Fotos: DUIHK / Csaba Pelcsőczy

Jahresauftakt der DUIHK:

Gemeinsamkeiten in herausfordernden Zeiten

Wachstumsaussichten, Energiethemen und konkrete Dienstleistungsangebote für Unternehmen standen im Mittelpunkt der Jahresauftakt-Veranstaltung der Deutsch-Ungarischen Industrie- und Handelskammer (DUIHK) am vergangenen Donnerstag.

Das Event im Haus der Ungarischen Musik eröffnete auch das Jubiläumsprogramm der Kammer, die 2023 den 30. Jahrestag ihrer Gründung begeht.

Vor dem öffentlichen Programm führten Kammerpräsident András Sávos und Geschäftsführerin Barbara Zollmann bereits mit Energieminister Csaba Lantos ein Gespräch zu Fragen der ungarischen Energiepolitik, vor allem aus der Perspektive der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.

15-facher bilateraler Warenaustausch

András Sávos erinnerte in seiner Rede vor den 200 Gästen daran, dass aus den 35 Gründungsmitgliedern von 1993 heute eine starke Gemeinschaft von 925 Mitgliedern geworden ist, die ganz maßgeblich zur erfolgreichen Entwicklung der bilateralen Beziehungen in den vergangenen Jahrzehnten beigetragen haben. Nach Schätzung der Kammer hat der bilaterale Warenaustausch im vergangenen Jahr den Wert von etwa 66 Mrd. Euro erreicht – rund 10% mehr als 2021, und beeindruckende 15 Mal so viel, wie im Gründungsjahr der Kammer.

Als größte aktuelle Herausforderung für die Wirtschaft nannte Sávos das Thema Energie, dass auch die anderen Redner des Abends beschäftigte – vor allem natürlich den erst seit wenigen Wochen amtierenden neuen Industrieminister Csaba Lantos.

Der Kammerpräsident betonte, dass das Thema Energie einer der entscheidenden Faktoren für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und ungarischen Unternehmen sei. „Dabei geht es nicht nur um die Kosten für Energie, sondern auch um die Versorgungssicherheit. Letztere ist entscheidend für die Energiesouveränität des Landes und liegt sowohl im gemeinsamen europäischen wie auch im nationalen Interesse“, sagte Sávos.

Die Kammerspitze mit Geschäftsführerin Barbara Zollmann, DUIHK-Präsident András Sávos und Kommunikationschef Dirk Wölfer (l.) im Gespräch mit Energieminister Csaba Lantos (r.) vor Beginn der Veranstaltung.

Risiken und heikle Themen

Allerdings sei Energie, so der DUIHK-Präsident, nicht das einzige Risiko für die Unternehmen. Bereits bestehende Spannungen hätten nicht nachgelassen: die Anfälligkeit internationaler Lieferketten, der Fachkräftemangel und regulatorische Vorgaben im Zusammenhang mit klimapolitischen Zielen stellten weiterhin enorme Belastungen dar.

Daher sei es besonders wichtig, dass sich die Wirtschaftsakteure auf ein berechenbares, stabiles und wachstumsfreundliches wirtschaftspolitisches und regulatorisches Umfeld verlassen können. Die DUIHK begrüße das gerade von der Regierung angekündigte „Kreditprogramm für Reindustrialisierung“ von 700 Mrd. Forint, was in Zeiten steigender Kosten und hoher Zinssätze helfe, private Investitionen zu fördern.

Zum heiklen Thema der EU-Fördermittel sagte der DUIHK-Präsident, die Kammer unterstütze alle Schritte, die eine Einigung mit der EU erleichtern und sicherstellen, dass diese Mittel auf transparente und zweckdienliche Weise verwendet werden. „Wir sind überzeugt, dass ungeachtet unterschiedlicher Sichtweisen auf die Welt und auf aktuelle Geschehnisse unser gemeinsames Bestreben und Interesse sein muss, dass die europäische Wirtschaft einschließlich Ungarns und Deutschlands langfristig wettbewerbsfähig bleibt, und dass die Früchte wirtschaftlicher Prosperität der gesamten Gesellschaft zugutekommen – unter Wahrung unserer gemeinsamen europäischen Werte.“

Lantos: Die Ära der billigen Energie ist zu Ende

Der neue Energieminister Csaba Lantos würdigte aus Anlass des 30. Gründungsjubiläums der DUIHK die wichtige Rolle, die deutsche Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten in der ungarischen Wirtschaft gespielt haben. „Sie waren unsere Wegbegleiter. Diese Unternehmen, ihre Mitarbeiter und Führungskräfte haben mit ihrem Vertrauen, ihren Vorschlägen, Erfahrungen und Erwartungen zur Entwicklung und Stärkung der ungarischen Wirtschaft beigetragen, wofür ich mich bedanke. Heute sind die deutschen Unternehmen im Land nicht mehr nur einfach Produzenten oder Dienstleister, sondern Teil der ungarischen Wirtschaft, Teil Ungarns.“ Und wie zuvor schon der DUIHK-Präsident konstatierte auch Lantos, dass man in beiden Ländern gleichermaßen an der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft interessiert sei, und die wirtschaftspolitischen Intentionen ganz ähnlich liegen.

Ausführlich ging Lantos natürlich auf das Thema Energie ein. In der aktuellen Krise sei Ungarns Energierechnung von 7 auf 17 Mrd. Euro angestiegen – das entspräche fast 10% der gesamten Wirtschaftsleistung. „Die Ära der billigen Energie ist zu Ende“, meinte der Minister, fügte aber gleich hinzu: „Die – aus unserer Sicht falschen – Antworten der EU auf den Krieg haben die Energieversorgung unsicher gemacht und eine beispiellose Verteuerung von Energie verursacht.“ Der Energiemarkt habe sich komplett verändert: „Heute ist die Frage nicht mehr nur, zu welchem Preis wir an Energie kommen, sondern ob wir überhaupt genug Energie haben.“

Dies sei für Ungarn existentiell, denn das Land müsse drei Viertel seines Primärenergie-Verbrauchs importieren, die Energie-Souveränität sei deshalb eine strategische Frage. Bei der Nutzung von Solarenergie habe man in den vergangenen Jahren bereits enorme Fortschritte gemacht: 2022 konnte die installierte Leistung von Solaranlagen bei Sonnenschein bereits zwei Drittel des Strombedarfs des Landes decken. Nachholbedarf gebe es aber noch bei der Nutzung der Windenergie und bei der Netz-Infrastruktur. Die Regulierung für Windkraftanlagen werde man deshalb schon bald deutlich liberalisieren, und in die Infrastruktur sollen laut Lantos in der aktuellen EU-Finanzierungsperiode fünf Mal so viele Investitionen fließen wie bisher. Hauptquelle dafür sollen die Fördermittel der EU sein – womit Lantos im Grunde an die Aussagen von DUIHK-Präsident Sávos anschloss.

Die Krisen werden bleiben

Eine globale Perspektive auf die Lage die Wirtschaft gab zum DUIHK-Jahresauftakt Lothar Meenen, der bei der Deutschen Bank u. a. für das europäische Firmenkundengeschäft zuständig ist. Auch er thematisierte Risiken wie Energie und globale Abhängigkeiten, zeigte sich aber insgesamt überraschend zuversichtlich. Dennoch warnte er: „Die Krisen werden bleiben.“ So gebe es z. B. Abhängigkeiten nicht nur im Bereich Energie, sondern auch bei heute so wichtigen Rohstoffen wie seltene Erden. Und da sei China einer der wichtigsten Lieferanten. Überhaupt sollten Unternehmen sich darauf einstellen, dass die Kooperation mit China eher schwieriger werde, weil dort die sinkende Bevölkerungszahl den weiteren Wohlstandszuwachs bremsen wird. Er mahnte: „Es macht extrem viel Sinn, darauf zu achten, dass man bei Investitionen umsichtig agiert, um auch in unvorhergesehenen Situationen noch flexibel reagieren zu können.“

DUIHK-Geschäftsführerin Barbara Zollmann kündigte jede Menge tolle Projekte für 2023 an.

Kammer bereitet weiteres Wirtschaftsforum vor

DUIHK-Geschäftsführerin Barbara Zollmann gab abschließend einen Überblick über die Pläne der Kammer für das Jubiläumsjahr. Neben „klassischen“ Dienstleistungen von Beratung für den Markteinstig über Qualifizierungsangebote bis zu strategischen Themen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung wird die DUIHK 2023 auch gemeinsame Projekte mit der Deutschen Schule Budapest und dem Goethe-Institut, aber auch mit der Budapester Wertpapierbörse im Bereich ESG realisieren. Auch in Deutschland wird die Kammer verstärkt den Wirtschaftsstandort Ungarn präsentieren, u. a. mit einem Wirtschaftsforum, das an die erfolgreiche Veranstaltung mit dem Ministerpräsidenten und mehreren Ministern im Oktober in Berlin anschließen soll.

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