vollkommen sinnlos sei. Wir sehen ja, was daraus geworden ist.

In bestimmten Parametern waren die USA in den 1960er Jahren in Relation zu Ungarn heute weit weniger entwickelt. Was man den Menschen in erster Linie begreiflich machen muss: Wenn der Staat Ressourcen für die Raumfahrt zur Verfügung stellt, dann ist dieses Geld nicht verloren. Es ist tatsächlich sinnvoll. Das war schon früher so und kann auch heute erfolgreich kommuniziert werden.

Ein anderer wichtiger Punkt ist, dass die Weltraumtechnik jeden betrifft. Ihr verdanke ich, dass ich ein Mobiltelefon nutzen kann.

Wenn man es richtig angeht, dann kann die Botschaft sogar sexy sein. Elon Musk ist unheimlich angesagt. Wenn es solche Persönlichkeiten in Ungarn gäbe, die das ganze Thema gut erklären könnten, hätten wir als Land gewonnen. Wir müssen einen Interpretationsrahmen schaffen, in dem die ganze Raumfahrt und alles drum herum Sinn ergeben und die Menschen dies auch akzeptieren können.

Ist da schon etwas oder jemand in Sicht?

IS: Wir arbeiten daran (lacht). Ich freue mich, dass Orsolya Ferencz sich mit diesem Bereich befasst, denn sie kommt aus dieser Welt. Sie ist nicht nur dort reingesetzt worden, sondern sondern hat schon früher in diesem Bereich gearbeitet. Ich glaube, dass das ein sehr guter Anfang ist.

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