Das traditionsreiche Geldinstitut könnte in der Zukunft in einer ungarischen Bankholding aufgehen. (Foto: MKB.hu)

Interview mit dem Vorstandsvorsitzenden der MKB Bank, Ádám Balog

Von der positiven Null und harten Nüssen

Als Vizepräsident der Notenbank sorgte Ádám Balog für einen neuen Kurs in der ungarischen Geldpolitik, bevor er zur Sanierung einer der größten Handelsbanken des Landes abgestellt wurde. Mit seiner Wachstumsprognose in Corona-Zeiten teilt er das kleine Lager der Optimisten. Im Interview lobt er das Moratorium, erzählt von Erfahrungen mit dem Home Office und erläutert seine Sicht der im Entstehen begriffenen Bankholding.

Man hört die unterschiedlichsten Zahlen, wie die einheimische Wirtschaft durch die Krise kommt. Was meinen Sie, halten wir tatsächlich noch den Wachstumskurs, oder müssen wir uns auf eine Rezession einstellen?

Die Prognosen weichen in der Tat ex­trem voneinander ab und verändern sich laufend. Wir sollten dabei nicht vergessen, dass wir keine prädestinierte Zukunft erraten, denn wir können diese Zukunft selbst gestalten. Denken wir nur daran, dass Prognosen Erwartungen generieren, die sich wiederum auf das aktuelle Wachstum auswirken. Selbstverständlich ist unsere Volkswirtschaft sehr stark von den Entwicklungen in der Weltwirtschaft abhängig, doch sind wir Ungarn dafür bekannt, am Ende für eine überraschende Wendung zu unseren Gunsten zu sorgen. Deswegen wage ich die Behauptung, dass wir letztlich weniger von einer Rezession beschädigt und mehr als andere vom anschließenden Wachstum profitieren werden. Dies zu erreichen verlangt allen Akteuren größte Professionalität und Konzentration ab.

MKB-CEO Ádám Balog: „Wir danken der EU für den enormen Know-how-Transfer und die vielen gewonnenen Erfahrungen.“ (Foto: MTI / Zsolt Szigetváry)

Bevor die Corona-Pandemie ihren Lauf nahm, redete alle Welt davon, dass eine neuerliche Rezession nach der tiefen Finanzkrise von 2008 unausweichlich ist. In diesem Zustand traf das Virus ein, das eine nie dagewesene Lage heraufbeschwor, mit sofortigen, extremen Auswirkungen auf die Psyche von Mensch und Gesellschaft. Die Politik musste gleichzeitig einen Notstand im Gesundheitswesen und in der Wirtschaft managen. Ich denke, die Fakten sprechen für das erfolgreiche Krisenmanagement der ungarischen Regierung auf beiden Gebieten. Für die Wirtschaft bedeutete dies unmittelbare Soforthilfen, aber auch das Streuen von Optimismus und Zuversicht, damit wir weiter an die Zukunft glauben. Ich halte beim Wachstum durchaus noch eine positive Null in diesem Jahr für machbar.

Wie wird sich die Corona-Krise auf die Rentabilität des Bankensektors auswirken?

An dieser Stelle denken viele reflexartig: „Nun macht euch doch bloß keine Sorgen wegen der Banken!“ Natürlich ist da auch was dran, doch sprechen gleich mehrere Faktoren für die Notwendigkeit einer gesunden Rendite der Geldinstitute. Zunächst einmal ist ein sicherer Bankenbetrieb relevant, damit die Einlagen nicht gefährdet werden. Für die Wirtschaftspolitik fungieren die Banken wie ein Transmissionsriemen der Finanzen von privaten Haushalten, Unternehmen, Staat und Ausland. Unrentabel wirtschaftende Banken können weniger Kredite ausreichen sowie Programme der Regierung und der Notenbank weniger effizient unterstützen. Die Profiterwartungen der Eigentümer werden in der Corona-Krise durch Vorgaben der Ungarischen Nationalbank (MNB) und der Europäischen Zentralbank (EZB) gedämpft, die sich zum Beispiel auf die Ausschüttung von Dividenden beziehen.

Die Einführung des Moratoriums für Kredittilgungen wurde überwiegend positiv aufgenommen. Was denken Sie, wie jene Unternehmen und Privatkunden, die sich für die Stundung entschieden, auf das Ende des Moratoriums zum Jahreswechsel vorbereitet werden sollten?

Lassen Sie mich zunächst betonen, dass ein Moratorium keinen Verzicht auf Forderungen bedeutet, sondern die Möglichkeit zu einem vorübergehenden Zahlungsaufschub, bevor die Tilgungen später fortgesetzt werden. Unter den Antworten, welche die Regierung auf die Corona-Krise gab, ist die Einführung des Moratoriums mit Abstand die wichtigste. Diese dargebotene Hilfestellung erreicht eine Dimension, wie alle anderen Maßnahmen und staatlichen Programme zusammengenommen. Die Situation stellte sich so dar, dass die Notstandslage den Erwerb von Einkommen flächendeckend unmöglich machte. Wer ohne Einnahmen bleibt, kann jedoch seine laufenden Ausgaben und Kredite nicht länger finanzieren. Über die offerierte Stundung von Krediten wurde den Unternehmen Geld belassen, was häufig ihren Fortbestand sicherte. Freilich gelangten infolgedessen auch die Banken nicht an ihr Geld. Hier half insbesondere die MNB mit Instrumenten zur Gewährleistung einer Sekundärliquidität aus. Übrigens haben bei unserer Bank 25-40 Prozent der privaten und gewerblichen Kunden die Möglichkeit des Moratoriums ausgeschlagen.

Hauptportal der MKB-Zentrale: Innerhalb von fünf Jahren erfolgreich saniert. (Foto: Wikipedia)

Wie sind die Erfahrungen Ihrer Bank mit dem Home Office?

Wir verfügen bei der MKB Bank über ein starkes, internationales Management, das ich im Laufe der vergangenen fünf Jahre jeweils aufgabenbezogen zusammengestellt habe. Da finden sich „unverzichtbare“ Bürokraten ebenso wie „besessene“ Bankiers und Experten mit einem enormen internationalen Erfahrungsschatz. Letztere drängten auf den Übergang zur Heimarbeit, denn sie selbst praktizieren diese Technik bereits seit Jahren erfolgreich – mitunter sogar über Kontinente hinweg. Das entsprechende System entwickeln wir in unserem Hause seit drei Jahren, die Corona-Krise hat diese Prozesse lediglich beschleunigt. Ungarische Mitarbeiter müssen das Home Office aber erst noch „erlernen“, denn spontan kommt den meisten in den Sinn, wer zu Hause bleibt, könne sich entspannt zurücklehnen. Management und Mitarbeiter mussten also den Kern der Sache verstehen: Wenn wir uns erfolgreich anpassen, kann Heimarbeit funktionieren, wenn nicht, dann wird es erhebliche Effizienzeinbußen geben. Wir haben es hier mit keinem Allheilmittel zu tun, sondern mit einer großen Chance, einer starken Option. In manchen Arbeitsbereichen lässt sich Home Office anwenden, in anderen nicht. Auf manche Mitarbeiter kann man sich verlassen, dass sie verantwortlich damit umgehen können, auf andere nicht. Die Pandemie nötigt uns diese Lösung förmlich auf, und bei der MKB Bank hat sich das neue System bewährt, weil wir viel in interne Schulungen und Weiterbildungen, aber auch Kontrollmechanismen investierten und nichts dem Zufall überließen.

Inmitten der Krise traten Sie vor die Presse mit der Auskunft, die Europäische Kommission betrachte die Sanierung der MKB Bank als abgeschlossen. Welche Hindernisse mussten Sie bis zu diesem Bescheid niederkämpfen?

Die Europäische Union ist eine harte Nuss. Aber genau aus diesem Grund sorgten wir mit dem erfolgreichen Abschluss des Sanierungsverfahrens für Schlagzeilen. In fünf mit harter Arbeit ausgefüllten Jahren bereinigten wir das Portfolio, schufen neue Strukturen, optimierten die Geschäftsabläufe, kehrten in die schwarzen Zahlen zurück und wagten den Börsengang. Die EU-Verpflichtungen lagen über all die Jahre wie ein schwerer Felsbrocken auf uns. Die systematischen und tiefschürfenden Konsultationen mit den zuständigen Stellen der Gemeinschaft haben die MKB wahrscheinlich zur am ehesten EU-kompatiblen Bank im heutigen Ungarn gemacht. Wir danken der EU für den enormen Know-how-Transfer und die vielen gewonnenen Erfahrungen. Es tat mitunter weh, aber es war ohne Frage lehrreich.

ÁDÁM BALOG ist verheiratet, Vater von vier Kindern und seit 2015 Generaldirektor bzw. Vorstandsvorsitzender der MKB Bank. Seine berufliche Laufbahn begann er 2002 als Controller bei GE Tungsram Lighting, von wo er zur Beratungsfirma PricewaterhouseCoopers wechselte. Im Frühjahr 2010 wurde er mit dem Amtsantritt der zweiten Orbán-Regierung zum Unterstaatssekretär für Steuerbelange im damaligen Volkswirtschaftsministerium berufen, das an den umfassenden Umbau des Steuersystems ging. Im März 2013 wurde er zum Vizepräsidenten der Ungarischen Nationalbank (MNB) ernannt, wo er für die Geldpolitik zuständig war und das Wachstumskreditprogramm auf den Weg brachte. Nach der Rückverstaatlichung der MKB Bank nahm die MNB die Eigentümerrechte wahr; MNB-Vizepräsident Balog wurde die Beaufsichtigung des Sanierungsprozesses angetragen. Nur wenige Monate später übernahm er die operative Geschäftsführung der angeschlagenen Handelsbank.

Die ebenfalls nur wenige Wochen alte Ankündigung der Magyar Bankholding als Fusion der Takarék-Gruppe mit MKB und Budapest Bank wird für eine Neuordnung des ungarischen Bankensektors sorgen.

Die drei Geldinstitute bedienen zusammen rund 1,9 Millionen Kunden, ihre kumulierte Bilanzsumme wird ungefähr 5.800 Mrd. Forint erreichen. Das sind für hiesige Verhältnisse bedeutende Zahlen, weshalb wir ein engeres Zusammengehen auf jeden Fall als große Chance begreifen. Nichtsdestotrotz müssen wir in allen Aspekten sehr behutsam vorgehen. Jede unüberlegte Erklärung in der Öffentlichkeit kann Schäden verursachen, ebenso ist aber auch Transparenz unabdingbar. Heute verfügen alle einheimischen Geldinstitute über ihre eigene Rolle, Kunden und Marktsegmente. Die in das Holding-Vorhaben einbezogenen Banken agieren derzeit noch als Konkurrenten. Wenn wir etwas Großes zustande bringen wollen, darf niemand den anderen seinen Willen aufdrücken wollen; der alleinige Antrieb sollte sein, so professionell wie irgend möglich vorzugehen.

Aus dem Ungarischen übertragen von Rainer Ackermann.

Das hier gekürzt wiedergegebene Interview von Balázs Tóth erschien ursprünglich Mitte Juli im konservativen Wochenblatt Figyelő.

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