Einer von 20 ungarischen Praktiker-Märkten. (Foto: Praktiker Kft.)

Gespräch mit Karl-Heinz Keth, Geschäftsführer der Praktiker Kft.

Weiteres Rekordjahr in Aussicht

Die Corona-Krise konnte dem Wachstum der ungarischen Baumarktkette Praktiker bisher überraschenderweise nicht viel anhaben. Wir unterhielten uns mit Geschäftsführer und Mit-Inhaber Karl-Heinz Keth über die Gründe dafür.

Wie wurde Praktiker bisher von der Corona-Krise berührt?

Das laufende Jahr hatte für uns sehr gut begonnen. Mitte März verfügte die Regierung dann im Zuge der Krise, dass wir nur noch bis 15 Uhr geöffnet sein dürfen, also fünf Stunden weniger als gewöhnlich.

Zu welchen Umsatzeinbußen führte das?

Überraschenderweise erst einmal zu gar keinen. Wir machten diesen März in etwa den gleichen Umsatz wie im März 2019. Unsere Mitarbeiter leisteten einen hervorragenden Job bei der Bedienung der auf weniger Stunden konzentrierten Kunden.

Es dürfte in dieser Zeit recht eng zugegangen sein in Ihren Märkten.

Ja, durchaus. Deswegen habe ich die Verkürzung der Öffnungszeiten auch nicht so ganz verstanden. Im Interesse von „social distancing“ hätte man die Öffnungszeiten eher verlängern sollen. Immerhin konnten wir die fünf Stunden zusätzlicher Schließzeit gut verwenden, um alle unsere Märkte rasch bezüglich Corona-Sicherheit umzugestalten, also die Kassen und Infoschalter mit Plexiglas zu versehen und so weiter. All diese Maßnahmen haben sich letztlich ausgezahlt. Bis heute hatten wir keinen einzigen, uns bekannten Corona-Fall, weder unter unseren Mitarbeitern noch unter unseren Kunden, immerhin 15.000 pro Tag!

Wie hat sich die Lage im April gestaltet?

In diesem Monat ging die Nachfrage wieder leicht zurück. Vielleicht weil sich die anfängliche Unruhe bei den Käufern – Stichwort: Hamsterkäufe beziehungsweise Sicherheitsbevorratung – etwas gelegt hat. Vielleicht war auch das ungünstige Wetter daran Schuld. Insgesamt lagen wir im April aber nur knapp unter den Vorjahresergebnissen.

Karl-Heinz Keth, Mit-Inhaber und Geschäftsführer der Praktiker Kft.: „Es war natürlich sehr hilfreich, dass der Staat beim Schutz seiner Bürger mit Augenmaß und völlig angemessen gehandelt hat.” (Foto: Praktiker)

Wann konnten Sie wieder zum normalen Öffnungsmodus zurückkehren?

Mitte Mai. Wobei unsere Märkte außerhalb von Budapest eine Woche vor unseren Budapester Märkten in den Normalbetrieb zurückkehren konnten. Im Mai hatten wir mit einem Mal Zuwächse im zweistelligen Bereich. Möglicherweise deswegen, weil wegen ausgebliebener und noch ausbleibender Urlaube mehr Kaufkraft und Zeit vorhanden war. Es kann aber auch psychologische Gründe gehabt haben. Schließlich suggerierten die Lockerungen, dass das Schlimmste überstanden war. So machten sich die Menschen jetzt wieder stärker an die Zukunftsplanung und damit auch an die Verschönerung von Wohnung und Garten.

Setzte sich dieses dynamische Wachstum im Juni fort?

Nein, es flachte wieder etwas ab. Der diesjährige Juni liegt etwas unter dem Juni 2019. Das hat aber weniger etwas mit der Corona-Situation zu tun als mit den Temperaturen. Im letzten Jahr hat wir einen ungewöhnlich heißen Juni, was sich natürlich positiv auf unseren Absatz von Klimaanlagen, Ventilatoren und Pool-Ausrüstungen auswirkte.

Wie hat sich in den Corona-Monaten Ihr Online-Geschäft entwickelt?

Überraschenderweise hat sich sein Anteil am Gesamtgeschäft kaum verändert. So wie im vergangenen Jahr lag er auch jetzt bei etwa 10 Prozent. Lediglich im März gab es einen geringfügigen Anstieg unseres Online-Anteils.

Woanders boomten die Webshops in dieser Zeit. Warum nicht auch bei Ihnen?

An unserer Werbung lag es zumindest nicht. Wir haben unsere Webshop-Möglichkeit sofort massiv kommuniziert. Vielleicht lag es daran, dass der Zeitfaktor für die Kunden plötzlich keine so große Rolle mehr spielte. Viele waren zu Hause und hatten jetzt mehr Zeit, persönlich bei uns vorbeizukommen. Bei den vielen geschlossenen sonstigen Freizeitmöglichkeiten wurde ein Einkauf bei uns von vielen Kunden vielleicht auch als willkommener Anlass betrachtet, einmal den heimischen vier Wänden zu entfliehen. Die Zurückhaltung bei Online kann schließlich auch damit etwas zu tun haben, dass unser Lieferservice nicht kostenfrei ist, wie bei etlichen anderen Webshops. In einer Zeit, in der eine gewisse Verunsicherung bezüglich der Zukunft herrscht, halten die Kunden ihr Geld lieber zusammen. Da spielen schon einige Tausend Forint, die man spart, wenn man die Ware bei uns selbst abholt, eine Rolle. Sehr viele unserer Produkte sind außerdem so beschaffen, dass man sie vor dem Kauf gerne einmal in die Hand nimmt, befühlt und betrachtet. Oder sich dazu von unserem Verkaufspersonal beraten lässt.

„Mit unserem Sortiment wollen wir zunehmend Kunden mit höheren Ansprüchen und einer entsprechend höheren Zahlungsbereitschaft ansprechen.“ (Foto: Praktiker Kft.)

Wie sah es bei Ihnen mit der Warenversorgung aus?

Wir beziehen nur rund ein Fünftel unseres Sortiments aus dem Ausland. Hier gab es ganz am Anfang wegen der Situation an den Grenzen gewisse Engpässe, weil einige unserer Zulieferer nicht beliefert wurden. Bis Mitte April hatte sich die Lage aber schon wieder weitgehend normalisiert. Selbst bei Hygieneartikeln wie Schutzmasken und Desinfektionsmitteln konnten wir unsere Kunden mit gefüllten Regalen erwarten. Da man Masken auch beim Bauen benutzt, hatten wir bereits ausgebaute Kontakte zu zuverlässigen Anbietern. So konnten wir trotz der Nachfrageexplosion rasch Schutzmasken zu guten Preise einkaufen und unseren Kunden zu vergleichsweise günstigen Preisen bei uns anbieten.

Wie sehen Sie die drei Corona-Monate rückblickend?

Es war natürlich sehr hilfreich, dass der Staat beim Schutz seiner Bürger mit Augenmaß und völlig angemessen gehandelt hat. Hätte die Regierung stattdessen die komplette Schließung aller Einzelhandelsgeschäfte – außer Lebensmittelläden und Apotheken – verfügt, dann hätten wir ein großes Problem bekommen. So aber sind corona-bedingte Kurzarbeit oder gar Entlassungen kein Thema bei uns. Wir konnten in letzter Zeit sogar einige neue Mitarbeiter einstellen.

Ist Praktiker von der neuen Einzelhandelssteuer betroffen?

Ja, so wie alle anderen Handelsgesellschaften auch. Sie beträgt 0,4 Prozent auf den aktuellen Umsatz, also nicht auf den Ertrag.

Ist die Steuer befristet?

Leider nein. Angeblich soll sie drei bis vier Jahre bleiben. Verlässliche offizielle Angaben gibt es meines Wissens derzeit jedoch noch nicht dazu. Wenn sich unsere Umsätze weiterhin stabilisieren, dann können wir die Steuer gut wegstecken. Ansonsten könnte es problematisch werden.

Haben Sie schon eine Prognose für 2020?

Ich gehe derzeit davon aus, dass wir die Zahlen aus dem Vorjahr erreichen werden. Vielleicht können wir sogar – wenn die jetzige Tendenz anhält und nicht noch irgendetwas dazwischenkommt – die Zahlen von 2019 übertreffen und wieder ein Rekordergebnis vorlegen. So wie übrigens jedes Jahr seit dem Eigentümerwechsel bei uns, also seit 2016 und seit ich mit 20 Prozent zu den Eigentümern der Praktiker Kft. gehöre.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Mehrheitsgesellschaftern?

Nach wie vor sehr harmonisch. Ich kann fast völlig frei arbeiten. Das ist natürlich von unschätzbarem Wert, wenn man als Geschäftsführer bestimmen kann, was gemacht wird. So sind wir bei der Praktiker Kft. in der Lage, sehr rasch Entscheidungen zu treffen. Es gibt keine langwierigen Entscheidungswege. Das ist ein riesiger Wettbewerbsvorteil für uns.

Haben Sie sich ein Zeitlimit für Ihre operative Tätigkeit an der Spitze der Praktiker Kft. gesetzt?

Mir macht meine Arbeit großen Spaß. Ich liebe meinen Job und die Firma. Immerhin bin ich jetzt schon 36 Jahre bei Praktiker, davon 22 Jahre in Ungarn. Aber klar, irgendwann wird natürlich der Zeitpunkt kommen, an dem ich mich aus dem operativen Geschäft zurück­ziehen werde. Aber noch ist das kein Thema bei mir. Wenn es einmal so weit sein sollte, dann sind Sie der Erste, den ich bezüglich eines Abschiedsinterviews anrufen werde (lacht).

Noch immer zieht es etwa 90 Prozent der Praktiker-­Kunden eher in einen der Baumärkte, als in den Praktiker­Webshop.

Was sind momentan neben Corona Ihre Themen bei Praktiker?

Wir werden weiterhin unser Sortiment kritisch untersuchen und mit Blick auf ein verändertes Kaufverhalten oder Änderungen bei der Nachfrage nach bestimmten Produkten gewisse Anpassungen vornehmen. Sicher ist, dass beispielsweise das Thema Hygiene einen höheren Stellenwert bekommen wird. Mit unserem Sortiment wollen wir auch zunehmend Kunden mit höheren Ansprüchen und einer entsprechend höheren Zahlungsbereitschaft ansprechen. Natürlich brauchen wir dafür einen entsprechenden Beratungsservice vor Ort. Auch deswegen haben wir in allen unseren 20 Märkten das Personal erhöht.

Woran arbeiten Sie derzeit noch?

Ich möchte die Unternehmenskultur weiter ändern. Die Entscheidungsfindung und Problemlösung sollen noch dezentraler und vor allem basisnäher erfolgen. Ich möchte, dass alle betroffenen Mitarbeiter noch mehr eingebunden werden. Das erhöht die Qualität und Geschwindigkeit der Entscheidungsfindung, aber natürlich auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Das schlägt sich wiederum in einer geringeren Fluktuation nieder. Das Wichtigste ist, dass die Leute an das Unternehmen glauben und gerne bei uns arbeiten. Wenn dem so ist, dann verkaufen sie auch gern. Das eine bedingt das andere.

Natürlich brauchen wir gute Waren zu guten Preisen. Und natürlich müssen wir von Zeit zu Zeit auch Werbung machen. Das Wichtigste aber ist die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter, die das Unternehmen letztlich tragen. In dieser Hinsicht war es außerordentlich wichtig, dass ich ihnen sofort zu Beginn der Krise eindeutig erklärt habe, dass sie sich keine Sorgen um ihren Arbeitsplatz machen müssen und dass es weitergeht. Ich habe keinen Zweifel daran gelassen, dass wir gemeinsam auch diese Krise meistern werden.

Bei Ihrer Überzeugungsarbeit dürften Ihnen sicher die Erfahrungen geholfen haben, die Sie im Zusammenhang mit der Krise Ihres Unternehmens nach der Pleite von Praktiker Deutschland 2013 sammeln konnten.

Ganz sicher! Die damalige Rosskur hat uns garantiert gestärkt. Damals stand unsere Weiterexistenz wirklich auf der Kippe. Dass wir das durchgestanden haben, hat sicher dazu beigetragen, dass wir jetzt vergleichsweise gelassen durch die Krise gegangen sind und nicht sonderlich nervös wurden. Die Mitarbeiter, die schon länger mit mir arbeiten, wissen zudem – jetzt einmal etwas zugespitzt: „Solange der Alte da oben sitzt, wird sich schon alles regeln.“ Auch so eine Überzeugung stärkt natürlich die Zuversicht. Wenngleich ich meinen Leuten natürlich bei jeder Gelegenheit klarmache, dass es vom Einsatz eines jeden Mitarbeiters abhängt, ob und wie schnell wir eine Herausforderung meistern.

Ich habe übrigens höchsten Respekt vor den Mitarbeitern in unseren Märkten, die derzeit noch immer den ganzen Tag unter einer Maske arbeiten müssen. Mein größter Wunsch ist, dass die entsprechende Vorschrift bald entfällt und meine Leute wieder normal atmen können.

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