„Der enorme Einsatz unserer Mitarbeiter und unserer Vertriebspartner macht sich bezahlt.“ (Foto: Signal Iduna)

Interview mit Daniel Kempchen, stellvertretender Generaldirektor der Signal Iduna Biztosító Zrt.

Vorreiter in Sachen Innovation

Die Corona-Krise hat natürlich auch den Versicherungsmarkt getroffen. Daniel Kempchen, stellvertretender Generaldirektor der Signal Iduna Biztosító Zrt., kann neben zahlreichen Herausforderungen aber auch von einigen positiven Effekten auf seine Firma und generell den ungarischen Versicherungsmarkt berichten.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf die Versicherungsbranche in Ungarn?

Die ungarische Versicherungsbranche ist aktuell sicherlich weniger von der Corona-Krise betroffen als andere Branchen. Im April und Mai spüren wir zwar in einzelnen Geschäftsfeldern Rückgänge im Neugeschäft, allerdings bilden die Vertragsbestände ein stabiles Fundament. Da persönliche Kontakte mit den Kunden nur eingeschränkt möglich sind, hat die Branche teilweise schnell mit Digitalisierungsmaßnahmen reagiert, sodass Vertriebs- und Serviceprozesse komplett papierlos und bequem von zu Hause erledigt werden können.

Bei den Banken gab es ein Kredit-Moratorium. Gibt es in Ihrer Branche etwas Ähnliches?

Ein derartiges branchenweites Prämien-Moratorium gibt es nicht. Wir gehen in Einzelfällen flexibel auf die Bedürfnisse unserer Kunden ein. Vor allem in der Lebensversicherung gewähren wir aufgrund von Corona zum Beispiel mehr Möglichkeiten für Beitragspausen. In anderen Geschäftsfeldern versuchen wir mit der Anpassung des Versicherungsumfangs, unseren Kunden zu helfen. Als Serviceversicherer haben wir besonders in diesen schwierigen Zeiten den Anspruch, unseren Kunden zu helfen und sie nicht zu verlieren.

Im Gegensatz zur Bankenbranche hat der Staat bei Ihrer Branche also bisher noch keine speziellen Vorschriften erlassen?

Die Aufsicht hat zwar kein branchenweites Prämienmoratorium erlassen, allerdings sind wir in intensivem Austausch mit der ungarischen Nationalbank. Wir liefern beispielsweise Informationen, welche kundenschützenden Maßnahmen wir aufgrund von Corona umsetzen. Hier haben wir beispielsweise unser individuelles Prämienmoratorium mit der Nationalbank abgestimmt. Außerdem findet ein intensiver Datenaustausch statt, um die Geschäftsentwicklung genau beobachten zu können.

Welche Auswirkungen auf Ihre Branche könnten sich in naher Zukunft ergeben?

Da kann ich am besten für unsere Firma sprechen. Insgesamt sind wir bis Ende April beim Neugeschäft nahezu auf Vorjahresniveau. Unsere gesamten Beitragseinnahmen konnten sogar im zweistelligen Bereich wachsen. Der Umsatzrückgang, den wir im März und April sehen, wird noch ein paar Monate anhalten. Danach wird das Neugeschäft nach unseren Erwartungen bis Mitte nächsten Jahres Schritt für Schritt auf Vorkrisenniveau zurückklettern. Während wir in der Lebensversicherung einen spürbaren Rückgang verzeichnen, ist das Geschäft zum Beispiel in der Wohnungs- oder Autoversicherung bis heute sogar über Vorjahresniveau. Ehrlich gesagt haben wir mit höheren Rückgängen gerechnet. Der enorme Einsatz unserer Mitarbeiter und unserer Vertriebspartner macht sich bezahlt. Viele digitale Initiativen, wie der Versicherungsabschluss per Video, werden uns auch nach der Coronakrise erhalten bleiben und das Kundenerlebnis verbessern. Insgesamt rechnen wir auch in diesem Jahr trotz Corona mit einem Wachstum unserer gesamten Einnahmen.

Wie sieht es bisher im Mai aus?

Im Mai ist der Umsatz auf ähnlichem Niveau wie im April. Seit der Lockerung der Kontaktbeschränkungen spüren wir sogar wieder erste leichte Wachstumssignale.

„Wir wollen als deutsche Versicherung zur ersten Adresse für hiesige deutschsprachige Kunden werden.“ (Foto: Signal Iduna)

Es ist ja auch wieder einfacher, sich mit den Kunden zu treffen…

Wir sind sehr froh, dass persönlicher Kontakt langsam wieder besser stattfinden kann. Die Krise hat gezeigt, wie stabil die Nachfrage nach gutem Versicherungsschutz und professioneller Beratung ist. Der persönliche Kontakt wird auch in Zukunft vor allem bei beratungsintensiveren Produkten weiterhin entscheidend sein. Die unterstützenden Prozesse werden allerdings digitaler.

Wird sich die Krise auf Ihr Produkt-Portfolio auswirken?

Generell haben wir in Ungarn bereits vor der Krise eine Zunahme des Risikobewusstseins bei unseren Kunden wahrnehmen können. Durch die Coronakrise wird dieser Trend sicher noch weiter zunehmen. Schon jetzt haben wir neben unseren Sachversicherungsprodukten sehr gute Unfall- und Lebensversicherungsprodukte. Wir planen keine neuen Produkte aufgrund von Corona. Allerdings entwickeln wir derzeit ein neues Unfallprodukt und prüfen hier auch, ob Pandemieschutz ein sinnvoller Baustein ist.

Haben Sie das Thema der Digitalisierung erst wegen Covid-19 in Angriff genommen?

Nein natürlich nicht. Außer bei größeren Verträgen in der Gewerbever­sicherung verkaufen wir alle Produkte über Webservice-gestützte Prozesse. Zum Schutz der Kundendaten, zum Beispiel auch von Gesundheitsdaten, unterliegt die Versicherungsbranche sehr strengen Datenschutzrichtlinien. Besonders im Unterschriftsverfahren. Durch die Corona-Krise wurde das Thema nun hochaktuell. Wir haben es aber innerhalb von wenigen Wochen geschafft, den Videoverkauf sowie die elektronische Unterschrift über das ungarische „ügyfélkapu“ in unseren Prozess zu inte­grieren. Wir sind stolz darauf, dass wir einer der ersten Versicherer in Ungarn sind, die diese neuen Technologien eingeführt haben. Auch für die Stimmung im Unternehmen waren diese Themen wichtig. Es hat uns geholfen, auch in dieser schwierigen, von Unsicherheit geprägten Zeit, positiv zu denken und motiviert an Lösungen zu arbeiten, die uns helfen. Diese Erfahrung hat uns trotz Home­office und allen Herausforderungen zusammengeschweißt.

Wie wird das mit den Unterschriften gelöst?

In Ungarn gibt es das von der Regierung zur Verfügung gestellte „ügyfélkapú“ (auf Deutsch: Kundentor). Hier können die Bürger diverse öffentliche Services in Anspruch nehmen. Unter anderem die elektronische Unterschrift von Dokumenten. Der Prozess ist sehr einfach. Der Kunde bekommt unseren Antrag über einen automatisierten Prozess per Mail zugeschickt. Er lädt den Antrag auf das Ügyfélkapu hoch und kann diesen dann mit ein paar Klicks elektronisch unterschreiben. Per Mail schickt der Kunde das somit unterschriebene Dokument an uns und wir können den Vertrag ausstellen.

Sie verwenden also das offizielle staatliche System, über das Bürger beispielsweise ihre Steuererklärung abgeben können?

Ganz genau! Der Kunde kann dieses Portal nutzen, um generell über einen elektronischen Prozess Dokumente zu unterschreiben.

Wie kompliziert war es, dieses Kundentor in Ihr Vertragsprozedere zu integrieren?

Da der Kunde diesen Schritt ohne Berater tätigt, fällt der Abschluss unter das Fernabsatzgesetz. Hierzu mussten wir unseren Prozess leicht anpassen. Ich kann jedem das Ügyfélkapu empfehlen. Wir waren überrascht, wie viele Kunden diesen Service schon nutzen. Auch in Zukunft werden wir unseren Kunden und Beratern wertvolle Zeit sparen. Bei der Lebensversicherung können aufgrund der Vorgaben zur Verhinderung der Geldwäsche jedoch keine größeren Verträge abgeschlossen werden. Für diesen Fall kann der Kunde dann übrigens per Videoabschluss unterschreiben.

Wie läuft das ab?

Auch dieser Prozess ist ganz einfach. Einer unserer Serviceberater vereinbart mit dem Kunden einen Videotermin. Der Kunde bekommt dann einen Link zugesandt, mit dem er in einen geschützten Videobereich gelangt. Er kann hierzu Smartphone, Tablet oder PC nutzen. Hier trifft er dann auf einen unseren Mitarbeiter. Der Kunde sitzt vor der Kamera und hält seinen Personalausweis sowie seine Wohnadresskarte (ungarisch: lakcímkártya) in die Kamera. So passiert die Identifikation. Zudem gibt er die notwendigen mündlichen Einwilligungen, die zum Abschluss notwendig sind. Der ganze Prozess dauert nicht länger als 10 Minuten. Das Video wird dann bei uns abgespeichert. Sobald es von der Administration angeschaut wurde, wird dem Kunden der fertige, also rechtsgültige Versicherungsvertrag zugeschickt.

Nutzen Ihre Kunden diese innovativen Möglichkeiten bereits?

Obwohl diese beiden Optionen erst seit ein paar Tagen möglich sind, hatten wir mittels Ügyfélkapu bereits 300 und mit Video-Autorisierung über 100 Versicherungsabschlüsse.

Sind diese beiden Lösungen auf dem ungarischen Markt Standard?

Keinesfalls. Die Signal Iduna ist hier einer der ersten Versicherer. Die beiden Lösungen müssen aber rasch zum Standardrepertoire einer Versicherung gehören. Wir wollten hier einer der ersten sein, da wir auch unseren Vertriebs­partnern in dieser Zeit zur Seite stehen möchten. Als wir Mitte März die Entscheidung für die Entwicklung trafen, hatten wir Angst, dass es zu einer kompletten Ausgangssperre kommen wird. Wir sind froh, dass es dazu bislang nicht gekommen ist, die neuen Technologien aber trotzdem genutzt werden.

Und in Deutschland?

Auch in Deutschland beschäftigen sich die Versicherer mit ähnlichen Themen. Insgesamt hat die Branche auch hier sehr gut reagiert. Mit dem Ügyfélkapu-Prozess hat Ungarn aber ein Alleinstellungsmerkmal.

Zu was haben Sie die Corona-Krise noch genutzt?

Die Ausgangsbeschränkung hat in unseren Kollegen große Aktivität und Motivation erweckt. Nachteile wurden in Vorteile umgemünzt. Wir haben beispielsweise Online-Schulungen, Roadshows und Konsultationen für unsere Vertriebspartner in solcher Anzahl organisiert, wie noch nie vorher. Während wir im Februar rund 2.000 Vertriebspartner schulen konnten, waren es im April bereits etwa 5.000.

Woran liegt das?

Daran, dass sowieso alle zuhause sind. So kann man dann die Leute sehr viel schneller und effektiver zu Online-Schulungen zusammenbringen. Dabei können sich die Leute Reisezeiten und Kosten sparen. Das Ganze läuft so gut und kommt bei unseren Kollegen so gut an, dass wir dieses System auch nach der akuten Corona-Krise beibehalten werden. Natürlich ist es auch wichtig, dass man sich persönlich trifft. Aber bei vielen Arten von Schulungen ist das nicht notwendig. Außerdem können beim E-Learning viel mehr Leute problemlos zusammengebracht werden.

Stichwort Home Office?

Seit Beginn der Krise arbeiten fast alle unserer Mitarbeiter im Home Office. Auch das läuft sehr gut, so dass wir diese Möglichkeit auch nach der Krise viel stärker nutzen werden als bislang.

So stark, dass bei Ihnen in Ihrer Zentrale an der Budapester Alkotás utca Bürofläche freiwerden könnte?

Das ist momentan noch kein Thema. Wir werden aber wahrscheinlich unser dynamisches Wachstum ohne die Anmietung von zusätzlichen Büroflächen bewältigen können. Vorhandene Fläche werden wir über verschiedene Modelle besser ausnutzen. Derzeit sind in unserer Hauptverwaltung rund 250 Mitarbeiter beschäftigt.

Welche Erfahrungen haben Sie in den gut zwei Monaten mit Home Office gemacht?

Zu unserer Überraschung haben wir gesehen, wie reibungslos das läuft. Unsere Firma funktioniert wirklich gut. Wir sehen momentan auch, wie sehr der Online-Vertrieb eine Einstellungssache ist. Wer die Situation annimmt und bereit ist, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen, der hat weniger Probleme. Im Gegenteil: Wer die neuen Möglichkeiten gut und kreativ nutzt, kann sogar deutliche Effizienzgewinne verbuchen. Das ist übrigens altersunabhängig.

Ein weiteres „Krisen-Baby“ sind neue Investmentfonds, die Sie seit kurzem anbieten…

Dieses Produkt hatten wir unabhängig von der Krise entwickelt. Es ist ein Zufall, dass es ausgerechnet in diesen Tagen startklar wurde. Am 25. Mai haben wir diesen neuen Fonds in unsere fondsgebundenen Lebensversicherungsprodukte aufgenommen. Da wir keine eigene Vermögensverwaltung haben, arbeiten wir mit renommierten Asset Managern wie etwa der Hold Alapkezelő Zrt. und der französischen Amundi zusammen.

Warum noch ein neuer Fonds?

Wir wollten einmal etwas völlig Neues ausprobieren. Unser neuer globaler Fonds ist genauso zusammengesetzt, wie der globale Anleihen- und Aktienmarkt. Der Fonds, der nur aus Exchange Traded Funds (ETFs) besteht, ist also ein Spiegel des weltweiten Aktien- und Anleihenmarktes. Durch eine gewaltige Diversifikation wird die Volatilität und damit das Risiko reduziert. Dieser Ansatz ist besonders bei der Altersvorsorge sehr geeignet, wo die Leute mit einem Zeithorizont von mehreren Jahrzehnten planen möchten. Dieser Fonds weist im Vergleich zu aktiv gemanagten Fonds auch eine deutlich günstigere Kostenstruktur auf – und das bei einer ähnlichen und teils besseren Rendite. Viele Leute wollen investieren, ohne groß darüber nachdenken zu müssen. In diesem Fall können wir ihnen jetzt empfehlen: folgt einfach der Welt!

Ist das eine Entwicklung Ihrer deutschen Mutterfirma, die Sie jetzt hier in Ungarn einfach zusätzlich ins Angebot nehmen?

Nein, das war unsere eigene Idee. Sie wurde hier in Ungarn geboren und entwickelt. Inzwischen interessieren sich aber auch unsere Kollegen aus den anderen Ländern dafür. Wir haben die Idee an einige Fondsverwalter herangetragen, um einen passenden Partner zu finden, der den Fonds für uns aufsetzt und die Transaktionen verwaltet. Mit Amundi, dem größten europäischen Asset Manager, haben wir jetzt einen sehr starken Partner an unserer Seite.

Wo sehen Sie ihre Versicherung in fünf Jahren? Welche strategischen Ziele verfolgt die Signal Iduna in Ungarn?

Wir sehen unsere Strategie darin, in ausgewählten Produktbereichen der beste Versicherer in Ungarn zu sein. Zu diesen zählen vor allem die fondsgebundene Lebensversicherung, sowie die gewerbliche Versicherung für den Mittelstand. Neben einem wettbewerbsfähigen Produkt möchten wir die Prozesse im Vertrieb sowie in der Verwaltung so gestalten, dass der Kunde ein tolles Erlebnis hat, wenn er mit uns in Berührung kommt. Wir glauben, dass Serviceexzellenz der entscheidende Faktor in den nächsten Jahren sein wird.

Außerdem – und das sage ich bewusst hier gegenüber den Lesern der Budapester Zeitung – wollen wir als deutsche Versicherung zur ersten Adres­se für hiesige deutschsprachige Kunden werden, sowohl im Privat- als auch im Firmenkundenbereich. Zu diesem Zweck haben wir auch eine entsprechende Infrastruktur und Produktpalette aufgebaut. Außerdem haben wir einen German Desk, der von unserer erfahrenen Beraterin Janine Odzuck geleitet wird und sich speziell mit der Betreuung von deutschsprachigen Kunden beschäftigt.

Schreibe einen Kommentar

Weitere Artikel