„Auch eine regionale Forint-Währungszone wäre denkbar.“ (Foto: MTI / Attila Kovács)

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Schwedische oder dänische Lösung?

Wie geht Budapest damit um, dass Brüssel den Beitritt zur Eurozone aus dem Blickwinkel der wirtschaftlichen und politischen Integration früher oder später für weitere Mitgliedstaaten attraktiv machen wird?

Kürzlich veröffentlichten die Europäische Zentralbank (EZB) und die Europäische Kommission formell unabhängig voneinander den aktualisierten Konvergenzbericht, in dem alle zwei Jahre die Lage in jenen sieben Mitgliedstaaten beurteilt wird, die noch nicht zur Eurozone gehören. Wenngleich es kein konkretes Datum gibt, haben sich diese Staaten mit der Ratifizierung ihrer Mitgliedschaft in der Gemeinschaft zugleich zum Beitritt in die Eurozone verpflichtet.

Zwei auf Sonderwegen

Konzentrieren wir uns bei der Betrachtung an Stelle der technischen Aspekte auf die politischen und vor allem die geopolitischen Hintergründe, die das Ganze erst so richtig spannend machen. Seitdem der Vertrag von Maastricht zur Schaffung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion 1993 in Kraft getreten war, galt für zwei Mitgliedstaaten eine Befreiung vom Beitritt zur Währungsunion. Zum einen beharrte Großbritannien auf seinem Pfund und somit der Möglichkeit, außen vor zu bleiben; daneben erstritt sich Dänemark mittels Referendum einen Sonderweg. London verfolgte im Anschluss über mehr als zwei Jahrzehnte eine vollkommen eigenständige Geldpolitik, wohingegen Kopenhagen immerhin dem Wechselkursmechanismus (ERM II.) beitrat und damit praktisch die Krone als Landeswährung an den Euro band.

Somit verfolgen die Dänen eine Hybrid­lösung, die trotz ihrer größeren Eigenständigkeit von Zeit zu Zeit leichter an billiges Geld der EZB gelangen, als jene sechs ehemaligen Ostblockstaaten und Schweden, die der Eurozone noch nicht beigetreten sind. Übrigens lässt es sich denken, dass Dänemark mit der Wechselkursbindung die Unternehmen des Landes der Bequemlichkeit entwöhnen wollte, über schwankende Wechselkurse die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu beeinflussen. Worüber man im Westen kein Wort verliert: Die Schweden traten der Europäischen Union 1995 bereits unter Erfüllung der Maastricht-Kriterien bei und besitzen deshalb keine Option, den Euro zu verweigern. Ein Referen­dum untermauerte unterdessen, dass der Beitritt zur Eurozone bei den Bürgern des skandinavischen Landes nicht wirklich gut ankommt. Seither „kollaborieren“ die Institutionen der Gemeinschaft mit der schwedischen Politik, um das Thema Mitgliedschaft in der Eurozone bloß nicht auf die Tagesordnung zu setzen. Im Gegensatz zu den Dänen halten sich die Schweden auch vom ERM II. fern. In Krisenzeiten bedienen sie sich durchaus auch mal des Mittels, ihre Landeswährung abzuwerten. Laut EU-Kommission verlor die Schwedische Krone in den letzten zwei Jahren etwa 3 Prozent ihres Wertes gegenüber dem Euro – für den Forint wurden zur gleichen Zeit 10 Prozent Kursverlust ausgewiesen.

Politisches Projekt aufgelegt

Drehte sich die Debatte früher einzig darum, wer wann der Eurozone beitreten wird, mehren sich in jüngster Zeit auch die kritischen Stimmen. Der Euro wurde anerkanntermaßen zur zweitstärksten Weltwährung, deren Triumphzug nach den ersten zehn Jahren jedoch zum Stillstand kam. Außerhalb Europas ist die Führungsrolle des US-Dollar als Reservewährung und Zahlungsmittel unzweifelhaft. Natürlich mögen die Amerikaner beanstanden, dass die Deutschen über den Euro an eine billige Währung gelangten, mit der sie nicht nur die EU, sondern auch den US-Markt aufrollen, doch in diesem Streit verhalten wir uns wie gute Europäer und stehen fest zum Euro.

Frankreichs Präsident Macron hat derweil ein politisches Projekt auf den Weg gebracht, den Zusammenhalt über eine verstärkt institutionalisierte Eurozone zu stärken. (Über die fiskalische Union eröffnet sich für die Mitglieder der Eurozone die Aussicht auf eine Schuldenunion.) Den Anstoß gaben die Griechen, die brutalen Auflagen mit dem Ergebnis einer deftig geminderten Wirtschaftsleistung zustimmten, aber nicht der Währungsunion den Rücken kehrten. Das wird letztendlich dazu führen, dass der Beitritt zur Eurozone aus dem Aspekt der vertieften Integration früher oder später auch für jene attraktiver gestaltet werden muss, die sich bislang ähnlich wie Ungarn zurückhielten.

Rumänien ist nicht Griechenland

Wie könnte das aussehen? Zunächst könnte eine Spaltung der sechs ehemaligen Ostblockstaaten vorangetrieben werden, unter denen die „willigen“ Länder Bulgarien, Kroatien und Rumänien mit außerordentlichen Mitteln in die Eurozone gelockt werden sollen. Bulgarien hat schon vor 22 Jahren eine vom Euro losgelöste Währungspolitik aufgegeben, muss aber weiter auf grünes Licht für den Beitritt zur Eurozone warten. Das Land muss ebenso wie die seit kurzem auf den Beitritt drängenden Kroaten strenge Auflagen für die Mitgliedschaft erfüllen. Bulgarien und Kroatien legen in diesem Bestreben eine geradezu asketische Disziplin an den Tag, worin sie den vor gut einem Jahrzehnt beigetretenen Balten gleichen. Wenn man zudem die Angleichung der Preise und Löhne an die Durchschnittswerte der Eurozone vergleicht, stehen die beiden auch nicht unbedingt schlechter da, als beispielsweise Lettland oder Litauen zum Zeitpunkt ihres Beitritts.

„Die Eurozone findet mehr und mehr Kritiker. Zweifellos stieg der Euro zur zweitstärksten Weltwährung auf, doch sein Triumphzug kam nach dem ersten Jahrzehnt zum Stillstand.“

Sollte die Eurozone ihre Tore öffnen und in drei oder vier Jahren Bulgarien und Kroatien in ihre Reihen aufnehmen, wird sich daraus eine neuartige geopolitische Lage ergeben. Denn dann lässt sich der Dreispänner Tschechien-Ungarn-Polen mit seiner eigenständigen Geldpolitik und den frei schwankenden Wechselkursen „einkreisen“. Freilich muss dazu der Fall Rumänien geklärt werden. Dort hat sich die politische Elite verpflichtet, den Beitritt zur Eurozone auf mittlere Sicht zu verwirklichen. Die von Bukarest praktizierte Schaufensterpolitik hat die Konvergenz aber nicht befördern können, weshalb die Mitglieder der Eurozone einer Aufnahme Rumäniens nur zustimmen werden, wenn eine politische Bereitschaft dafür vorhanden ist, wie sie Griechenland 2001 erleben durfte.

Damals brauchte die Gemeinschaft den politischen Erfolg, also wurde jeder Mitgliedstaat in die Eurozone geholt, der dies von sich aus wünschte. Nicht einmal auf die Schuldenrate und das Haushaltsdefizit wurde Rücksicht genommen. Später schaute man den Litauern (und hinter verschlossenen Türen auch den Esten) weitaus strenger auf die Finger. Leichter wird es für die Rumänen ganz sicher nicht, denn der Eurozone reicht die griechische „Zeitbombe“. Ausgehend von den politischen Absichten erscheint derzeit realistisch, dass die europäische Währungsunion bis zur Mitte des Jahrzehnts um zwei, bis 2030 um drei Staaten ausgeweitet wird.

Schritt zur Selbsterziehung

Wie können die drei „autonomen“ Länder darauf reagieren? Ich habe schon einmal vorgeschlagen, dass Ungarn dem Beispiel der Dänen folgen sollte. Das würde somit den Beitritt zum Wechselkursmechanismus bedeuten. Eigentlich sehen die Verträge nach einer Frist von zwei Jahren vor, aus diesem Vorzimmer ins „Wohnzimmer“ weiterzugehen, ergo aus dem ERM II. in die Eurozone. Diese Pflicht könnte durch einen politischen Handel aufgeweicht werden, der dem Zentrum der Integration zupass kommt, aber gleichzeitig auch die Interessen der ungarischen Wettbewerbssphäre und des Staates berücksichtigt. Dabei müssen wir uns darauf einstellen, auf die eigenständige Abwertungspolitik zu verzichten, mit der wir unsere Wettbewerbsfähigkeit künstlich stärken. Es wird schwer fallen, aber diesen Schritt zur Selbsterziehung kann niemand für uns gehen. Die Alternative wäre es, auf dem System der schwankenden Wechselkurse abseits der Eurozone zu beharren, dabei jedoch wie die Schweden nur noch in Krisenzeiten und geringfügig abzuwerten. Das wäre wie ein Sicherheitsnetz beim Drahtseilakt zu verstehen. In dem Fall sollte Ungarn seine Wechselkurspolitik mit jener Tschechiens und Polens abstimmen, was unweigerlich die wirtschaftliche Zusammenarbeit vertiefen würde.

Selbstverständlich wären noch andere geopolitische Schritte denkbar, wie beispielsweise eine regionale Forint-Währungszone. Angelehnt an das Beispiel der D-Mark könnten einzelne Länder wie Serbien ihre Währung am Forint ausrichten, wie das einst Österreich und die Niederlande im Verhältnis zu Deutschland taten. Das ist grundlegend eine Frage, wie sich Ungarn orientieren will, aber auch die Frage, ob die Partner bereit wären, ihre Währung langfristig an den Forint zu binden, ob ihr Entwicklungsstand dem Niveau Ungarns nahekommt und ob sie überhaupt den politischen Willen für eine solche Liaison mitbringen. Damit aber bewegt sich die Debatte schon auf einem anderen Feld.

Aus dem Ungarischen übertragen von Rainer Ackermann.

Der Autor ist Ökonom und war 2004-2009 Europaabgeordneter.

Der Kommentar erschien ursprünglich im konservativen Wochenblatt Figyelő.

3 Antworten auf “Schwedische oder dänische Lösung?

  1. Ich verstehe ja nichts von Währungspolitik und liebe den Forint. Aber als ich ihn kennelernte, kostete das Eis 50 Fillér. Und heute nervt die Umtauscherei und die Kosten fürs Bezahlen mit Kreditkarte. Also vielleicht doch besser ins Museum damit und her mit der Euro-Integration. Letztlich müssen das die Ungarn entscheiden, was besser für sie sein könnte. Ich laube, dass für die Ökonomie die Vorteile des Euro überwiegen dürften, da die meisten Investoren aus dem Euro-Raum kommen.

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    1. Ich glaube es nicht. Ich vermute, die €, und damit auch die EU in dem heutigen Form hat keine rosige Zukunft.
      In 2010 – Sie können die Wirtschaftsdaten vergleichen – Griechenland stand fast auf dem selben Niveau- mit Staatsverschuldung, Arbeitslosigkeit und so weiter. Hätte man damals schon in Ungarn die € – stünde Ungarn auch jetzt ziemlich schlimm da. Es wurden sehr viel Geld in Griechenland eingepumpt, landete aber bei den Banken, ausländischen Gläubigern – das Land hat nicht einmal ein Katasteramt. Das Geld kam nicht an, wo es hätte ankommen müssen. Keine strukturelles Umbau, nichts.
      Weder Griechenland noch Ungarn hat JETZT noch nicht Effizient, Produktivität eines Österreichers oder Deutschlands erreicht. In Ungarn hilft dann die Abwertung des Forints, um das Unterschied auszugleichen, in Griechenland nicht.
      In griechenland-Rettung hat sogar die Slowakei zu Kasse gebeten wurde, obwohl das Land ärmer, als Griechenland. Euro kann nur kommen, wenn Produktivität und Effizient in Ungarn erreicht Österreich.

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      1. Die Einführung des € in so viele sehr unterschiedliche Staaten war der Kardinalfehler. Das ist heute anerkannte Tatsache, die jedoch dem europäischen Wahlvolk gegenüber unter den Teppich gekehrt wird. Italien wird kaum den Schritt wagen, den €-Raum zu verlassen, zumindest nicht ohne einen riesigen Schuldenschnitt von Seiten der Gläubiger. Es ist eben ein riesiger Vorteil, in einer Weltwährung zu leben, denn so können die Staaten bzw hier die EZB die Wirtschaft mit der Druckerpresse – oder heute besser gesagt- per Knopfdruck vor einer Deflation retten. Inflation entwertet die Schulden zudem. Man ist in einer Weltwährung gegenüber anderen in gleicher Währung verschuldet und braucht die Abwertung nicht fürchten. Falls Ungarn jedoch seine solide Finanz- und Wirtschaftspolitik fortführt und die Gläubiger des ung. Staates die Ungarn selber sind, so besteht die Chance auf ein Weiterleben im Forint. Wer bei sich selber verschuldet ist, hat gut lachen. Ungarn hat die Verschuldung in ausländischer Währung in den lezten Jahren sehr reduziert und somit auch die politische Abhängigkeit.
        Japan kann sich sogar mit 250% Staatsverschuldung über Wasser halten, viel mehr aber nicht. Es ist bei sich selber verschuldet.

        Das Vorbild für Ungarn ist Ungarn. Ziel sollten weniger als 60% zum BIP sein, erreicht durch Wachstum. Sollten die ungarischen Chaoten, also die ungarischen Linken, wieder den sozialistischen Weg der Verschuldung gehen, dann bliebe nur die Flucht in die Weltwährung. Aber dafür müssten sie erst mal gewählt werden. Hier kommt Soros ins Spiel. Spekulanten warten heute darauf mehr denn je, dass einer einen Fehler macht und sorgen dafür, dass der Mist gewählt wird.
        Die Beste Lösung sind Währungsunionen von Staaten gleichen Niveaus in Produktivität und Mentalität.

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