Chinesischer Großkredit
Die „geheime“ Milliarde
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Das Portal entdeckte die satte Kreditsumme in den frisch veröffentlichten Statistiken der Schuldenzentrale. Die ÁKK reagierte umgehend auf den Artikel bei portfolio.hu und schrieb: „Mit dem Kreditrahmen über 1 Mrd. Euro der China Development Bank, der chinesischen Eximbank und der Bank of China werden Infrastruktur- und Energieprojekte finanziert. Der Devisenanteil der Staatsschulden bleibt auch mit dieser Kreditaufnahme unter dem Zielwert von 30%.“ Die ÁKK verweist zugleich auf den Umstand, dass Ungarn bei Antritt der Orbán-Regierung 2010 noch zu mehr als der Hälfte in Devisen verschuldet war.
Der chinesische Großkredit ist flexibel verzinst, bei einer Laufzeit von drei Jahren. Das Wirtschaftsportal hätte gerne genauere Auskünfte zu den Zielen des Kreditrahmens erhalten und wundert sich, warum Ungarn nicht den üblichen Weg einer Anleihebegebung ging. Erst im Januar hatte Ungarn eine Euro-Anleihe über 1,5 Mrd. Euro zu einem Festzins von 4% begeben. Von der chinesischen Eximbank hat das Land bereits einen ähnlich großen Kredit in Höhe von 915 Mio. Dollar zur Finanzierung des Ausbaus der Bahnstrecke Budapest-Belgrad aufgenommen.
Ist Orbans «illiberale Demokratie» in der Krise oder warum nimmt Ungarn in China heimlich im bereits im April 2024 einen Milliardenkredit auf? Eines ist sicher, Budapest braucht dringend Geld, denn die Wirtschaft steckt in der Krise, und Brüssel zahlt nicht.
Ungarns Regierung hat nicht den Ruf, übermäßig transparent zu agieren. Doch selbst für sie ist es ungewöhnlich, einen Milliardenkredit aufzunehmen, ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Ungarische Medien spekulieren, das Geld sei für die Finanzierung von teuren Versprechen im Vorfeld der Europawahl oder zum Kauf des Budapester Flughafens verwendet worden.
Für Ministerpräsident Orban stellt die “Politik der östlichen Öffnung” eine Neuausrichtung seines Landes dar: Er ist überzeugt, dass die westlich dominierte Weltordnung ein Auslaufmodell
ist.
Sein Freund Trump wird begeistert sein, wenn er das hört. Die Risiken der wachsenden Abhängigkeit ignoriert die Regierung. Am Ende wird Ungarn zwischen allen Stühlen sitzen!
Es ist bekannt, dass China mit seinen Schuldnern kompromisslos und rücksichtslos umgeht, wenn es seinen Interessen dient. Hinzu kommt, dass sich die Wirtschaft in China in einer massiven Nachfrageschwäche befindet.
Wenige westliche Beobachter sind mit Chinas Wirtschaft und Finanzsystem besser vertraut als Michael Pettis. Der Amerikaner lebt seit mehr als zwei Jahrzehnten im Land und lehrt als Professor für Finanztheorie an der renommierten Guanghua School of Management der Peking University. Pettis ist pessimistisch, dass China die Kraft aufbringt, die notwendigen schmerzlichen Maßnahmen zur Lösung der Probleme zu ergreifen.
Jörg Wuttke, ehemaliger Präsident der EU-Handelskammer in China, sagte Anfang Juli, “Chinas Wirtschaft hat eine gigantische Schräglage.” Er sieht riesige Probleme auf das Land zukommen.
Da kann nur hoffen, dass die vertraglichen Konditionen des Kredits durch Ungarn vorher intensiv geprüft worden sind.
Wer mehr über China wissen will, kann sich hier informieren:
„Jörg Wuttke, langjähriger früherer Präsident der EU-Handelskammer in China, über die wirtschaftlichen Perspektiven des Landes, den Handelskonflikt mit der EU und die Frage, wen Peking lieber im Weißen Haus sähe.“
https://themarket.ch/interview/joerg-wuttke-chinas-wirtschaft-hat-gigantische-schraeglage-ld.11505
Die Nachfrageschwäche ist das Problem und es ist nicht wirklich klar, was Peking überhaupt unternehmen kann. Wenn man, wie von der Parteiführung vorgegeben, ein Wachstum von 5% erreichen will, ist entweder ein Anstieg der Investitionen oder ein Anstieg des Konsums nötig. Der Export kann in Form eines Handelsüberschusses zwar auch zum Wachstum beitragen, aber er macht nur 5 bis 6% des BIP aus und ist damit zu gering, um etwas zu bewirken.
Es gibt drei große Quellen für Investitionen:
Erstens: Der Immobiliensektor. Dieser steckt in der Krise, und die Regierung kann wenig tun, um die Krise zu stoppen.
Zweitens: Investitionen in die Infrastruktur. Diese stellen ein noch größeres Problem dar als der Immobiliensektor. Die Zentralregierung möchte sie eindämmen, weil sie erkannt hat, dass ein Grossteil der Fehlinvestitionen und der Verschuldung auf kommunaler Ebene auf nutzlose Infrastruktur zurückzuführen ist.
Drittens, und das war die grosse Hoffnung Pekings: Investitionen in den Produktionssektor.
Das Problem dabei ist aber Chinas Grösse. Ein kleines Land kann problemlos seine Produktion und seinen Export ausweiten, ohne die ganze Welt gegen sich aufzubringen. Aber China ist die zweitgrösste Volkswirtschaft, sie macht 17% des Welt-BIP und bereits 31% der gesamten Weltproduktion aus. Der Rest der Welt ist nicht mehr willens, diese gigantische Überproduktion aus China zu absorbieren.
Die Handelsbeziehungen werden sich weiter verschlechtern. Das Problem Chinas ist aber, dass es für grosse Länder mit anhaltenden, strukturellen Handelsüberschüssen sehr schwierig ist, Vergeltungsmassnahmen zu ergreifen, da sie am stärksten von einem Rückgang des Welthandels betroffen wären.
Um den Konsum zu beleben, müssten all die Subventionen, die das verarbeitende Gewerbe so wettbewerbsfähig gemacht haben, abgebaut werden. Das ist mittel- und langfristig notwendig, aber kurzfristig ist es schmerzhaft. Ob China dafür aber die Kraft aufbringt, ist zumindest fraglich.
Was übrig bleibt ist nur eine Stärkung des Binnenkonsums, indem der Anteil der Haushaltseinkommen am BIP erhöht wird. Das wird nicht ohne zusätzliche Verschuldung gehen.