Leitzins
Recht mutiger Zinsschnitt
Das geschah 13 Monate nach dem Ende des Zinserhöhungszyklus, wonach der Leitzins am 27. September 2022 letztmalig und um kräftige 125 Basispunkte auf 13,0% angehoben wurde. Dass die MNB damals voreilig kommunizierte, den Zyklus abgeschlossen zu haben, kam Ungarn teuer zu stehen. Die einheimische Währung wurde in den darauffolgenden Wochen auf ein historisches Tief bei 435 Forint gegen den Euro gedrückt, woraufhin die Notenbank zu neuen Instrumentarien griff und den auf 18% hochgeschraubten Einlagesatz für Tagesgelder zum maßgeblichen Leitzinssatz erhob. Die Forint-Panik legte sich erst nach Wochen, in diesem Jahr konnte die MNB dann ab Mai und parallel zum sinkenden Inflationsdruck darangehen, den Einlagesatz monatlich um 100 Basispunkte zu senken. Im September standen beide Zinssätze wieder auf dem gleichen Niveau, weshalb Analysten nun gespannt warteten, wie der Währungsrat die Lockerung der Geldpolitik fortsetzen wird.
Spielraum ausgereizt
Die Entscheidung eines relativ mutigen Zinsschnitts überraschte nicht nur die Analysten, sondern auch die Märkte, der Forint gab unmittelbar nach Bekanntwerden der Entscheidung um 14 Uhr um jeweils ca. 2 Einheiten zu Euro, US-Dollar und Schweizer Franken nach. Die MNB hatte zuletzt kommuniziert, einen positiven Realzins bewahren zu wollen. Nachdem die offizielle Inflationsrate im September auf 12,2% fiel, bleibt der Realzins rückblickend gerade noch im positiven Bereich. Mit anderen Worten halten die Währungshüter ihr Versprechen gegenüber den Märkten ein, haben ihren Spielraum bei der jetzigen Gelegenheit aber vollständig ausgereizt.
Ein höheres Tempo bei den Zinssenkungen ist offenkundig nötig, um den Motor der in Rezession verfallenen Wirtschaft anzukurbeln. Dessen ungeachtet erklärte die MNB in ihrer Pressemitteilung zur Zinsentscheidung um 15 Uhr, bei aller Notwendigkeit für Zinssenkungen mit Blick auf die geopolitischen Risiken auch in den kommenden Monaten vorsichtig zu agieren. Daraufhin korrigierte der Forint, der das Minus binnen Minuten weitgehend abarbeitete.
MNB-Vize: „Die Inflation ist kein Kinderspiel“
Auf der üblichen Pressekonferenz zur Begründung der aktuellen Zinsentscheidung sagte MNB-Vizepräsident Barnabás Virág am Dienstagnachmittag, der im Oktober eingeleitete neue Abschnitt der Geldpolitik verlange dem Währungsgremium größte Umsicht ab. Die Vorschläge im Gremium streuten von 50 bis zu 100 Basispunkten. Die Zinsen werden im weiteren Verlauf in Abhängigkeit von den aktuellen Daten, der Entwicklung der Inflationsrate und der Risikobewertung gesenkt. Die anhaltende Desinflation habe zusammen mit der verbesserten Leistungsbilanz den jetzigen Zinsschnitt gerechtfertigt. Warum das Tempo von 100 auf 75 Basispunkte zurückfiel, erklärte der Notenbanker mit der unsicheren Weltpolitik. „Die Inflation ist kein Kinderspiel, wir können uns nicht entspannt zurücklehnen“, warnte Virág. Um die Desinflation auch 2024 fortsetzen zu können, werde ein diesen Prozess stützender, positiver Realzins benötigt.
Rezession scheint überwunden
Die MNB-Daten zeigen, dass die ungarische Wirtschaft im III. Quartal die Rezession sehr wahrscheinlich überwinden konnte. Die Finanzierungsposition des Landes fällt parallel zum wachsenden Handelsüberschuss günstiger aus, als noch vor Monaten erwartet. Die steigenden Renditen an den westlichen Märkten sowie der aufflammende Nahostkonflikt sorgen für eine Verunsicherung der Anleger und eine eingetrübte Stimmung an den Märkten. Die Notenbanken der aufstrebenden Märkte müssten einkalkulieren, dass in der westlichen Welt nach gut einem Jahrzehnt wieder positive Realzinsen gezahlt werden.
Virág setzt die erwartete Inflation am Jahresende aktuell auf 7-8% an. Er bekräftigte den Realitätsgehalt in den Erwartungen der Analysten, die für die Jahreswende einen Leitzins um 11% voraussagen. Diese Erwartungen unterstreichen zugleich, dass die MNB mit einem systematisch steigenden positiven Realzinssatz arbeiten will.