Wirtschaftsminister Márton Nagy – hier auf einer Wirtschaftskonferenz Mitte Oktober – schiebt die Schuld vor allem den Deutschen in die Schuhe. Foto: MTI/ Zoltán Kocsis

Bruttoinlandsprodukt

Zurück in der (technischen) Rezession

Die Wirtschaftsleistung brach im III. Quartal zum Vorjahr um 0,8% ein. Im Schnitt der ersten neun Monate des Jahres ist das Wachstum auf 0,6% geschrumpft.

Das Zentralamt für Statistik (KSH) hat am Donnerstagmorgen dramatisch schwache Zahlen vorgestellt: Im III. Quartal wurde der Basiswert aus dem Vorjahr unbereinigt um 0,8%, saisonal und nach Kalendertagen bereinigt um 0,7% verfehlt. Gegenüber dem II. Quartal fiel der Ausstoß – ebenfalls bereinigt – gleichermaßen um 0,7% zurück. Die vorläufige Schätzung kommt noch weitgehend ohne detaillierte Angaben aus. Das KSH verriet aber schon so viel, dass die Landwirtschaft (wegen der Dürre), die Industrie (wegen der schwachen globalen Nachfrage) und das Bauwesen (weil niemand mehr Geld für Projekte übrighat) die BIP-Zahl um rund zwei Prozentpunkte in den Keller zogen. Der Dienstleistungssektor soll diesen Abschwung halbwegs aufgefangen haben.

Aufs falsche Pferd gesetzt?

Ungarn war zuletzt wegen der Energiekrise Ende 2022, Anfang 2023 in eine Rezession geschlittert. Die sich daran anschließende Erholung erwies sich zu schwach auf der Brust, das erhoffte Zugpferd Elektromobilität als lahmender Gaul. Abgesehen davon trocknet die EU-Zentrale das widerspenstige Ungarn erfolgreich aus, die brutalen Ernteausfälle in ganzen Landstrichen taten ihr Übriges. Nachdem die Orbán-Regierung ihre Wachstumsprognose zuletzt weiter auf 1,5-2% kappte, sind nach den enttäuschenden KSH-Zahlen – sofern diese erste Schätzung keine größere Korrektur erfährt – für das Gesamtjahr auch technisch kaum noch mehr als 1% drin.

Tragische Lage der deutschen Autobauer

Das Wirtschaftsministerium machte den Rückfall in die Rezession an der „tragischen Lage der deutschen Volkswirtschaft und speziell der Automobilindustrie“ fest. In einer ersten Stellungnahme zur neuesten BIP-Statistik merkte das Fachressort an, im Inland würden sich derweil positive Konjunkturtrends entfalten. Selbstverständlich setzt man nun auf den neuen Aktionsplan der Wirtschaftspolitik, mit dem das Wachstum angekurbelt werden soll. Als positive Trends definierte Minister Márton Nagy Beschäftigung, Reallöhne, Inflation und Einzelhandel. Ab 2025 solle die Wirtschaft wieder um mehr als 3% wachsen. Der Weg dahin führe über eine Diversifizierung der Handelspartner: Die Abhängigkeit von Deutschland muss gesenkt, die Ostöffnung gestärkt werden.

Magyar: Der „große Zauberer“ soll abtreten

Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei forderte am Donnerstag Konsequenzen von Seiten des Ministerpräsidenten. Viktor Orbán müsse seinen Wirtschaftsminister entlassen und als Ministerpräsident die politische Verantwortung für die tragisch schlechten Wirtschaftsdaten übernehmen, forderte Péter Magyar in einer offiziellen Mitteilung an die amtliche Nachrichtenagentur MTI. Seit Jahren stagniere Ungarns Wirtschaft nun schon, die Bereitschaft zu Investitionen sinke, der Forint breche immer weiter ein, dem Staat bleibe immer weniger Geld für Gesundheitswesen, Bildung, Renten und Löhne. „Während die Regierung immer mehr chinesische Kredite aufnimmt, werden Hunderte Milliarden an die Familien und die Oligarchen gestreut, als gebe es kein Morgen“, schreibt der Chef der Tisza-Partei. „Es reicht, Herr Ministerpräsident! Sie beweisen seit Jahren, dass Sie nicht nur unendlich korrupt, sondern auch zum Regieren komplett unfähig sind!“ Der „große Zauberer“ Márton Nagy habe „keinen weiteren Wurf“, er müsse unverzüglich seinen Hut nehmen.

Die MTI-Graphik zeigt die Entwicklung des Wirtschaftswachstums seit 2010 (Veränderung in %, zum Vorjahr im Schnitt der ersten neun Monate bzw. zum gleichen Vorjahresquartal).

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