Die MTI-Graphik zeigt die Entwicklung der Verbraucherpreise im Nachwende-Ungarn (Veränderung zum Vorjahr in %).

Inflation

Keine Chance für Zinssenkung

Auf die angenehme Überraschung vom Juni folgte im Juli gleich die nächste Enttäuschung: Die Verbraucherpreise kommen in Ungarn einfach nicht zur Ruhe.

Laut Zentralamt für Statistik (KSH) ist die Inflationsrate im siebten Monat wieder auf 4,1% hochgeschossen. Im Vormonat war diese von 4% auf 3,7% gesunken. Ein Grund für die Kehrtwende war „vorprogrammiert“: Das Ende des Preisstopps bei Grundnahrungsmitteln sorgte dafür, dass sich der gewichtige Warenkorb für Lebensmittel im Monatsvergleich um deftige 0,6% verteuerte und damit entscheidend zum monatlichen Preisanstieg um insgesamt 0,7% beitrug.

Zügellose Dienstleister

Noch krasser schlagen jedoch die Dienstleistungspreise zu Buche, wo sich die Anbieter einfach keine Zügel anlegen wollen. Mit dem Hinweis auf die hohe Inflation der letzten zwölf Monate schraubte die Post ihre Gebühren gleich um 5% herauf. Die Anbieter von Tourismusunterkünften glauben inmitten der Sommersaison, jeden Preis abrufen zu können: Im Juli nahmen ihre „Preisofferten“ zum Vormonat um sage und schreibe 12,5% zu! Die Teuerung an den Tankstellen kommt in der Statistik zeitverzögert zum Tragen; ein Plus um knapp 4% nimmt sich aber geradezu bescheiden aus. Erst recht, wenn man bedenkt, dass nicht das Auto, sondern die Unterkunft für die meisten Urlauber die größte Position darstellt.

Gebrauchtwagen die große Ausnahme

Auf Jahresebene sehen die Teuerungszahlen dermaßen schlecht aus, dass die Notenbank den ohnehin schwachbrüstigen Forint ins offene Messer laufen lassen würde, sollte der Währungsrat im August an seinem Zinssenkungszyklus festhalten wollen. (Der Leitzins steht aktuell bei 6,75%.) Die für die MNB weit aussagekräftigere Kerninflation ist schon wieder bei 4,7% angelangt. Solange sich der Aufgalopp der Dienstleistungspreise nicht beruhigt, gibt es keinen Grund zur Entwarnung. Das große Warenkorbpaket an Dienstleistungen hat sich beim KSH binnen zwölf Monaten um 9,1% verteuert, also mehr als doppelt so intensiv wie die allgemeine Inflation. Tatsächlich mussten die Bürger aber bei praktisch allen Leistungen rund ums Wohnen, ums Auto und nun halt auch den Urlaub sogar zweistellige Preisschocks verdauen. Medikamente wurden gegenüber 2023 um 6,5% teurer, die Spritpreise zogen um 6% an. Die Autohändler haben die Preise für Neuwagen um durchschnittlich 6,5% angehoben – ein schwacher Trost: die Gebrauchtwagenpreise purzeln aktuell (-7,5%).

Saures für die Süßmäuler

Lebensmittel sind insgesamt betrachtet nicht länger Inflationstreiber. Süßmäulern kommen beim Anblick der heute aufgerufenen Preise für Zucker, Mehl, Schokolade und Kakao nichtsdestotrotz die Tränen. Aber mit Eiern, Milch, Nudeln und Brot lassen sich diese Mehrausgaben einigermaßen kompensieren. Dass die Haushaltsenergie laut KSH billiger geworden sein soll (um 9,5% beim Gas und um 2% beim Strom; insgesamt um 4,5%) ist freilich nur ein Taschenspielertrick: Da die Ungarn weiterhin sparsam mit ihrer Energie umgehen – und der Winter extrem mild war –, konnten mehr Haushalte den besonderen Schutz in Anspruch nehmen, den der Staat seit 2022 bekanntlich nur noch bis zum sog. Durchschnittsverbrauch anbietet.

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