Leider ist Brot dieser Tage nicht nur wegen der traditionellen Brotweihe zum Osterfest in aller Munde, sondern auch als einer der größten Preistreiber: Im Jahresvergleich verteuerte es sich um mehr als zwei Drittel. Foto: MTI/ Zsolt Czeglédi

Inflation

Setzt sich die neue Mentalität fest?

Die Preise für Dienstleistungen und Lebensmittel steigen unaufhörlich, der Inflationsdruck ist auch im März kaum gesunken.

Das Zentralamt für Statistik (KSH) ermittelte für den dritten Monat einen durchschnittlichen Anstieg der Verbraucherpreise zum Monat Februar um 0,8%, die Jahresinflationsrate sank eher dezent auf 25,2%. Die Gefahr nimmt zu, dass sich die neue Inflationsmentalität festsetzt. Denn laut den am Mittwoch präsentierten KSH-Zahlen legte die aussagekräftigere Kerninflation um 1,5% zum Februar zu (nach +1,1% im Vormonat) und kletterte im Jahresvergleich auf das neue Hoch von 25,7%.

Im März übernahmen die Dienstleistungen (+1,9% zum Vormonat) die Rolle des größten Preistreibers, denn immer mehr maßgebliche Akteure am Markt heben ihre Tarife unter Berufung auf die KSH-Zahlen drastisch an. So verteuerten sich Telefon und Internet gegenüber Februar um 8,4%, und Fernsehgebühren um 6,5%. Aber auch das Taxi wurde um weitere 4,6% teurer, und der Inlandsurlaub kostete statistisch 3,2% mehr, als in den Wochen zuvor.

Die MTI-Graphik zeigt die Entwicklung der mittleren Jahresinflation im Nachwende-Ungarn (Veränderung zum Vorjahr in %).

Hoffnungen ein weiteres Mal enttäuscht

Bei den Lebensmittelpreisen mochten die PR-Aktionen großer Handelsketten Hoffnungen erwecken, das Preiskarussell komme endlich zum Stehen. Im März wurden diese Hoffnungen aber ein weiteres Mal enttäuscht (+1,5% zum Vormonat), auch wenn Käse (-3,7%), Butter (-3,1%), Teigwaren (-2,3%), Backwaren (-1,2%) und Milch (-0,8%) tatsächlich etwas billiger wurden. Diesen Preisvorteil löschten freilich frisches Obst und Gemüse (+6,1%), Kaffee (+5,1%), Erfrischungsgetränke (+4,5%) sowie Schokolade und Kakao (+2,6%) mit deftig anziehenden Preisen aus. Laut KSH-Statistik waren die großartigen Rabattaktionen der Ketten nicht mehr, als ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn im Jahresvergleich haben sich Lebensmittel noch immer um insgesamt 42,6% verteuert – die Jahresinflation ist demnach gegenüber dem Vormonat um weniger als einen Prozentpunkt gesunken! Eier und Milchprodukte kosten beinahe 75% mehr, als im März 2022, Butter, Brot und süße Backwaren 65-70%, Käse 60%, Teigwaren 55% und Milch 50% mehr.

Der Trick mit dem milden Winter

Deutlicher korrigieren die Energiepreise, wo die Jahresinflation immerhin um sechs Punkte nachgab. Allerdings hilft dem KSH für diese Kalkulation der über den kompletten milden Winter bewährte Trick, wonach der gegenüber 2022 sinkende Gasverbrauch zu einem günstigeren Tarif-Mix für die Verbraucher führt. So hat sich der Preis für Leitungsgas rein statistisch im Vergleich zum Februar um satte 8,7% verringert, Haushaltsenergie wurde daraufhin um 3,8% günstiger. Binnen zwölf Monaten wurde Leitungsgas mit +63% aber besonders teuer, gefolgt von Brennholz (+56%), Flaschengas (+51,5%) und Elektroenergie (+27,5%). Unterm Strich zahlt der Ungar heute für seine Haushaltsenergie 43% mehr, als vor einem Jahr.

Bei langlebigen Verbrauchsgütern sinkt der Inflationsdruck ein wenig, was aber immer noch zweistellige Preiserhöhungen mit 20% in der Spitze bedeutet. Unter den Sonstigen Produkten zogen Tierfutter (+60%) und Alkohol (+27,5%) nochmals im Preis an. Bei den Dienstleistungen weist das KSH offiziell „nur“ einen Preisanstieg zum Vorjahr um durchschnittliche 13% aus, alle möglichen Leistungen rund ums Auto haben sich derweil um ein Viertel (fürs Taxi sogar um 36%) verteuert, wie auch ein Inlandsurlaub im Schnitt ein Viertel mehr kostet, als noch im Frühjahr 2022.

Minister will mit den Ketten reden

Die Analysten hatten mit einem deutlicheren Rückgang der Inflation gerechnet. Unter den negativen Überraschungen hoben sie die Kerninflation und die speziell für den Warenkorb der Rentner berechnete Inflation hervor, die bei 26,7% angelangt ist. Wirtschaftsminister Márton Nagy legte PR-Optimismus an den Tag, als er dem Wirtschaftsportal vg.hu versicherte: „Wir befinden uns auf dem richtigen Weg. Wie von uns erwartet hat die Inflation im Januar ihren Scheitelpunkt überschritten und geht seither zurück.“ Nagy hob die Rabattschlacht zwischen den Einzelhandelsketten hervor, die sich in den kommenden Monaten deutlicher in den Preisen niederschlagen werde. Das Wirtschaftsressort erhofft sich aber auch von dem neuen System eines Preismonitorings sinkende Preise. Zudem kündigte der Minister an, er werde sich in Kürze mit den Repräsentanten der Ketten konsultieren, wie man das Ziel einstelliger Verbraucherpreise am Jahresende gemeinsam erreichen kann.

Die Ungarische Nationalbank (MNB) zeigte sich in ihrer eigenen Inflationsanalyse weniger optimistisch. Der vom KSH ausgewiesene Rückgang sei auf sinkende Preise bei Kraftstoffen und verarbeiteten Lebensmitteln zurückzuführen. Die Preise für Industrieartikel stiegen derweil um 1,3% (auf 19,4% zum Vorjahr), die Preise für Dienstleistungen am freien Markt sogar um 2,3% (auf 18,5% zum Vorjahr).

15 Antworten auf “Setzt sich die neue Mentalität fest?

  1. Das sind die Schädigungen des Westens durch die Sanktionen, der sich selber noch mehr damit schädigt, aber gegen Ungarn alles unternehmen will wegen Nicht-Unterwürfigkeit. Ungarn muß standhaft bleiben, zur Gerechtigkeit vor sich und der Welt.

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    1. Was Sie hier bringen, ist die übliche Ausrede der Fidesz-Regierung.

      Aber fragen Sie sich doch mal, warum in anderen EU-Staaten, die die Sanktionen sogar noch umfänglicher mittragen, als die Orban-Regierung die Inflation nicht derart hoch ist.

      Fragen Sie sich auch mal, warum schon vor den Sanktionen die Inflation ein Problem in Ungarn war und schon vor Kriegsausbruch z.B. der Benzinpreis staatlich diktiert wurde.

      Es war schon lange abzusehen, dass es zu einer Überhitzung der Wirtschaft und damit zu Inflation kommen würde, als die Orban-Regierung trotz anziehender Konjunktur auch noch Wahlgeschenke verteilte – zumal kreditfinanzierte.
      Wenn die Nachfrage am Markt zunimmt, stimuliert man die Nachfrage nicht auch noch, nur um Wahlen zu gewinnen. Zumal, wenn die Angebotsseite mit Lieferengpässen zu kämpfen hat.

      Was nun droht, ist, dass sich die Verbraucher mit steigenden Preisen abfinden und nur noch einen Ausgleich über Lohnerhöhungen suchen. Dann bekommen wir eine Lohn-Preis-Spirale.

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      1. Die Lohn-Preis-Spirale war im vergangenen Jahr eine akute Gefahr, sie scheint nach Ansicht der meisten Experten vom Tisch.
        Weit mehr Sorgen bereiten die hartnäckig hohen Lebensmittelpreise, die “nachträglichen” Preiskorrekturen der Dienstleister und nicht zuletzt die von Bankenpleiten begleitete Zinspolitik der führenden westlichen Zentralbanken.

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  2. Das geschieht, wenn man die Inflation nicht ernergisch bekämpft. Die ungarische Zentralbank ist das bewusst, ob die Politik das richtig einschätzt, weiß ich nicht.

    “Die stark steigenden Lebensmittelpreise sind ein großes Problem für viele Türken. Vieles wird zum Luxusgut. Während die Türkei auf die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 14. Mai zusteuert, gehören die steigenden Lebenshaltungskosten zu den wichtigsten Diskussionsthemen in der türkischen Öffentlichkeit.”

    “Laut den Berechnungen der Unabhängigen Forschungsgruppe Inflation (Inflation Research Group – ENAG) liegt diese sogar bei 112 Prozent: Ein Hinweis darauf, dass die türkischen Behörden die Zahlen beschönigen.”

    “Die türkische Lira verlor in den vergangenen Jahren gegenüber dem Euro und dem US-Dollar zunehmend an Wert. Bekam man für einen Euro im Jahr 2014 circa 2,90 Lira, so sind es heute über 21 Lira.” [Und jeder weiß, dass der Euro zwischenzeitlich auch eine Weichwährung geworden ist.]

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  3. Laut einer Studie des Forschungszentrums der Gewerkschaft (DISK-AR) sind die Lebensmittelpreise in den letzten 20 Jahren um 1750 Prozent angestiegen. Erdogans AKP ist seit 21 Jahren an der Macht.

    “Die Krise bedeutet für die Türken nicht nur, dass es beispielsweise schwieriger ist, Urlaub im Ausland zu machen, sondern viele haben inzwischen Schwierigkeiten, sich Lebensmittel im eigenen Land leisten zu können: Ein Faktor, der die Entscheidung der Wähler am 14. Mai beeinflussen könnte.”

    https://www.focus.de/finanzen/news/unter-erdogan-um-1750-prozent-teurer-in-tuerkei-sind-milch-und-fleisch-nun-luxus_id_190996444.html

    Und das sollte jeden verantwortungsvollen Politiker in Ungarn zu denken geben. Am Ende wird es nichts mehr nutzen, wenn man ständig das Ende der Inflation weiter in die Zukunft verlegt. Irgendwann (das Wann ist natürlich nicht zu prognostizieren) wird man unglaubwürdig und die öffentliche Meinung beginnt sich dann zu drehen. Ich hoffe, dass die Politik das in Ungarn erkennt.

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    1. Wobei alles immer 2 Seiten hat.

      Die Inflation lässt sich nur dadurch eindämmen, indem man die Wirtschaft bremst.
      Der Staat muss seine Ausgaben reduzieren und somit die staatliche Nachfrage senken.
      Die Notenbank kann nur die Geldmenge reduzieren und die Zinsen erhöhen, was ebenfalls zu sinkender Nachfrage führt.

      Inflation wiederum ist mit Reallohnverlust verbunden, was für die Unternehmen zu Kostensenkung und Steigerung der Konkurrenzfähigkeit führt.
      Sowieso lassen sich Preissteigerungen durchsetzen, die über den Kostensteigerungen liegen.

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      1. Das ist alles richtig, und wie Sie nicht nur einmal anmerkten, profitiert der Staat natürlich auch von der Inflation, so diese Prozesse unter Kontrolle bleiben.
        Im Moment deutet vieles darauf hin (auch das Einlenken Orbáns gegenüber den USA!), dass die Politik den Schwanz einzieht und die Notenbank endlich walten lässt, um mit effizienten Instrumenten das Inflationsgespenst zu zerschlagen. Es wird aber mit herben Verlusten einhergehen, weil man zu lange meinte, schlauer als alle anderen zu sein.

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        1. Schmerzhaft ist dies leider immer.
          Auch in Deutschland ist der Damm nach Jahren der Preisstabilität nun gebrochen und die Rückkehr zu einer Inflationsrate von 2% wird nicht ohne eine gebremste Konjunktur möglich sein. Initialzündung waren dabei schon vor den Energiepreisexplosionen die Lieferengpässe.

          Immerhin: Die befürchtete Rezessionsphase, die bei der Inflationsbekämpfung zu befürchten war, blieb in Deutschland aus.

          In Ungarn muss die Regierung nun ihre Hausaufgaben machen, statt immer nur nach Schuldigen zu suchen – auch wenn diese unbeliebt sein mögen.

          In Deutschland wurde die Bevölkerung immerhin darauf eingestellt, dass es auch etwas kosten wird, für demokratische Freiheiten einzutreten und den Ukrainern zu helfen.
          Wer mag schon gerne Nebenkostennachzahlungen und steigende Preise, aber es gibt nun einmal nichts umsonst.

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    2. “Und das sollte jeden verantwortungsvollen Politiker in Ungarn zu denken geben.”
      Das tut es, immerhin haben sich MNB-Präsident Matolcsy und Finanzminister Varga nach dem medienwirksamen Zerwürfnis der letzten Monate nun erstmals offiziell getroffen und hoch und heilig versichert, man wolle sich wieder regelmäßig konsultieren. Das Problem scheint mir eher beim Wirtschaftsressort zu liegen, wo sich Minister Nagy immer noch als Notenbanker gebärdet. Matolcsy kritisierte genau das wiederholt: Die Hebel der Geldpolitik werden lahm gelegt, wenn der Staat ständig neue Konjunkturprogramme macht und noch in Zeiten der Hochinflation Darlehen zum Nullzins verteilt.

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    3. “Am Ende wird es nichts mehr nutzen, wenn man ständig das Ende der Inflation weiter in die Zukunft verlegt.”
      Jahresende 2023 ist weiterhin breiter (politischer wie fachlicher) Konsens für die Rückkehr zur einstelligen Inflationsrate. Leider wird die mittlere Jahresinflation wegen der aktuellen Entwicklung dennoch gegen 20% tendieren, also gut und gerne fünf Punkte über dem Hoch von 2022 rangieren.

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      1. Sofern im Herbst nicht wieder die Sorge in Panik umschlägt und erneut Energie nach dem Motto “egal was es kostet” gekauft wird.

        Oder wie bei den Lieferengpässen, als die Logistikbranche selbst von den Preisen überrascht wurde, die die Kunden bereit waren zu zalhen, weil ebenfalls galt:
        Egal was es kostet.

        In jedem Fall wird man auch in Ungarn ein geringes Wachstum akzeptieren müssen, um die Inflation einzudämmen.
        Und der Staat muss sich dringend auf die Bedürftigen konzentrieren und die Ausgaben zurückfahren. Nur fürchtet Orban offensichtlich die Verärgerung des Mittelstandes.

        Eigentlich war schon Anfang 2022 davon die Rede, dass es wohl zu einigen Quartalen sinkender Wirtschaftsleistung kommen müsse, um die Inflation wieder einzufangen.

        Die hohe und stabile Beschäftigungsrate fängt glücklicherweise vieles auf. Da hat der Arbeitskräftemangel auch mal etwas gutes.

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    1. Das sind die Preisschübe, die von den Kunden akzeptiert werden, weil es scheinbare Begründungen dafür gibt.
      Wenn die Kunden ihre Nachfrage wieder preisbewußter steuern, wird auch dieser Ausschlag wieder auf ein Normalmaß zurückpendeln.
      Die Kunden werden dazu gezwungen werden – die Filmenkunden durch die Zinserhöhungen der Notenbanken und die Privatkunden, weil die Lohnanpassungen erst zeitversetzt erfolgen.

      Solange die Kunden die hohen Preise bezahlen, werden die Preise auch weiter steigen. Die Angebotsseite wird sich erst verzögert den winkenden Profiten anpassen – die Nachfrage muss runter.

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