Baulöwen werden Wohnungen in Wohnparks mit Rabatten anbieten, wie diese am „Black Friday“ weit verbreitet sind. Foto: BZT/ Nóra Halász

Staatliche Beihilfen im Wohnungsbau

Die falsche Denkweise der Politik

Die Mehrwertsteuer auf Neubauwohnungen wird mal wieder auf fünf Prozent gesenkt. Das ist nur der erste Schritt, wie die Regierung den Familien in der Krise unter die Arme greifen möchte. Dabei steht der Markt längst Kopf.

Vor einer Woche kündigte Ministerpräsident Viktor Orbán im regierungsnahen Nachrichtenfernsehen Hír TV an, die Mehrwertsteuer (ÁFA) im Wohnungsbau werde wieder auf fünf Prozent gesenkt. Das sei aber nur ein Element des neuen Wohnungsbauprogramms, welches die frisch gekürte Familienministerin Katalin Novák auf der Regierungssitzung vorgestellt habe. Heute gilt für den Bau von Wohnungen der allgemeine Umsatzsteuersatz von 27 Prozent. Dieser gilt so seit dem 1. Januar 2020. Vorher galten schon einmal fünf Prozent. Über Jahre hinweg. Mit einer Auslaufregelung von vierzehn Monaten. Vergeblich hatte die gesamte Lobby der Bau- und der Immobilien-Löwen in der Zwischenzeit bei der Orbán-Regierung gebettelt, die vergünstigte ÁFA nicht auslaufen zu lassen.

Letztlich hatte diese Sonderregelung, die vom Finanzministerium von vornherein als vorübergehend ausgewiesen worden war, brutto vier Jahre Bestand. Da sind dann aber schon jene vierzehn Monate angerechnet, in denen nur noch Teile des Sektors von der Vergünstigung profitieren durften. Also jene Projekte, die am 1. November 2018 über eine gültige Baugenehmigung verfügten. Für alle anderen war es bereits mit jenem Stichtag aus und vorbei. Es gab also eine Regelung, die dem Wohnungsmarkt inmitten der wirtschaftlichen Hochkonjunktur einen weiteren sehr starken Impuls verlieh, die aber netto keine drei Jahre in Kraft blieb. Nachdem diese paradiesischen Zustände einschließlich der vierzehnmonatigen Nachspielzeit für besonders gewiefte Investoren mit dem 31. Dezember 2019 ein Ende fanden, kehrte der Markt mit dem 1. Januar dieses Jahres in den normalen Spielbetrieb zurück. In einen Normalzustand, der gut zehn Monate andauern sollte. Für eine Neuregelung, die in Hinsicht auf die Baugenehmigungen wiederum auf zwei Jahre befristet ist, bis zum 31. Dezember 2022.

Rechtssicherheit seit jeher Fehlanzeige

Wenn man der Wirtschaftspolitik der seit nunmehr einem Jahrzehnt ununterbrochen wirtschaftenden Orbán-Regierung auch so manches Gutes abgewinnen kann, mit Berechenbarkeit hat sie rein gar nichts am Hut. Da können sich das Finanzministerium und andere Stellen noch so sehr über Kritiken von Seiten Europäischer Kommission, Internationaler Währungsfonds oder OECD mokieren, denen zufolge die Rechtssicherheit wie seit jeher ein Knackpunkt bei der Lagebeschreibung Ungarns bleibe, die Suppe müssen immer die hierzulande agierenden Wirtschaftsakteure auslöffeln.

Es gibt Beispiele zuhauf, wie die Regierung die Spielregeln am laufenden Band umschreibt. Ob nun bei der Implementierung ihrer Politik der sinkenden Wohnnebenkosten, die für festgezurrte amtliche Preise im Energiesektor sorgte, oder bei der Einführung von Sondersteuern für einzelne Sektoren, die höhere Anteile bei der Begleichung der Zeche der letzten großen Krise auf sich nehmen sollten. Ebenso bei der Einführung einer allgemeingeltenden Transaktionsteuer, die eine „Flucht ins Bargeld“ in Dimensionen auslöste, die von der Nationalbank bis heute nicht eingedämmt werden kann. Wie wenig Verständnis die nie im Wirtschaftsleben geprüften Berufspolitiker für den Arbeitsmarkt mitbringen, zeigten sie wiederum kürzlich, als sie die Pauschalsteuer KATA für Selbständige zum Ärger von zehntausenden Nutznießern dieses Modells kurzerhand umdefinierten.

Kind mit dem Bade ausgeschüttet

In letzterem Fall hatte der Fidesz zunächst eine ähnliche Konstruktion namens EVA zerschlagen, nur weil diese von hunderttausenden Gewerbetreibenden gerne genutzte Konstruktion noch aus der Zeit der sozialistisch-liberalen Regierung stammte. Bald wartete die neue Regierung aber mit einer Alternative auf, die noch attraktivere Konditionen versprach. Schnell erfüllte die KATA ihren Zweck, immer mehr Selbständige aus der Grauzone in geregelte Verhältnisse zu bringen.

Bauherren benötigen auf dem staatlich aufgewirbelten Markt mehr Kredite. Foto: MTI/ Tibor Rosta

Diese Steuerform war dermaßen attraktiv, dass sie früher oder später die Falschspieler auf den Plan rufen musste. Eigentlich hätte man annehmen können, die online geschaltete Steuer- und Finanzbehörde (NAV) sei imstande, im Besitz wirklich aller Rechnungen und Lohnabrechnungen mittels gezielter Analyse jene Subjekte herauszufiltern, die das System tatsächlich missbrauchen, indem sie eindeutige Angestellten- in KATA-Verhältnisse ummodelten. Doch weit gefehlt, auf Vorschlag der Kammer (!) werden ab 1. Januar 2021 all jene, die mit KATA-Akteuren angeblich getürkte Vertragsverhältnisse eingehen, zur Zahlung einer Strafsteuer in Höhe von vierzig Prozent angehalten. Als „getürkt“ gilt dabei alles, was über zweihundertfünfzigtausend Forint im Monat hinausgeht.

Das ist also jener Betrag, der Fidesz-Politikern bereits suspekt erscheint – als würde irgendein berufstätiger Ungar von einer Summe in dieser Größenordnung leben können. Schließlich brachte das Finanzressort noch die Argumentation ins Spiel, Selbständige hätten ausschließlich privaten Kunden Dienstleistungen zu vermitteln. Man denkt da an Friseure und ähnliche Berufe. Anwälte, Buchhalter und andere Wirtschaftsakteure sollen sich nach dem plötzlichen Dafürhalten des Finanzressorts eine andere Steuerform suchen, wenn ihnen die KATA nun nicht mehr gefällt.

Seit die Pauschalsteuer aus der Taufe gehoben wurde, war nie die Rede davon, dass diese nur im Verhältnis zu privaten Kunden gelten würde. Es gab allerhand Vorgaben, wie selbständig das Steuersubjekt agieren musste, aber ganz sicher nicht die Klausel, Firmen dürften nicht bedient werden. Diese wurde erst nachträglich ins Spiel gebracht. Einen solchen „Rechts-Bruch“ nach wenigen Jahren erledigt das Finanzministerium gewissermaßen im Vorbeigehen, en passant, obendrein auf Initiative einer Kammer, die jährlich Mitgliedsbeiträge nach Art von Steuern von ihren Pflichtmitgliedern einstreicht, darunter natürlich auch von jenen, denen sie gerade in den Rücken gefallen ist.

Ohne Rücksicht auf Nebenwirkungen

Diese Beispiele ließen sich leider noch lange fortsetzen. Sie belegen immer wieder, wie wenig Verständnis die Politik für die Wirtschaftswelt mitbringt. Staatspräsident János Áder meinte in Reaktion auf die Entrüstung der Selbständigen gar, es gebe doch noch genug andere Steuerformen.

Wie dem auch sei, sollte dieser Exkurs nur verdeutlichen, dass der Bau- und Immobilienbranche mit dem neuerlichen Orbán-Geschenk nicht wirklich geholfen ist. Entwickler großer Projekte brauchen einen Planungszeitraum von zehn und mehr Jahren. Die Befristung der Niedrig-ÁFA auf zwei Jahre kann nicht losgelöst von den im Frühling 2022 anstehenden Parlamentswahlen betrachtet werden. Dabei gibt es die ominösen fünf Prozent bereits für ein spezifisches Wohnungsbauprogramm, mit dem die Regierung Industriebrachen rekultivieren wollte. Großartige Pläne wurden nach nur wenigen Monaten ihres Wettbewerbsvorteils beraubt. In dem Fall stellt die Regierung ausnahmsweise nicht den Marktakteuren, sondern sich selber ein Bein.

Jeder Quadratmeter Wohnraum wird teuer erkauft. Foto: MTI/ Tibor Oláh

Den privaten Bauherren ist schon gar nicht geholfen, denn der Markt folgt seinen eigenen Regeln und reagiert in den seltensten Fällen so, wie sich das die Politik zuvor erträumt hatte. So schrieben wir an dieser Stelle bereits 2016, das Wohnungsbauprogramm für Familien (CSOK) scheffelt nur das Geld in die Taschen der Immobilienentwickler, die Häuslebauer würden von allen Seiten eher geschröpft. Unsere Annahmen sollten sich bewahrheiten, wie die Statistiken der Folgejahre zeigten: Heute hat der Staat annähernd 500 Mrd. Forint (rund 1,5 Mrd. Euro) an die begünstigten Familien ausgereicht, Wohnungen sind aber befeuert unter anderem durch CSOK so viel teurer geworden, dass die Bauherren ohne staatliche Anreizprogramme und das hektische Aufwirbeln des Marktes besser gefahren wären. Die neuerliche Rückkehr zur fünfprozentigen Mehrwertsteuer sorgt für frischen Wirbel – erneut ohne Rücksicht auf die Nebenwirkungen.

Wieder Zeit für Rabattaktionen

Die erste Anomalie ergibt sich sogleich daraus, dass die Neuregelung am 1. Januar wirksam werden soll. Bis dahin gehen noch zweieinhalb Monate ins Land, in denen sich mehrere tausend fertiggestellte Wohnungen am Markt befinden, die ungefähr zur Hälfte mit der auf 27 Prozent hochgeschraubten, „normalen“ ÁFA eingepreist wurden. Nicht ganz so mit der harten Wirklichkeit vertraute Politiker rechnen nun wie jüngst Frau Novák vor, welche enormen Einspareffekte sich für die Kunden ergeben werden: Familien könnten beim Kauf einer neuen Wohnung, die zum Beispiel netto 30 Mio. Forint kostet, Umsatzsteuer in Höhe von 6,5 Mio. Forint einsparen, bei einem Wohnungswert von 50 Mio. Forint wären dies bereits 11 Mio. Forint.

Der Baulöwe denkt vermutlich anders. Wie bei Rabattaktionen am „Schwarzen Freitag“ nicht ungewöhnlich wird der Preis der ursprünglich für 50 Mio. Forint angebotenen Wohnung plötzlich von 60 auf 55 Mio. Forint „herabgesetzt“. Auf diese Weise schöpfen die Entwickler von Wohnparks einen Teil der staatlich gewährten Vergünstigungen ab – der Markt hat in den letzten Jahren gezeigt, dass solche „Aktionen“ ohne weiteres machbar sind.

Bauboom noch angeheizt

Die fehlende Stabilität im regulatorischen Umfeld hat die Instinkte der Akteure in der Bau- und Immobilienbranche über Jahre geschärft. Kaum hatte Orbán die Fünf-Prozent-Regel verlautbaren lassen, begann eine Neukalkulierung von Wohnungsbauprojekten. Es wurde durchgerechnet, ob man mit dem Start neuer oder der Übergabe laufender Projekte besser das neue Jahr abwartet.

In den letzten drei Jahren war die Baubranche maßgeblich am wirtschaftlichen Aufschwung in Ungarn beteiligt. Nach drei fantastischen Jahren erreichte sie laut Zentralamt für Statistik (KSH) 2019 einen Anteil am BIP von rund sechs Prozent, und einen Anteil an der Beschäftigung von siebeneinhalb Prozent. In kaum einer anderen Branche werden Firmen so intensiv neu gegründet und so schnell wieder geschlossen, wenn die Rahmenbedingungen nicht mehr stimmen. Neun von zehn Baufirmen zählen weniger als fünf Mitarbeiter; diese „Brigaden“ sind gewöhnlich im Hochbau oder bei der Gebäudetechnik tätig. Jährlich werden im Durchschnitt achttausend Baufirmen gelöscht, weil sich viele solcher Familienbetriebe und Freundeskreise nach einem anderen Brotverdienst umschauen, sobald die Auftragslage unsicher wird. Das geschieht im Rückblick auf die drei Jahrzehnte des Nachwende-Ungarns ungefähr alle drei Jahre.

In diesem Rhythmus taumelt das Land in Krisen, unter denen so manche (wie 1995 und 2006) hausgemacht, andere wie die Weltwirtschaftskrise 2008/09 höheren Mächten zuzuschreiben sind. Die Orbán-Regierung blieb dieser Tradition treu, indem sie den Sektor – freilich als Teil der gesamten Volkswirtschaft – 2012 in die Krise stürzte, um eine neue Steuerphilosophie zu etablieren, oder im Jahre 2016, als die EU-Gelder ausgingen (wovon hauptsächlich der Tiefbau betroffen war). Seit 2017 herrschte aber ein regelrechter Bauboom, der nicht zuletzt durch das CSOK-Programm für bauwillige Familien angeheizt wurde und dazu führte, dass das Bauvolumen im Jahre 2019 erstmals den Allzeitrekord aus den Vorkrisenjahren 2005/06 knackte.

Allein im vergangenen Jahr wurden mehr als zwanzigtausend Baufirmen gegründet, über die letzten drei Jahre hinweg waren es annähernd fünfzigtausend. Wo Familienbetriebe dominant sind, werden die niedrigsten Löhne gezahlt, die in der Regel um zehn bis zwanzig Prozent unter dem Branchendurchschnitt rangieren. Aber auch so sprechen wir von 10.-15.000 Forint täglich, die in Fachgewerken schnell 20.-25.000 Forint erreichen können und immer noch häufig mindestens zur Hälfte schwarz ausgezahlt werden. Dieser künstlich überhitzte Sektor zeigte schon am Jahresende 2019 deutliche Schwächeanzeichen.

Für Modernisierungen auf dem Lande gibt es ein spezielles CSOK. Foto: BZT/ Nóra Halász

Für den Kollaps sorgte dann aber das Coronavirus. Dass sich der Boom seinem Ende näherte, bahnte sich bereits in den Auftragsbüchern an, die Ende Dezember um ein Zehntel schmaler gefüllt waren, als ein Jahr zuvor. Dieses Auftragsvolumen von insgesamt 1.850 Mrd. Forint hätte noch vierzig Prozent der 2019 erbrachten Leistung abgedeckt. Die Delle war einzig dem Tiefbau zuzuschreiben, denn wieder einmal liefen staatliche Großprojekte in stattlichen Dimensionen aus. Der Hochbau verwies derweil auf 500 Mrd. Forint an Aufträgen, vierzig Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Überall die gleichen Effekte

Unter diesen Vorzeichen startete die Branche in das Jahr 2020, das die Rückkehr zur normalen ÁFA für Wohnungen bringen sollte und bereits Mitte März mit der Einführung der Notstandslage eskalierte. Im Gegensatz zu vielen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen wirkte das Baugewerbe anfänglich erstaunlich krisenresistent; das Virus kam an der frischen Baustellenluft nicht wirklich zum Zuge, die Firmen arbeiteten stoisch ihre Aufträge ab. Die allgemeine Verunsicherung von Wirtschaft und Gesellschaft sollte aber schließlich auch die laufenden Bauprojekte nicht verschonen.

Dabei hatte auch der Wohnungsbau wieder so richtig Fahrt aufgenommen. Im Jahre 2019 wurden erstmals seit 2010 wieder mehr als zwanzigtausend Wohnungen übergeben, doppelt so viele, wie noch 2016, und drei Mal so viele, wie auf dem Tiefpunkt im Jahre 2013. Die Preise entwickelten sich über die jüngsten Jahre hinweg konsequent im zweistelligen Bereich, gegenüber dem Basisjahr 2015 verteuerten sich Neubauwohnungen im Verlauf von nur vier Jahren landesweit um zwei Drittel. Noch schneller schossen die Preise für Wohnungen am Markt in die Höhe, die von den Eigentümern weiterverkauft wurden. Nach KSH-Angaben kostete eine Neubauwohnung in Ungarn 2019 im Durchschnitt erstmals mehr als 30 Mio. Forint, in der Hauptstadt sogar 37,5 Mio. Forint. Ein Jahr zuvor waren es noch drei bis vier Millionen weniger.

Da die Wohnungen mit dem zunehmenden Anteil von Wohnparks in der Tendenz kleiner werden, legten die spezifischen Quadratmeterpreise noch drastischer zu und nähern sich einer halben Million Forint an. Auf dem Lande sollte ein Bauherr mit etwa 400.000 Forint pro Quadratmeter kalkulieren; dort hat sich das Preisniveau zwischen Dörfern und Städten zudem sehr stark angeglichen. In Budapest steuert der Quadratmeterpreis derweil schnurstracks auf 700.000 Forint zu.

Mittlerweile zieht der für den ländlichen Raum entwickelte CSOK-Ableger die Preise in den am wenigsten entwickelten Gemeinden des Landes in die Höhe. Das großzügig staatlich geförderte Wohnungsbauprogramm für Familien erzielt bis in den letzten Winkel des Landes die gleichen Effekte: Wer eine Immobilie sein Eigentum nennt, darf sich über enorme Wertzuwächse freuen, die jede Superanleihe und die meisten Aktien in den Schatten stellen. Wer eine Familie gründen und aus dem Elternhaus ziehen möchte, wird jedoch mit einer Preisexplosion konfrontiert, mit der nicht einmal die bis zur Corona-Krise dynamisch wachsenden Reallöhne mithalten können.

Kein krisentypisches Szenario

Einmal abgesehen von dieser widersprüchlichen Rolle des CSOK-Förderprogramms, dessen fehlende Effizienz inzwischen sogar von MNB-Präsident György Matolcsy offen eingeräumt wird, prägten den globalen Wohnungsmarkt ähnliche Tendenzen. Ausgelöst wurden sie durch die politisch gewollte enorme Geldschwemme, die seit der Weltwirtschaftskrise kein Ende mehr finden will. Zudem unterscheidet sich die Corona-Krise von anderen Krisen (nicht unabhängig vom gleichzeitigen Nachfrage- und Angebotsschock) darin, dass viele Staaten ihren Bürgern ungewöhnliche Transferzahlungen gewährten. Ob Helikopter- oder Kurzarbeitergeld, die künstlich aufrechterhaltene Kaufkraft bremste ein krisentypisches Szenario aus. Die Wohnungspreise am Markt fielen nämlich auch deshalb nicht, weil die Schwemme von Zwangsverkäufen ausblieb. Das in Ungarn als eine der ersten Maßnahmen der Orbán-Regierung in Reaktion auf den Notstand verkündete Moratorium für Kredittilgungen tat sein übriges.

Familienministerin Novák hat am Wochenende nachgelegt, indem sie jenen Familien, die sich beim Kauf einer Neubauwohnung eines CSOK-Darlehens bedienen, auch noch die auf fünf Prozent reduzierte Mehrwertsteuer zurückgeben will. Ausgehend von den aktuellen Wohnungspreisen entspricht das einem Geschenk von knapp zwei Millionen Forint. Der Markt muss nun die Frage beantworten, inwieweit all diese Maßnahmen und Steuergeschenke ausreichen, um die negativen Effekte der Corona-Krise zu kompensieren.

Letztere verstärken sich inmitten der zweiten Welle, die Ungarn und die gesamte Region offenbar schwerer trifft, als die erste Welle im Frühjahr. Die Landeswährungen befinden sich längst unter Druck, die Angst vor Arbeitslosigkeit wächst, während die Inflation zum Wohnungskauf als Wertanlage treibt. Wer sich dafür aber schwer verschulden muss, wird das CSOK-Darlehen ungeachtet seiner Niedrigverzinsung und der vielen Beigaben womöglich als vergifteten Apfel erleben.

In einer Krise nimmt man nun mal keine Schulden auf, auch wenn die Orbán-Regierung die Zukunft für die Familien noch so leuchtend ausmalt. Die meisten Ungarn dürften in der Verwandtschaft oder im Freundeskreis jemanden kennen, der in den Jahren bis 2007 den optimistischen Ansagen der Politik (und Banken) auf den Leim gehend insbesondere Fremdwährungskredite aufnahm und sich in der großen Krise mehr als nur die Finger verbrannte.

Schreibe einen Kommentar

Weitere Artikel