Tourismus
Mit Rückendeckung der Politiker
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Seit Monaten retten die Ausländer die Gesamtzahlen der Tourismusbranche, der gemeine Ungar kann sich Urlaubmachen immer weniger leisten. Das Zentralamt für Statistik (KSH) legte jetzt die Zahlen für den Monat Juni vor, als die Branche Bruttoerlöse in Höhe von 54 Mrd. Forint erzielte. Zu laufenden Preisen waren das zwar 17% mehr, als im Juni 2022, die Inflationsrate lag zur gleichen Zeit aber noch über 20%. Wenn man weiterhin ins Kalkül zieht, dass die Hotels ihre Preise weit über der Inflation angehoben haben, lässt sich erahnen, warum das Verreisen für all jene Bürger, die ihre Einkünfte in Forint beziehen, mehr und mehr zum Luxus wird. (Ausländer „bemerken“ die hiesigen Preissteigerungen weniger, solange der Forint Jahr für Jahr systematisch abwertet.)
Kürzere Urlaubsreisen
Im Juni gönnten sich 1,6 Mio. Gäste insgesamt 4 Mio. Übernachtungen, schrieb das KSH – neben Hotels und Pensionen sind hier auch private Unterkünfte enthalten. Es kamen 4% mehr Gäste, als vor einem Jahr, die Zahl der Übernachtungen fiel am Ende aber um 1% (bzw. an gewerblichen Unterkunftsstätten um gut 2%) geringer aus. Im Juni schliefen 934.000 Ungarn (-7%) in fremden Betten, die ihre Hotelbuchungen gleich um ein Zehntel zurückfuhren.
Zwar kamen deutlich mehr Ausländer zu Besuch nach Ungarn (+25%), die aber nicht mehr so lange wie vor einem Jahr blieben (+14%). Letztlich gönnten sich 665.000 Ausländer 1,8 Mio. Übernachtungen. Hotels sind bei Buchungen ausländischer Gäste mit drei Vierteln wie gehabt die erste Wahl, aber neben den landesweit 2.950 gewerblichen Unterkunftsstätten (darunter 985 Hotels) entschieden sich auch die Ausländer vermehrt für private Anbieter, von denen es mittlerweile in Ungarn (statistisch erfasst) 24.750 gibt.
Im I. Halbjahr wurden insgesamt knapp 16 Mio. Gäste-Übernachtungen registriert. Darunter entfielen 11,6 Mio. Übernachtungen auf gewerbliche Unterkunftsstätten, die keinen Zuwachs gegenüber 2022 verzeichnen konnten. Die Buchungen einheimischer Touristen fielen um 8% auf 8,1 Mio. Nächte zurück, darunter in Hotels und Pensionen sogar um über 9%. Auch unter den 7,9 Mio. Übernachtungen ausländischer Besucher entfallen anteilig mehr, als noch im vorigen Jahr, auf private Unterkünfte.
Werden überall Rekorde gesprengt?
Im Gegensatz zu diesen, eher ernüchternden Zahlen erklärte Kanzleramtsminister Gergely Gulyás gerade wieder: „In diesem Jahr sprengt der Tourismus überall in Ungarn die Rekorde.“ In den Sommermonaten würde das Rekordjahr 2019 erreicht oder gar übertroffen. Das sagte er bei der feierlichen Übergabe einer Straße, die sich 3,5 km durch die Weinberge von Tokaj-Hegyalja schlängelt. Für umgerechnet 1,6 Mio. Euro wurde hier ein Weg asphaltiert, damit künftig auch Radtouristen komfortableren Zugang zum Weinausschank am Berg erhalten.
Der Minister stützte sich bei seinen Aussagen auf die Daten der staatlichen Tourismusagentur MTÜ. Diese besitzt dank des Online-Monitoring nicht nur einen exakten Überblick über den Stand der Buchungen, sondern obendrein einen tagesaktuellen. Laut MTÜ buchten von Anfang Juni bis Mitte Juli allein am Balaton 700.000 Gäste rund 2,4 Mio. Übernachtungen. Damit wurde das Rekordjahr 2019 nur noch um 1,5% verfehlt. Tihany, Tapolca und Europas Kulturhauptstadt Veszprém seien die Schlager dieser Saison. Allerdings hätten die Unterkünfte ihre Erlöse nur um 8% auf 22 Mrd. Forint zu steigern vermocht. Das deckt sich mit der MTÜ-Teilstatistik, wonach die Zahl von Tagesausflügen einheimischer Touristen (die ergo lieber gleich auf teure Hotelbetten verzichten) um 34% gestiegen ist.
In der ersten Hälfte des Sommers erzielte das Gastgewerbe laut Tourismusagentur Gesamterlöse von 127,5 Mrd. Forint. Dazu steuerten ausländische Touristen 74,5 Mrd. Forint bei, 28% mehr, als vor einem Jahr.