Dank günstiger Rahmenbedingungen wird die 25 Hektar große Fabrik bis 2023 um 10 Hektar wachsen. Foto: OBO Bettermann

Gespräch mit Lajos Hernádi, Geschäftsführer der OBO Bettermann Hungary Kft.

Professionelle Zusammenarbeit mit der Regierung

Während andere Produktionsfirmen nur noch auf Sparflamme oder gar nicht mehr produzieren, sieht es bei der OBO Bettermann Hungary Kft. im Budapester Vorort Bugyi komplett anders aus: Zurzeit werden hier Überstunden gemacht und neue Mitarbeiter gesucht, um den Auftragsüberhang abzuarbeiten. Wir unterhielten uns mit Geschäftsführer Lajos Hernádi über die Gründe für diese erfreuliche Situation.

Auf welchem Niveau befindet sich momentan Ihre Produktion im Vergleich zu dem vor der Krise?

Auf einem sehr guten. Im Vergleich zu den Monaten vor der Krise liegen wir sogar darüber. Daran wird sich auch so schnell nichts ändern: selbst seit dem Ausbruch der Corona-Krise gehen bei uns noch permanent neue Aufträge ein.

Sie haben durch die Corona-Krise bisher also noch keinerlei Delle zu verzeichnen?

Nicht im Geringsten. Wir fahren sogar Überstunden. Außer an Ostern wurde bei uns sogar jedes Wochenende gearbeitet.

Wie kommt das?

In den letzten drei bis vier Monaten hat sich bei uns ein Auftragsüberhang ergeben. Diesen können wir jetzt aber langsam und sicher wieder abarbeiten.

Wie sieht Ihre Zulieferer- und Mitarbeitersituation aus?

Der überwiegende Anteil unserer Mitarbeiter wohnt vor Ort und hat keinerlei Probleme, zur Arbeit zu erscheinen. Wir verfügen über ein solides Zulieferernetz. Hilfreich ist auch, dass wir stets einen soliden Lagerbestand vorhalten.

Also kein Just-in-time oder nur noch auf das allernotwendigste reduzierte Lagerbestände?

Richtig. Bei OBO Bettermann haben die Läger überall auf der Welt einen Umfang, bei dem die Produktion nicht gleich stillsteht, wenn es mal Verzögerungen beim Nachschub gibt.

Und was ist mit Ihren fernöstlichen Zulieferern?

Wir haben nur eine Handvoll Zulieferer in Fernost. Aber selbst die sind bisher auch weiterhin in der Lage, uns zu beliefern. Unsere Hauptlieferanten sitzen allerdings in Europa und in Russland. Alles in allem ist unser Zuliefererportfolio sehr übersichtlich. Wir waren schon immer bestrebt, uns von riskanten Lösungen fernzuhalten.

Wie laufen die Lieferungen innerhalb von Europa?

Gelegentlich kommt es vor, dass die Logistik geringfügig ins Stocken kommt. Das bringt uns aber nicht aus dem Schritt, da wir dann immer auf unsere Bestände zurückgreifen können.

Eine größere Lagerhaltung verursacht zusätzliche Kosten …

… ja, aber Kosten, mit denen wir unsere Produktionssicherheit erhöhen. Dieser Kurs scheint sich auch jetzt wieder zu bewähren. Wir sind natürlich auch sparsam, aber wir sparen nicht an der falschen Stelle. Das gehört auch zu den festen Vorgaben unseres Inhabers Ulrich Bettermann.

Geschäftsführer Lajos Hernádi: „Wir sparen nicht an der falschen Stelle.“ (Foto: OBO Bettermann)

Sparen können wir jetzt auch, nämlich Zeit, indem ich all die vorbereiteten Fragen bezüglich Entlassungen und Kurzarbeit überspringe. – Hat die Krise bisher bei Ihnen überhaupt keine Spuren hinterlassen?

Doch schon, natürlich ist sie auch an uns nicht spurlos vorübergegangen. Bereits am 20. Februar haben wir die ersten Gegenmaßnahmen eingeleitet. Unter anderem haben wir für unsere Mitarbeiter ein sehr rigoroses Dienstreiseverbot ausgesprochen, ab Ende Februar waren überhaupt keine Reisen mehr möglich. Ab Anfang März haben wir den Zutritt zu unserer Firma etwa durch Fahrer oder externe Dienstleister massiv beschränkt. Externe Kräfte, die unser Gelände unbedingt betreten mussten, mussten alle konsequent Masken tragen. Regelmäßig wurde und wird ihre Temperatur gemessen.

Und wie sind Sie mit Ihren Mitarbeitern umgegangen?

Sehr flexibel und offen für deren Sorgen und Nöte. Etwa gegenüber älteren Mitarbeitern oder Mitarbeitern, die zusammen mit ihren Eltern leben. Wir haben dann sehr einfühlsam und verständnisvoll reagiert und gemeinsam mit ihnen individuelle Lösungen erarbeitet. Wenn Mitarbeiter am Anfang dieser Zeit privat im Ausland waren, dann haben wir sie freundlich gebeten, sich zwei Wochen lang Urlaub zu nehmen und zu Hause zu bleiben. Damit wollten wir die anderen Mitarbeiter schützen. Außerdem haben wir flexible Arbeitszeitmodelle entwickelt, bei denen die einen von 5 bis 12 Uhr arbeiten und die anderen von 13 bis 20 Uhr. Das war vorher nicht möglich. Jetzt haben wir das ganze Zeitfenster für die Mitarbeiter freigeschaltet. Die wenigen Mitarbeiter, die uns trotz allem fehlen, können wir bisher recht gut durch Überstunden ersetzen. Ich glaube, unser Kurs kommt bei den Mitarbeitern gut an. Auf jeden Fall sprechen die vielen Dankesbriefe unserer Mitarbeiter eine deutliche Sprache. Auf die Motivation wirkt sich auch positiv aus, dass unsere Mitarbeiter angesichts von grassierenden Entlassungen bei anderen Firmen den Wert der sicheren Arbeitsplätze bei uns jetzt noch mehr als früher zu schätzen wissen.

Jetzt ist sicher auch ein guter Zeitpunkt, um nach neuen Mitarbeitern Ausschau zu halten.

Genau das tun wir jetzt tatsächlich. Es war noch nie so leicht wie jetzt, gute Mitarbeiter zu finden. Wir machen von dieser Möglichkeit ausgiebig Gebrauch.

Was mit Blick auf die geplante Großinvestition sicher ein Segen sein dürfte! Wie steht es derzeit um diese Investition?

Wir werden in den kommenden Jahren auf einem zusätzlichen Gelände direkt neben unserem bisherigen Firmengelände in mehreren Phasen in unsere Fertigung und Logistik investieren. Dabei werden wir auch Technologien ansiedeln, die es innerhalb unserer Unternehmensgruppe bislang noch nicht gibt. Außerdem werden wir ein Testzentrum für Forschung und Entwicklung errichten.

Ihr erster Schritt in Richtung F & E?

Nein, schon jetzt arbeiten bei uns knapp 40 Ingenieure. Was wir aber jetzt vorhaben, geht weit darüber hinaus. Wir versprechen uns davon Quantensprünge in der Entwicklung. Dabei werden wir in Zukunft auch mit ungarischen Universitäten zusammenarbeiten.

Warum wird es diese Investition in Ungarn geben und nicht etwa am Standort Ihrer deutschen Mutterfirma in Menden?

Zunächst einmal, weil einige Investitionen sehr gut zu den bereits vorhandenen Fertigungsprozessen passen. Bei unserer Investitionsentscheidung zu Gunsten von Ungarn hat aber natürlich auch das hiesige wirtschaftsfreundliche Umfeld eine wichtige Rolle gespielt.

Das ist besser als in Deutschland?

Deutlich besser! Neben einer proaktiven, unterstützenden Regierungspolitik spielen auch die attraktiven Energiepreise eine wichtige Rolle. Laut meinen Vorstandskollegen ist Deutschland unverändert dabei, sich mit Gesetzen und Verordnungen zu blockieren. Schon jetzt hat sich dort die Zeitdauer für Genehmigungsverfahren für Investitionen in der Industrie gegenüber früheren Jahren nahezu verfünffacht.

Wann wird es den ersten Spatenstich geben?

Im April konnten wir mit der Regierung die vorbereitende Abstimmung abschließen. Wir hoffen jetzt, dass wir innerhalb von drei bis vier Monaten mit dem Grundstückskauf durch sind. Nach etwa weiteren sechs Monaten werden wir dann mit dem Bauen beginnen. Das ist eine enorme Beschleunigung gegenüber unserem vorherigen Grundstückskauf.

Wie lange hatte es damals gedauert?

Zweieinhalb Jahre zwischen Grundstückserwerb und den ersten Baumaßnahmen. Im Rahmen des nun vorliegenden Regierungsbeschlusses und der Regierungsverordnung wird sich diese Zeitspanne auf ein Fünftel, also auf etwa ein halbes Jahr reduzieren. Die staatliche Unterstützung bezieht sich sowohl auf den Grundstückskauf inklusive der Umwidmung des Geländes in Bauland bis hin zu den nachgeschalteten Schritten wie der Erteilung notwendiger Genehmigungen.

Die Verordnung über die staatliche Unterstützung erschien im gleichen Amtsblatt wie die Unterstützung des Staates für Samsung in Göd. Steht auch Ihre Unterstützung im Kontext der Maßnahmen des Staates, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise abzumildern?

Nein, die uns gewährte Unterstützung hat mit der Corona-Krise nichts zu tun. Wir haben bereits im vergangenen Herbst mit den zuständigen Regierungsstellen die Gespräche begonnen. Dass die Gespräche ausgerechnet jetzt inmitten der Krise abgeschlossen wurden, ist reiner Zufall. Dass die individuelle Unterstützung einer Firma mittels einer Regierungsverordnung Gesetzeskraft erlangt, entspricht einer schon seit Jahren üblichen Praxis.

Müssen Sie die gleichen gesetzlichen Bedingungen erfüllen, als hätte OBO Bettermann keine Unterstützung in Form dieser Regierungsverordnung?

Absolut die gleichen. Wir müssen alle Auflagen erfüllen, die wir ohne diese Unterstützung erfüllen müssten. Sie sind völlig identisch. Der große Vorteil dieser Lösung besteht lediglich darin, dass die einzelnen technischen Fristen etwa für die Erteilung einer Baugenehmigung deutlich reduziert wurden. Im Übrigen kann sich jedes Unternehmen für diesen besonderen Status bewerben, den wir jetzt erhalten haben, wenn die Voraussetzungen wie Investitionsgröße, Zahl der neuen Arbeitsplätze etc. erfüllt werden.

Gelten für das Projekt auch die gleichen Umweltauflagen?

Ja, fast sogar noch strengere, weil unser, von der Regierung gefördertes Projekt natürlich mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird. Wir werden also höchsten Wert darauf legen, sämtliche Auflagen genau zu erfüllen. So werden wir beispielsweise als Ausgleich zu der – übrigens ohnehin bereits vor unserer Zeit weitgehend gerodeten – 10 Hektar großen Waldfläche eine andere Fläche in unserer Region neu aufforsten. So ist es vom Gesetz vorgeschrieben. Momentan beträgt die Grundfläche unserer Firma übrigens rund 25 Hektar.

Wie wichtig war die Unterstützung der Regierung für die geplante Investition?

Ohne die Unterstützung der Regierung hätten wir gar keine Möglichkeit gehabt, uns zu erweitern, weil um uns herum nur staatliches Land zu finden ist. Die geplante Investition besteht aus drei Modulen. Welches davon wann umgesetzt wird, wird noch verhandelt. Wenn alles so läuft, wie wir es gerne hätten, dann werden in Bugyi in den kommenden drei Jahren rund 200 neue Arbeitsplätze und neue hochmoderne Entwicklungskapazitäten geschaffen. Die Zusammenarbeit mit den zuständigen Regierungsstellen war übrigens sehr professionell und ergebnisorientiert.

Momentan haben Sie prall gefüllte Auftragsbücher. Machen Sie sich keine Sorge um die zukünftige Auftragslage?

Doch schon. So haben beispielsweise OBO-Vertriebsgesellschaften in Frankreich, Spanien und Italien bereits Pausen von einigen Wochen einlegen müssen. In diesen Ländern gibt es also, was die Auftragslage angeht, eindeutig eine Delle, die vielleicht auch noch woanders kommen wird. Sollte es auch bei uns zu einer solchen Delle kommen, dann werden wir diese nutzen, um uns auf die nächste Konjunkturphase vorzubereiten.
Die, die jetzt mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen stehen und sich richtig vorbereiten, werden dann liefern können, wenn die Nachfrage wieder ansteigt. Wir werden definitiv dazu zählen.
Prinzipiell hat unsere Lagerhaltung von Endprodukten aber noch deutlich Luft nach oben. Bis jetzt brauchen wir davon allerdings noch keinen Gebrauch machen. Noch kommt ein Großauftrag nach dem anderen rein, sogar wieder aus China, wo große Fabriken im Entstehen sind. Punktuell werden wir uns aber an eine sich verändernde Welt anpassen. Dabei ist es natürlich ausschlaggebend, zu erkennen, welche Veränderungen sich abzeichnen. Wir versuchen uns so flexibel aufzustellen, dass wir in viele Richtungen reagieren können.

Könnte das auch zu neuen Produktlinien führen oder zum Erschließen neuer Märkte?

Das können wir nicht ausschließen. Wir halten auch die Augen bezüglich möglicher Akquisitionen offen. Es kann ja auch durchaus sein, dass der eine oder andere Mitbewerber im Zuge der Krise schwächelt oder sogar vor dem Konkurs steht. Sollte etwas Interessantes auftauchen, das zu uns passt, dann werden wir aktiv.

Insgesamt blickt OBO Bettermann und speziell Ihre Firma hier in Ungarn also eher positiv in Zukunft?

Ganz bestimmt. Gleichzeitig sind wir aber auch nicht blind gegenüber möglichen Risiken. Uns ist schon klar, dass höchstwahrscheinlich auch bei uns eine gewisse Delle kommen wird. Aber wir rechnen damit, dass sie nicht sehr tief sein wird und wir die Zeit dann sehr gut anderweitig nutzen können. Etwa um die Mitarbeiter auszubilden, die später in unseren neuen Fertigungsanlagen tätig sein werden.

Wann rechnen Sie mit der Eröffnung Ihrer neuen Investition?

Die Endausbaustufe wird aller Voraussicht nach in drei Jahren erreicht sein, also 2023. Die drei Module werden schrittweise fertiggestellt und bis dahin nacheinander ihre Produktion aufnehmen.

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