Századvég-Institut
Steigende Energiearmut in der EU
Im Rahmen des sog. Europa-Projekts untersuchte das Wirtschaftsforschungsinstitut Századvég, wie hoch in den EU-Mitgliedstaaten der Anteil der Bevölkerung mit Schwierigkeiten ist, die Heizkosten zu bezahlen. Das Ergebnis schockiert, denn schon vor dem Winter konnte jeder vierte Europäer seine Wohnung nicht mehr richtig beheizen. Nach Angaben von Eurostat waren 2021 knapp 7% der Haushalte in der EU (geschätzte 13,5 Mio. Haushalte mit 29,9 Mio. Personen) aus existenziellen Gründen nicht in der Lage, ihre Wohnungen angemessen zu heizen, und 6,4% waren im Zahlungsrückstand.
Haushalte schon vor dem Winter in Not
Die Századvég-Umfrage vom Herbst 2022 deutet auf eine dramatische Verschlechterung der Lage hin: Mittlerweile scheint ein erheblicher Teil der Bevölkerung infolge des drastischen Anstiegs der Energiepreise von beiden Problemen betroffen. So sind mittlerweile 26% der Europäer (!) nicht in der Lage, ihre Wohnungen angemessen zu heizen. (Das Wirtschaftsforschungsinstitut befragte dazu jeweils 1.000 Menschen in 38 Ländern Europas, neben der EU auch Bürger der Schweiz, Großbritanniens und Norwegens sowie aller Balkan-Länder, zwischen Mitte Oktober und Anfang Dezember telefonisch.)
In der schwierigsten Lage befindet sich laut dieser Erhebung Griechenland mit einem Anteil von 56%, gefolgt von Portugal und Frankreich mit jeweils 34%. Über dem EU-Durchschnitt lagen außerdem Belgien, Tschechien, Slowenien und Spanien. Den niedrigsten Anteil jener, die ihre Wohnung nicht angemessen heizen können, weisen Finnland mit 10% bzw. Ungarn (14%), Österreich und Dänemark (jeweils 15%) sowie Polen (17%) aus. In Deutschland war ähnlich wie im EU-Durchschnitt nahezu jeder vierte Haushalt von dieser Krisenerscheinung betroffen.
Wenig überraschend belegt Griechenland auch hinsichtlich des Zahlungsverzugs mit 51% den ersten Platz, gefolgt von Zypern mit 37% sowie Irland und Bulgarien mit jeweils 35%. Die Frage lautete, wer in den letzten zwölf Monaten wenigstens einmal die Heizungsrechnung nicht fristgerecht begleichen konnte. Auch hier zeichnet sich in Ungarn mit nur 18% ein relativ positives Bild. Einzig Österreich (14%) und Tschechien (16%) wiesen einen noch geringeren Anteil an privaten Haushalten mit Zahlungsrückständen aus.
Manche Fragen bleiben offen
Methodische Schwächen der Erhebung sind der fehlende Zusammenhang zum Gewicht der Heizungsrechnung innerhalb der Lebenshaltungskosten bzw. eine bei manchen Ländern auffällige Diskrepanz zwischen den Werten der beiden Antworten. So sollen 29% der Tschechen behauptet haben, sie könnten ihre Wohnung nicht angemessen heizen, aber nur 16% gerieten dort nach eigener Aussage in Zahlungsverzug. Umgekehrt verschuldeten sich Slowaken und Kroaten lieber bei ihrem Versorger (jeweils 30%), als dass sie ihre Wohnungen kalt gelassen hätten (je 20%). Zypern war mit 13 Punkten Differenz (37% in Verzug, aber nur 24% unkomfortabel wohnend) das perfekte Gegenstück zu Tschechien, in Irland fehlte dazu nur ein Punkt. Da die Energiepreise in vielen Ländern im Herbst und Winter anzogen, während die Regierungen sehr unterschiedliche Gegenmaßnahmen (Kompensation mit der Gießkanne oder sozial gestaffelt, Preisdeckelungen etc.) ergriffen, wäre eine Wiederholung der Studie am Ende der Heizsaison mehr als angebracht.
