Bruttoinlandsprodukt
Rund 170 Mrd. Euro erreicht
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Das Zentralamt für Statistik (KSH) bestätigte am Donnerstagmorgen die vorab veröffentlichten Zahlen, wonach sich das Land in einer technischen Rezession befindet. Denn obgleich im Gesamtjahr 2022 noch ein Wachstum von 4,6% zustande kam, das sich im letzten Quartal saisonal und nach Kalendertagen bereinigt auf 0,8% verlangsamte, war die Konjunktur im II. Halbjahr bereits verflogen: Im III. Quartal ergab sich ein bereinigter Abstieg zum Vorquartal um 0,7%, im IV. Quartal ging es um weitere 0,4% bergab. Sechs Monate in Folge im Abwärtstrend entsprechen nach der Definition einer technischen Rezession.
Dienstleistungen und Industrie als Motoren
Der Dienstleistungssektor (+2,8%) rückte im IV. Quartal noch knapp vor der Industrie (+2,7%) an die Stelle als stärkster Wachstumsmotor, vor allem dank eines anhaltenden Booms der Transport- und Logistikbranche (+8,0%) sowie des Immobiliensektors (+5,9%). Das Baugewerbe stagnierte nur noch, die Landwirtschaft stürzte brutal ab. Auf der Nachfrageseite sah es noch weitaus dürftiger aus. Nur der private Konsum konnte den Inlandsverbrauch überhaupt noch im Plus halten, im Außenhandel ergab sich trotz positiver Nettoexporte zu laufenden Preisen ein Defizit von 1.000 Mrd. Forint. Gegenüber dem III. Quartal sank die Wirtschaftsleistung um 0,4%, weil Industrie und Investitionen das hohe Tempo vom Herbst nicht mehr halten konnten.
Marginale Branche zog alles runter
Für das Gesamtjahr 2022 weist die erste Schätzung des KSH zu laufenden Preisen ein Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 66.385 Mrd. Forint (rund 170 Mrd. Euro) aus, was einem Anstieg um 4,6% gegenüber 2021 entspricht. Die Industrie konnte ihre Wertschöpfung um 5,4% steigern, der Dienstleistungssektor sogar um 7,2%, das Baugewerbe um moderate 3,0%. Der Ausstoß der Landwirtschaft brach derweil um mehr als 31% ein, so dass diese eigentlich marginale Branche das BIP im Alleingang um einen ganzen Punkt nach unten zog. Der Privatverbrauch stieg um 6%, die Ausgaben der öffentlichen Hand stagnierten, was in einem Plus der Konsumausgaben von 5% mündete. Die Bruttoinvestitionen nahmen unterm Strich um gut 2% zu, der Außenbeitrag um einen knappen Punkt.
Wachstumsvorsprung ging verloren
Analysten hoben hervor, dass die Industrie den Schockwirkungen des Ukraine-Krieges und der Energiekrise ganz beachtlich gegengehalten habe. Die Leistungskurve des Dienstleistungssektors zeigte zunehmend steiler nach unten, so wie die Kaufkraft durch die Inflation aufgezehrt wurde. Die Investitionstätigkeit brach im IV. Quartal deftig ein, sicher nicht unabhängig von den mit der neuen Heizsaison explodierenden Energiekosten und den wieder zweistelligen Kreditzinsen. Der Absturz der Landwirtschaft ist zugleich ein Keim der Hoffnung für 2023, denn ein zweites vergleichbar dramatisches Dürrejahr sollte nicht eintreten. Ungarn hat seinen Wachstumsvorsprung gegenüber der Eurozone verloren und wird womöglich bis zur Jahresmitte und darüber hinaus zu kämpfen haben, um diesen zurückzugewinnen.
