Wirtschaft
Ministerpräsident Viktor Orbán: "Wir sind ausdrücklich gegen jeden kommunistischen oder sozialistischen Ansatz in der Wirtschaftspolitik. Ich glaube an die Kraft des Privateigentums, sie schafft eine gute Kultur, auf die eine Nation ihre Zukunft aufbauen kann.“ Foto: Ministerpräsidentenamt/ Vivien Cher Benkő

Jahresauftakt der Kammer

Orbán: Neue Wirtschaft schützen

Beim Jahresauftakt der Ungarischen Industrie- und Handelskammer (MKIK) am Samstag erklärte Ministerpräsident Viktor Orbán, bei den Parlamentswahlen gehe es darum, die neue Wirtschaft zu schützen oder in alte Muster zurückzufallen.

Er sprach unter anderem über die noch immer deutlich höhere Besteuerung der Durchschnittslöhne im EU-Vergleich, EU-Gelder, den Modellwechsel der Universitäten, die Hemmnisse der ungarischen Wirtschaft sowie den ungarischen Eigentumsanteil in einigen Wirtschaftssegmenten.

2010 erfolgte in der Wirtschaft ein fundamentaler Wandel. Die Wirtschaft, über die wir heute sprechen, ist nicht mehr die gleiche wie damals. Dabei gehe es nicht nur darum, dass „wir politisch antikommunistisch sind, sondern wir sind ausdrücklich gegen jeden kommunistischen oder sozialistischen Ansatz in der Wirtschaftspolitik. Ich glaube an die Kraft des Privateigentums, sie schafft eine gute Kultur, auf die eine Nation ihre Zukunft aufbauen kann“, sagte der Premier. Solange diese Regierung an der Macht ist, werde sie diese Philosophie vertreten.

Preisstopp soll bald aufgehoben werden

Als wichtigsten Grund für das erfolgreiche Krisenmanagement bezeichnete er den guten Zustand der Wirtschaft, die selbst in Pandemie-Zeiten robust war und über eine interne Komplexität verfügt. Ungarn ist stark im Maschinenbau, legt in der Lebensmittelindustrie, Chemieindustrie und Elektronik zu, denen sich nun neue Branchen wie Rüstungsindustrie und Flugzeugbau anschließen.

Orbán zufolge müsse das Steuersystem geschützt werden, da es die Grundlage der Wettbewerbsfähigkeit bilde. Noch immer liege die Einkommensteuer für manche Schichten über dem EU-Durchschnitt, so für kinderlose Arbeitnehmer mit Durchschnittslohn. Hier müsse die Regierung in Form von Steuersenkungen eingreifen.

Die hohe Inflationsrate bezeichnete er als überaus negativ; diese müsse bis Ende des Jahres unter sechs Prozent fallen. Gleichwohl wird in den kommenden Jahren die Teuerungsrate hoch bleiben, da es Brüssel nicht schafft, die Klimapolitik mit der Wirtschaftspolitik in Einklang zu bringen, und daher Entscheidungen trifft, welche die Energiepreise in die Höhe treiben. Die Regierung musste in vier Bereichen Preisdeckelungen einführen, da „außergewöhnliche Situationen außergewöhnliche Maßnahmen erfordern”, erklärte Orbán. Er hoffe, dass der Preisstopp für einige Grundnahrungsmittel und Kraftstoffe sowie der Zinsstopp recht bald wieder aufgehoben werden können – die Senkungen der Wohnnebenkosten hätten natürlich Bestand.

Eigentumsanteile in einigen Branchen der Wirtschaft erhöhen

In den kommenden zehn Jahren müsse die Wirtschaft bestehende Hemmnisse umgehen, um erfolgreich zu sein. Diese seien der hohe ausländische Eigentumsanteil in der Wirtschaft, die dominante Rolle der Großunternehmen am Export, die negative Profitbilanz sowie der infrastrukturschwache ländliche Raum.

Der ungarische Eigentumsanteil in der Wirtschaft ist relativ hoch, in mehreren Branchen konnten recht ansehnliche Erfolge verzeichnet werden. So erhöhte sich der Eigentumsanteil im Bankensektor seit 2010 von 40 auf 58 Prozent, gestiegen ist dieser zudem in der Energiewirtschaft, den Medien, im Gesundheitswesen, Tourismus und Baugewerbe. Erhöht werden müssten die Eigentumsanteile jedoch noch im Versicherungssektor, in der Telekommunikation, in der Baustoffherstellung und im Lebensmitteleinzelhandel. Obgleich Ungarn ausländisches Kapital benötige und ohne ausländische Investitionen nicht wettbewerbsfähig ist, müsse das einheimische Eigentum erhöht werden.

Momentan gibt es 12.000 exportfähige Unternehmen – gegenüber 2.000 um 2010 –, 80 Prozent der Exporteinnahmen stammen jedoch noch immer von Gesellschaften in ausländischem Eigentum. Der Anteil ungarischer Firmen müsse auf 30% steigen. Zudem müssen die höheren Profit versprechenden Märkte auf dem Balkan und in China ins Visier genommen werden. In den kommenden sieben Jahren will die Regierung dreimal so viel Geld für die Entwicklung des ländlichen Raums aufwenden wie bislang.

EU-Gelder: Negative Profitbilanz

Ungarn hat eine negative Profitbilanz; nur 77 Prozent des Kapitalabflusses werden durch EU-Gelder ausgeglichen. Daher ist es richtig, dass „wir mit ausländischen Investoren und EU-Bürokraten mit dem nötigen Selbstbewusstsein sprechen, denn sie schulden uns etwas und nicht wir ihnen“, meinte Orbán. In Verbindung mit den Geldern des Wiederaufbaufonds sagte er, dass Ungarn aus politischen Gründen, das heisst wegen des umstrittenen Kinderschutzgesetzes kein Geld bekomme. Dies sei jedoch moralisch und juristisch völlig unbegründet. Trotz des EuGH-Urteils gehöre Ungarn nicht zu den Verlierern, da das Urteil zwar aussagt, dass EU-Gelder mit politischen Aspekten verknüpft werden können. In der Urteilsbegründung heißt es jedoch, dass es keinen allgemeinen Zusammenhang zwischen Rechtsstaatlichkeit und Geldfluss gibt. Wenn die Kommission Transfers blockieren wolle, müsse sie konkrete Belege erbringen.

Zum Thema Wissenszentren und Unternehmen sagte der Premierminister, dass es nicht gut ist, Theorie und Praxis zu trennen. Er wies darauf hin, dass die Änderung des Hochschulmodells Investitionen in Höhe von 2.700 Mrd. Forint in die Bildung mit sich bringt, die aber auch der wirtschaftlichen Entwicklung zugutekommen werden. Ungarische Universitäten sollten wie wettbewerbsfähige Universitäten in Westeuropa aussehen.

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