Bruttoinlandsprodukt
Harte Bauchlandung
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Am Dienstagmorgen stellte das Zentralamt für Statistik (KSH) die erste Schätzung für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2022 vor. Am Jahresende schrumpfte das BIP im Quartalsvergleich erneut um 0,4%, welcher Abstieg im III. Quartal mit -0,7% begonnen hatte. Zwei Vierteljahre mit einer schmaleren Wirtschaftsleistung decken die Kriterien einer technischen Rezession, wenngleich das starke I. Halbjahr das Gesamtjahr 2022 mühelos retten konnte. Der BIP-Zuwachs erreichte letztlich 4,6%, wobei sich die Dynamik von 8,2% zu Jahresbeginn bis auf 0,4% am Jahresende (nach den Rohdaten) verlangsamte, bzw. saisonal und nach Kalendertagen bereinigt von 7,8% auf 0,9%. Bereinigt hätte das Wachstum zur Jahresmitte noch 7% erreicht, woraus im Herbst 6% und über die zwölf Monate hinweg kaum mehr als 4,5% wurden.
Industrie gab die stärksten Impulse
Genauere Daten zur Zusammensetzung der Konjunktur-Faktoren liegen momentan noch nicht vor, doch verriet das KSH vorab schon einmal, dass am Jahresende Industrie und Dienstleistungen die stärksten Impulse gaben. Wenig überraschend ragten Automobilindustrie und Batteriefertigung heraus, aber auch der Immobiliensektor und die Logistikbranche hielten den Wirtschaftsmotor am Laufen. Die Landwirtschaft erwies sich im Dürrejahr derweil wie ein Klotz am Bein.
Ein Jahr mit zwei extremen Gesichtern
Das hinter uns liegende Jahr zeigte aus dem Blickwinkel der Konjunktur zwei extreme Gesichter. Am Anfang stand ein scheinbar grenzenloser Aufschwung der meisten Wirtschaftsbranchen, die vom Neuerwachen einer das Coronavirus „abschüttelnden“ Gesellschaft profitierten. Bestärkt wurde dieser ohnehin kräftige Effekt noch durch die fiskalischen Stimuli, die von der Orbán-Regierung bewusst ins unmittelbare Vorfeld der Parlamentswahlen vom April gesetzt wurden. Dann brach mit dem Ukraine-Krieg die Energiekrise über das Land herein.
Die Energierechnung schoss um 10 Mrd. Euro in die Höhe und beseitigte binnen weniger Monate den Handelsüberschuss des Landes, so dass sich plötzlich ein Zwillingsdefizit herausbildete. Der Staat reagierte mit Ausgabensperren, Investitionsstopps und Sondersteuern, die wiederum die Unternehmen belasteten. Die Bürger hatten anfänglich dank der multiplen Transfers und steigender Löhne (der Mindestlohn war zu Jahresbeginn um 20% heraufgesetzt worden) reichlich Geld zur Verfügung, doch sobald die Inflation Rekordhöhen eroberte, war es mit der Konsumlaune auch vorbei.
Starke Leistung auch ohne EU-Gelder
Wirtschaftsminister Márton Nagy wollte angesichts der präsentierten Zahlen dennoch feiern. Ungarn gehöre mit 4,6% Wachstum 2022 zum oberen Drittel der EU, im Ostblock schnitten allein Polen und Slowenien besser ab. Die Industrie sei mit nahezu 6% so stark gewachsen, wie in kaum einem anderen Land. Die Regierung wolle diese Position mit einer erneuerten Industriestrategie und noch mehr Investitionen weiter ausbauen.
Finanzminister Mihály Varga hob hervor, diese starke Leistung habe die ungarische Wirtschaft weitgehend ohne EU-Gelder bewerkstelligt. Für das Land wäre es wichtig, wenn Europa seine Wettbewerbsfähigkeit wieder stärken könnte, um 2023 das angepeilte Wachstum von 1-1,5% zu erreichen.
