Wizz Air, Fluggesellschaften, Ungarn
„Von Woche zu Wochen heben immer mehr Flugzeuge von uns ab.“ (Foto: WizzAir / Kriszta Falus)

Interview mit Wizz Air-Sprecher András Radó

Vorbereitung auf eine neuerliche Expansionsphase

Die Luftfahrtbranche gehört zu den am stärksten von der Corona-Krise betroffenen Branchen. Wir unterhielten uns mit András Radó, Pressesprecher und Leiter der Unternehmenskommunikation der ungarischen Fluggesellschaft Wizz Air, über die momentane Situation und die Aussichten seiner Firma.

Wie ist Wizz Air durch die letzten Monate gekommen?

Sie stellten auch für uns eine gewaltige Herausforderung dar. Unser Unternehmen befand sich in den letzten Jahren in einer massiven Wachstums­phase, die durch die Pandemie abrupt beendet wurde. Zwar stellten wir gegenüber anderen Fluggesellschaften unseren Betrieb nicht komplett ein, dennoch war durch die verschiedenen nationalen Maßnahmen sowie die Grenzschließungen fast unsere gesamte Flotte am Boden. Es war eine große Herausforderung, Informationen über Regelungen und Vorgaben der jeweiligen Länder zu erhalten und diese einzuhalten. Im Moment sind wieder rund 15 Prozent unserer Flugzeuge im Einsatz. Von Woche zu Wochen heben immer mehr Flugzeuge von uns ab.

Wie steht Wizz Air momentan da?

Die Wizz Air ist ein liquides Unternehmen. Selbst bei nur geringfügigem Flugverkehr könnten wir uns bis zu zwei Jahre über Wasser halten. Bei vielen anderen Fluggesellschaften würde die Liquidität nur für ein paar Monate reichen. Etliche Fluggesellschaften sind daher jetzt auf staatliche Unterstützung angewiesen. Das ist aber keine langfristige Lösung. Staatliche Beihilfen verzerren den Wettbewerb und können zu Interessenkonflikten führen. Dabei sollte ein freier und fairer Wettbewerb zwischen Unternehmen auch im Interesse des Staates liegen.

Zumindest als Auftraggeber spielte der Staat in den letzten Monaten bei Ihnen eine größere Rolle.

Im Auftrag des Außenministeriums durften wir bisher über 120 Flüge starten, um Masken, Schutzanzüge und Beatmungsgeräte aus China nach Ungarn zu transportieren. Es war sowohl eine Ehre als auch eine große Herausforderung für uns, komplett neue Destinationen anzufliegen. Die chinesische Überwachung des Luftverkehrs unterscheidet sich übrigens sehr stark von der europäischen. Es gibt viel strengere Vorschriften. Wir waren aber nicht nur beim Transport von Corona-Gütern aktiv, sondern halfen auch mit, im Ausland festsitzende Bürger heimzuholen. Es ist auf jeden Fall ein gutes Gefühl, dass wir nicht nur passiv auf das Ende der Krise warten mussten, sondern uns auch aktiv beim Kampf gegen das Corona-Virus beteiligen konnten.

Welche Maßnahmen haben Sie inzwischen bezüglich der Hygiene und Sicherheit der Passagiere getroffen?

Die Wizz Air hat schon ganz am Anfang Vorsichtsmaßnahmen getroffen, um das Risiko einer Infektion jeder Art auf ein Minimum zu reduzieren. Bis heute hat sich erwiesenermaßen kein einziger Passagier oder Mitarbeiter bei uns mit dem Virus infiziert. Das hat auch etwas mit unseren zahlreichen Vorsichtsmaßnahmen zu tun. Unser Luftreinigungssystem ist hervorragend. In den Flugzeugkabinen wird die Luft von oben nach unten geblasen, wobei die Luft mit sogenannten HEPO-Filtern gereinigt wird. Die Teilchen der Luft werden bis 99,97 Prozent gefiltert. Die Luft wird von Staub, Viren, Bakterien und allem, was sich in der Luft befindet und die Gesundheit der Passagiere gefährden könnte, befreit. Die so gereinigte Luft wird nach diesem Prozess von oben zusammen mit der Luft von außen in die Kabinen geleitet. Dies wiederholt sich alle paar Minuten. So herrschen im Flugzeug so hygienische Zustände wie in der Intensivstation eines Krankenhauses. Man kann also ruhig weiterhin mit dem Flugzeug fliegen. Das Risiko ist auf keinen Fall höher als an gewöhnlichen Aufenthaltsorten auf der Erde.

„Im Auftrag des Außenministeriums durften wir bisher über 120 Flüge starten, um Masken, Schutzanzüge und Beatmungsgeräte aus China nach Ungarn zu transportieren.“ (Foto: MTI)

Gilt an Bord Maskenpflicht?

Seit dem 1. Mai muss die komplette Crew Masken und Handschuhe tragen, was aber auch von den Passagieren erwartet wird. Beim Einsteigen bekommt jeder Hygienetücher, und auch während des Fluges stellt das Personal Desinfektionsmittel zur Verfügung. Die Flugzeuge werden täglich mehrmals gründlich desinfiziert. Beim Bezahlen bevorzugen wir, wenn die Passagiere an Bord nicht mit Bargeld, sondern mit Karte bezahlen. Um das zu unterstützen, haben wir das Kartenlimit von 10 auf 25 Euro erhöht. Unseren Kunden empfehlen wir, bereits vor dem Einstieg mittels einer App online einzuchecken, um die Bordkarte nicht ausdrucken zu müssen. Auch damit versuchen wir, ein mögliches Infektionsrisiko zu reduzieren, da durch das Online-Einchecken ein weiterer unnötiger Kontakt vermieden wird.

Wie werden sich die Preise verändern?

Meiner Meinung nach werden sich die Preise nicht groß verändern. Auf jeden Fall werden sie kurzfristig nicht steigen. Wir bieten nach wie vor Sonderangebote und ohnehin konkurrenzlos niedrige Preise an. Andere Fluggesellschaften werden während und nach der Krise Profitabilitätsprobleme bekommen, da sie ja ihre Hilfskredite mittels der Einnahmen aus dem laufenden Geschäft bedienen müssen.

Wie viele Destinationen kann Wizz Air momentan bedienen?

Wir fliegen bereits mehr als 40 Ziele an, das ist mehr als die Hälfte unserer früheren Destinationen. Permanent erweitern wir unser Routennetz. Auch die Zahl der Buchungen steigt dynamisch. Am Anfang rechnen wir hauptsächlich mit Leuten, die aus familiären, beruflichen oder gesundheitlichen Gründen fliegen. Urlauber werden erst ab Mitte Juli verstärkt unter unseren Passagieren sein.

Musste Wizz Air Mitarbeiter entlassen?

Leider ja. Vor der Krise hatten wir etwa 5.000 Mitarbeiter, jetzt sind rund 4.000 für uns tätig. Die Entlassungen verteilen sich auf sämtliche Länder, in denen wir geschäftlich aktiv sind. Wir hoffen, dass wir unser Personal möglichst rasch wieder aufstocken können und dann auch wieder die zuvor entlassenen Mitarbeiter den Weg zu uns finden.

Inwiefern unterscheidet sich die ungarische Wizz Air von anderen Fluggesellschaften?

Die Wizz Air hat ein ganz anderes Geschäftsmodell und schafft es, auch bei relativ niedrigen Ticketpreisen Gewinne zu erzielen. Unsere Fluggesellschaft verfügt gegenüber anderen Fluggesellschaften über sehr moderne und kostengünstige Maschinen, die im Durchschnitt nur 5,4 Jahre alt sind. Bei so jungen Maschinen sind die Betriebskosten natürlich deutlich niedriger als bei älteren. Während andere Fluggesellschaften dabei sind, Bestellungen über neue Flugzeuge zu stornieren, übernehmen wir weiterhin alle, noch vor der Krise bestellten Maschinen und bereiten uns auf eine neuerliche Expansionsphase vor. Wir versuchen das Beste aus der Situation zu machen. Jetzt können wir in Ruhe die Grundlagen für unser zukünftiges nachhaltiges Wachstum legen.

Das Gespräch entstand im Rahmen eines Projektes des Corvinus Tourism Clubs (CTC). Der 2017 von Simon Nagy gegründete CTC beschäftigt sich im Rahmen der Budapester Corvinus-Universität mit Themen wie Tourismus und Catering.

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2 Antworten auf “Vorbereitung auf eine neuerliche Expansionsphase

  1. Aua! Das Überleben der Austrian Airlines und anderer privater oder teil-staatlicher Fluggesellschaften in Europa hängt von massiven staatlichen Hilfen ab – und die ungarische WizzAir benötigt keine Hilfen, lässt die Konkurrenz hinter sich und geht auf Einkaufstour.

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