Armutsstatistik
Ein korrekterer Ansatz
Nun hat der Ökonom László Bokor in einem Fachartikel für das Wirtschaftsportal portfolio.hu etwas mehr Licht ins Dunkel gebracht. Er nimmt sich der Argumentation beider Lager an und bittet die Betrachter, keine Statistiken losgelöst zu betrachten. Sein Ansatz vergleicht die relativen Platzierungen der einzelnen EU-Mitgliedstaaten beim Privatverbrauch sowie bei der Sparrate über einen langen Zeitraum von nahezu 30 Jahren hinweg.
Beim Sparen im Mittelfeld
Dass Ungarns relative Sparrate für einen Platz im Mittelfeld der Gemeinschaft gut ist, erklärt der Ökonom aus den historischen Erfahrungen des Landes, mitsamt seiner gewöhnlich besonders hohen Inflation. In einem Feld mit zwei Dutzend EU-Staaten fiel Ungarn hinsichtlich der Bruttoersparnisse wenig überraschend unter der Gyurcsány-Regierung am tiefsten durch, bis auf den 20. Platz. Unter der Orbán-Regierung wurde 2018 der historische Spitzenplatz erreicht, nur knapp hinter der TOP10 der EU. Im Jahre 2022, dem vorerst letzten Jahr dieser Vergleichsreihe, reichte es immerhin zum 12. Platz.
Lebensniveau wirklich bescheiden
Beim Privatverbrauch stand Ungarn umgekehrt ausgerechnet unter den Sozialisten am besten. Der 18. Platz in der EU ging aber noch weit vor der Weltwirtschaftskrise verloren – weil die Krise der Fremdwährungskredite Hunderttausende Haushalte in den Bankrott trieb. Seit 2013 bereits dümpelt das Land in dieser Hinsicht am Boden der Gemeinschaft herum, die Orbán-Regierung konnte keine wirklichen Fortschritte – wohlgemerkt immer relativ zum Teilnehmerfeld – erzielen.
Das aus Konsum und Sparrate ermittelte Einkommensniveau der ungarischen Haushalte war bis 2006 für einen Platz im unteren Mittelfeld der EU gut, kann sich aber seit der großen Krise nicht mehr von den hintersten Plätzen losreißen. Der Autor resümiert: Da wir den Großteil unseres Einkommens früher oder später verkonsumieren, ist die Aussage nicht weit hergeholt, dass Ungarn beim Lebensniveau zu den Schlusslichtern der Gemeinschaft gehört. Und zwar nicht nur auf Euro-Basis, sondern auch korrigiert um die Kaufkraftparität.