Heizen in der Krise

Rückkehr zu Holz und Abfällen

Um die Gaspreisexplosion zu kompensieren, kehren Ungarns Haushalte vermehrt zur Verbrennung von Holz und sogar von Abfällen zurück. 

Die enorme Preiserhöhung ist das Ergebnis der teilweisen Aufhebung der amtlich fixierten Energietarife im Sommer 2022. Verbraucher bezahlen seither oberhalb eines „Standardbedarfs“ beinahe das Achtfache pro Kubikmeter Erdgas. Eine repräsentative Umfrage des Energieforschungsinstituts REKK zeigt, dass der Gasverbrauch in den privaten Haushalten im Winter 2022 um etwa ein Drittel sank. Dies war neben der milden Witterung auch durch den Wechsel zu alternativen Brennstoffen und Sparmaßnahmen der Verbraucher bedingt.

Brennholz als Alternative

Laut Umfrage beheizen 91% der Ungarn ihre Wohnung mit Erdgas, 36% ohne jegliche alternative Heizmöglichkeit. Wer technisch dazu in der Lage war, begann je nach Preisempfindlichkeit, zwischen Gas und Brennholz hin und her zu wechseln.

Die teilweise Abschaffung der Politik der gesenkten Energiekosten führte jedoch nicht zur gewünschten Reduzierung des Energieverbrauchs. Vor allem einkommensschwächere Familien werden nun zusätzlich belastet, die in ungedämmten Gebäuden leben. Die Bürger frustriert zudem, dass sie trotz verringerten Energieverbrauchs überhöhte Rechnungen von der staatlichen Energieholding MVM bekommen, deren IT-Systeme mit der neuen, gestaffelten Abrechnungspraxis überfordert sind. Selbst das Energieministerium hält es für bedenklich, dass die Betroffenen der MVM bis zum Jahresausgleich der überhöhten Zahlungen unfreiwillig Kredit gewähren. Mit Abhilfe wird aber vor 2025 nicht gerechnet.

Die Ärmsten heizen gar nicht

Die ärmsten Haushalte waren weniger von der Gaspreiserhöhung betroffen, da sie stärker auf Holz als Heizmittel angewiesen sind. Gleich 20% dieser Haushalte planten, ihr Haus nicht mehr (vollständig) zu beheizen (im Vergleich zu 10% der Haushalte, die mit Gas heizen). Dies bekräftigt die These, dass die Nutzung von Brennholz oft stark mit Energiearmut verbunden ist. Wenngleich nur eine Minderheit der Befragten offen einräumte, sogar Abfälle als Brennstoff zu nutzen, zeigte die Umfrage doch, dass viele keine Bedenken gegenüber dieser Praxis hegen. Die Zahl der Haushalte, die sich bewusst für das ergänzende Verbrennen von Müll zu Heizzwecken entscheiden, wird landesweit auf 720.000 geschätzt.

7 Antworten auf “Rückkehr zu Holz und Abfällen

  1. Als Einwanderer ist mir aufgefallen, dass die ungarischen Bürger stolz auf eine zentrale Beheizung ihres Hauses sind. Einfach den Knopf etwas drehen und die Wohntemperatur steigt. Das ist der angestrebte Luxus.
    Mir ist die Behaglichkeit eines Holzfeuerung lieber, zumal man damit von eventuellen Störungen im Fernheizungsnetz unabhängig ist. Ausserdem kostet eine neue Gas-Heizungs-Installation inkl. Heizkörper zwischen 5-7000 Euro. Das ist schon eine gewaltiger Betrag. Dafür kann man jahrelang mit Holz heizen. Und die Gas-Gebühren kommen ja noch oben drauf.
    Ich bin sehr dankbar dafür hier in Ungarn Holzöfen nutzen zu dürfen. In Stuttgart war das leider nicht erlaubt.
    Ausserdem unterstützt der ungarische Staat die armen Haushalte bei der günstigen Holzbeschaffung. Habe selbst so eine Nachricht im Briefkasten gehabt. Mein Eindruck: es wird viel für die Bürger getan.

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    1. Die Orbán-Regierung hatte die Tarife für Fernwärme, Strom und Erdgas 2013 eingefroren, für Brennholz gelten seit jeher Marktpreise. Damit wurden genau jene Schichten von der Quersubventionierung der Energie ausgeschlossen, die sich – wie Sie es ja auch ansprechen – eine teure Zentralheizung nicht leisten können. Die soziale Brennholzhilfe ist eine gute Sache, aber mit 2 m3 pro bedürftigem Haushalt eher ein Tropfen auf den heißen Stein.

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      1. Das ist vermutlich der offizielle Weg. 2 Kubikmeter reichen kaum für den halben Winter. Im Nachbarort gibt es eine Ausgabestelle, die Holz gerüchteweise kostenlos an die Einwohner abgibt. Allerdings nicht an jeden. Ein eingereister Deutscher wollte davon auch profitieren. Das hat aber nicht geklappt. Und ich denke, wer mit so einem dicken Auto daherkommt darf für das Holz auch etwas bezahlen.
        Aber grundsätzlich gibt es anscheinend Mittel und Wege für günstiges Brennmaterial. ‘Ich helfe dir – du hilfst mir’.

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        1. Die Gemeinden teilen das soziale Brennholz den Bedürftigen zu, bzw. geht das auch direkt über die staatlichen Forste. Es ist schon dreist, was manche besser gestellte Personen so alles an Beihilfen, Zuschüssen etc. abgreifen wollen.

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          1. Das kann man wohl so ausdrücken und betrifft leider oft Eingewanderte, die meinen man müsse ihnen alles billig oder kostenlos zur Verfügung stellen. Das betrifft technische Hilfestellungen bis zum Material, das möglich wenig kosten soll. Es ist legitim Informationen auszutauschen und sich Rat zu holen. Aber vieles andere grenzt an Unverschämtheit.

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      1. Damit gehören Sie zu einer großen Mehrheit von gut drei Vierteln. Wer aber “zu groß” gebaut und/oder schlecht gedämmt hat, muss sich heute schon einschränken. Das war aber auch eine berechtigte Kritik an der Gießkannen-Sozialhilfe der Orbán-Regierung: Die künstlich niedrig gehaltenen Tarife regten nicht eben zur Sparsamkeit an. Diese Energieverschwendung fand als Nebenwirkung der Krise ein Ende.

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