Löhne
Zahlen, die kaum jemand glaubt
Das Zentralamt für Statistik (KSH) setzt die Reihe skurriler Lohnstatistiken fort. Am Mittwoch veröffentlichte es die Daten für den Monat November und bezifferte die durchschnittlichen Bruttolöhne für Vollzeitbeschäftigte in Ungarns Volkswirtschaft auf knapp 565.000 Forint, so viel wie nie zuvor. Das letzte Hoch hatte das KSH im Februar ermittelt, als das sog. Waffengeld – sechsmonatige Sonderzahlungen – an die Berufssoldaten und Polizisten auf einen Schlag verrechnet wurde. Diese Ausschüttung ließ den durchschnittlichen Bruttolohn auf 545.000 Forint hochschnellen, fast 80.000 Forint über dem Durchschnittswert, der für den Monat Januar ausgewiesen wurde. Wohlgemerkt für die gesamte Volkswirtschaft! Wie absurd die Lage war, zeigten die Folgemonate, als der „Durchschnittslohn“ schnell wieder in normale Gefilde zurückfiel, der nicht einmal im August 500.000 Forint erreichte. Im September und Oktober folgte auf dieser Basis ein leichter, im November ein heftiger Anstieg.
Netto bleiben 305.000 Forint
Trotz dieses neuerlich dynamischen Anstiegs fiel die Lohndynamik im Jahresvergleich laut KSH auf 16,8% zurück, die im Oktober noch 18,4% erreichte. Die Nettolöhne waren demnach im November bei 375.000 Forint angelangt. Das regelmäßige Einkommen ohne Prämien und Sonderzahlungen schätzte das Statistikamt derweil auf brutto 495.000 Forint, den Medianlohn auf brutto 440.000 Forint. Netto blieben davon im Median, aber unter Berücksichtigung von Steuervergünstigungen 305.000 Forint übrig. Im November schrumpften die Reallöhne bei einer Inflationsrate von 22,5% bereits um 4,7%.
Reallöhne ab Herbst im Minus
Nicht aber im Gesamtzeitraum Januar-November. Da wurde die mittlere Inflation mit 13,6% ermittelt, so dass vom Lohnzuwachs im Durchschnitt real noch 3,4% übrig blieben. Der realistische Medianwert zeigte für die elf Monate brutto 400.000 Forint und netto 280.000 Forint an. Während der Mindestlohn ebenso wie das garantierte Lohnminimum für Fachkräfte im vergangenen Jahr um 20% angehoben wurde, stiegen die Löhne auf der Ebene der Gesamtwirtschaft um brutto 15% bzw. netto um 17%, dank der Steuergutschriften. Die Bruttolöhne bewegten sich in einer Spanne von 320.000 Forint im Gastgewerbe bis hin zu 850.000 Forint im Finanzsektor. Die Lohndifferenz zwischen den Geschlechtern nahm wieder zu, denn Männer verdienten im Schnitt brutto 560.000 Forint im Monat, Frauen weniger als 465.000 Forint.
Analysten verweisen auf zwei gegenläufige Entwicklungen: Die Wettbewerbssphäre korrigiert die Löhne wegen der hohen Inflation und der weiterhin angespannten Arbeitsmarktlage systematisch. Ging man mit einem erwarteten Anstieg um 10% in das Jahr 2022, waren es vor Jahresende eher 20% und im Jahresschnitt gut 15%. Im öffentlichen Dienst waren es zu Jahresbeginn deutlich über 50%, seither aber sind die Kassen klamm, so dass selbst der durchschnittliche Wert am Jahresende auf 20% fiel. So liegen die am Markt gezahlten Löhne nun auch absolut wieder vor jenen, die Vater Staat seinen Angestellten überweist.
