Amt des Notenbankpräsidenten
Orbán nominiert den Finanzminister
„Ich habe Mihály Varga für das Amt des Notenbankpräsidenten vorgeschlagen und er hat akzeptiert“, sagte Orbán im üblichen Freitagmorgen-Interview für das öffentlich-rechtliche Radio. Der Vorschlag sei bereits im Parlament. Der Ministerpräsident würdigte seinen Finanzminister als „den Wirtschaftspolitiker und Ökonomen mit dem größten Erfahrungsschatz in Ungarn“.
Der für die Nachfolge von György Matolcsy nominierte Finanzminister schrieb in den Sozialmedien, die Bitte des Ministerpräsidenten ehre ihn. Er wolle sich der neuen Herausforderung gerne stellen, um auch in dieser Position für die Stabilität und den Aufstieg Ungarns zu streiten.
Der Technokrat vom Lande
Mihály Varga wurde 1965 in Karcag (Komitat Jász-Nagykun-Szolnok) geboren. Er studierte Binnenhandel an der Budapester Wirtschaftsuniversität (heute: Corvinus-Universität) und arbeitete in den 1990er Jahren bei verschiedenen Unternehmen bzw. gab Stunden an der Handelshochschule Szolnok.
Noch Ende 1988 schloss Varga sich dem Fidesz an, dessen Parteiorganisation im Komitat Szolnok er gründete. Seit 1990 sitzt er für die heutige Regierungspartei im Parlament. Von 1994 bis 2013 war er mit kurzer Unterbrechung als Parteivize tätig. Im Parlament führte er u. a. den Sonderausschuss der sog. Bankenkonsolidierung sowie – erneut in der Opposition – von 2002 bis 2010 den Haushaltsausschuss, während er gleichzeitig Fraktions-Vize des Fidesz war.
Zur Zeit der ersten Orbán-Regierung war Varga von Beginn an Staatssekretär im Finanzministerium und wurde 2001 erstmals zum Finanzminister ernannt. In der zweiten Orbán-Regierung bekleidete er ab 2010 zunächst das Amt eines Staatssekretärs im Ministerpräsidentenamt. Mitte 2012 wurde er zum Minister ohne Geschäftsbereich berufen, um nach dem Staatsbankrott der Gyurcsány-Regierung die Gespräche über die Rückzahlung der Beistandskredite von IWF und EU zu führen. Ab März 2013 setzte Varga seine Tätigkeit in der Regierung als Wirtschaftsminister fort – sein Vorgänger Matolcsy wechselte damals an die Spitze der Notenbank. Nach fünf Jahren in diesem Amt machte ihn Orbán in seiner vierten Regierung im Mai 2018 zu seinem Vizepremier, der als Finanzminister zugleich für die Gestaltung der Wirtschaftspolitik verantwortlich zeichnete. Letztere Aufgaben übernahm in der fünften Orbán-Regierung ab Mitte 2022 der vormalige Vizepräsident der MNB, Márton Nagy.
Die vermutlich bessere Wahl
Nagy war 2020 im Streit mit MNB-Präsident Matolcsy aus der Notenbank ausgeschieden; seither vergiftete das persönliche Duell dieser beiden Männer die zuvor herrschende Harmonie in den Schaltzentralen der Wirtschaftspolitik. Zwar hatte Orbán auch Nagy als möglichen Nachfolger von Matolcsy ins Spiel gebracht, Beobachter hielten jedoch gleich aus mehreren Gründen Varga für den Favoriten. Der Finanzminister gilt als nüchterner Technokrat, der die Nationalbank ohne Eskapaden führen wird. Nagy möchte ähnlich wie Matolcsy als Stratege glänzen und verkündet immer neue Pläne – für die Gestaltung der Wirtschaftspolitik wird ihm der Ministerpräsident voraussichtlich bereits ab Januar weitreichende Vollmachten erteilen. Aus dem Blickwinkel des Fachapparats der MNB, dessen Kompetenz unbestritten ist, dürfte der „Quereinsteiger“ Varga zudem angenehmer sein als der „Rückkehrer“ und Matolcsy-Rivale Nagy.
„Ich bedauere es, dass György Matolcsy nicht bleiben kann, aber nach zwei Amtszyklen braucht es einen Wechsel. Seine größte Heldentat war die Umstellung der Fremdwährungskredite, womit er zig Tausende Familien rettete. Aber wir haben viele kluge Köpfe, die nicht nur theoretisch beschlagen sind, sondern auch dafür sorgen werden, den Forint zu stabilisieren und mit der Inflation umzugehen.“