Ulrich Bettermann in seinem Büro im ungarischen Bugyi, dem wichtigsten Produktionsstandort seiner weltweit agierenden Holding. Fotos: BZT/ Jan Mainka

Gespräch mit Ulrich Bettermann, Präsident der OBO Bettermann Holding

„Wir investieren weiter in Ungarn“

Wir treffen Ulrich Bettermann in seinem geräumigen Eckbüro im Genscher-Forum der OBO Bettermann Hungary Kft. in Bugyi, einem kleinen Ort südöstlich von Budapest. Überall in seinem Büro gibt es Hinweise auf die fünf wichtigsten Leidenschaften des Unternehmers: Familie, Firma, Fliegen, Politik und Jagd.

Diese fünf großen Leidenschaften sind bei ihm so präsent, dass – egal bei welchen der fünf Themen man mit ihm eine Unterhaltung beginnt – früher oder später auch die anderen vier zur Sprache kommen, so verwoben sind sie miteinander.

Lange zurückreichende Bekanntschaft mit Merz

Da am Vortag unseres Gesprächs gerade in Deutschland die Koalitionsvereinbarung von Union und SPD vorgelegt wurde, beginnen wir mit dem Thema Politik, speziell mit Friedrich Merz, mit dem Bettermann bereits seit rund dreißig Jahren bekannt ist. Die Verbindung der beiden kam über die Fliegerei zustande. Merz ist nicht nur, so wie der aus Menden stammende Bettermann ein Sauerländer, sondern gleichfalls ein Hobbyflieger. Als Heimatflughafen für seine jeweilige Kleinmaschine entschied sich Merz für den Flughafen Arnsberg-Menden, also ausgerechnet für den Flughafen, der sich im Besitz von OBO Bettermann befindet.

Die ersten persönlichen Eindrücke von Merz, an die sich Bettermann erinnern kann, waren nicht die besten: „Er fiel den Leuten oft ins Wort“, erinnert er sich. „Er ließ sie nicht aussprechen. Das ist eine schlechte Eigenschaft, so etwas gehört sich nicht.“ Sogleich erkennt er aber auch an: „Heute macht er das nicht mehr.“ Er sei bedächtiger geworden und nicht mehr so arrogant wie früher. „Er wird als Kanzler sicher Tag und Nacht daran arbeiten, das Schiff wieder auf Kurs zu bringen“, hofft Bettermann. „Ich schätze, es wird so etwa drei Jahre dauern, bis Deutschland wieder auf dem Stand ist wie zu Beginn der Kanzlerschaft von Scholz. So tief sitzen wir in Deutschland in der Patsche!“ Leider habe Scholz nicht geführt. „So sind wir in diese Misere gekommen.“

Oder besser: so wurde die von Vorgängerin Merkel geschaffene Misere (Stichworte: Energiewende und Migrationskrise) noch weiter vertieft. Ebenso wie an Scholz, lässt Bettermann auch an Merkel kaum ein gutes Haar. Er könne es nicht verstehen, dass es die CDU unter der Führung des von ihm inzwischen durchaus geschätzten Merz bis heute unterlassen hat, einen Schlussstrich unter die Ära Merkel zu ziehen und sich von ihr und ihren vielen Fehlentscheidungen klar zu distanzieren.

Große Sympathien für Schröder und Genscher

Um endlich auf einen Kanzler zu treffen, der Bettermanns Sympathie genießt, muss man noch eine Kanzlerschaft weiter zurückgehen, nämlich bis zu Gerhard Schröder, mit dem er damals wie heute freundschaftlich verbunden ist. „Als einziger deutscher Bundeskanzler hatte Schröder die Steuern für die Industrie gesenkt“, schwärmt der Unternehmer. Positiv erwähnt er weiterhin die Agenda 2010, von der dessen Nachfolgerin ganz wesentlich profitiert habe. Ein weiterer Politiker, mit dem ihn eine langjährige Freundschaft verband, ist der FDP-Politiker und weltweit anerkannte deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher. Dieser war 2013 sogar einmal bei einem Firmenjubiläum zu Gast in Bugyi. 2017 wurde ein neu errichtetes Gebäude, in dem heute u.a. die Geschäftsleitung untergebracht ist, im Beisein seiner Witwe in Genscher-Forum benannt. Im Foyer dieses Gebäudes erinnert außerdem eine Büste an diesen Ausnahmepolitiker.

An den Wänden des Büros hängen zahlreiche Fotos, die Bettermann zusammen mit weiteren großen deutschen und ausländischen Politikern zeigen. Gemeinsam mit dem langjährigen CSU-Chef Franz-Josef Strauß, mit dem er immer wieder mal auch zusammen geflogen ist, ist er auf einer Aufnahme vor einem Kleinflugzeug zu sehen. Auf einer anderen steht er neben dem ehemaligen sowjetischen Staats- und Parteichef Michael Gorbatschow, der 1993 zusammen mit Genscher und dem großen US-Außenpolitiker Henry Kissinger Gast des von Bettermann initiierten Mendener Forums war. Fast wäre Gorbatschow auch noch nach Bugyi gekommen, diesen Plan machten dann aber Krankheit und Tod zunichte. Aus der neueren Zeit stammt unter anderem ein Foto, das ihn und Christoph, einen seiner drei Söhne, zusammen mit Ministerpräsident Viktor Orbán und Staatspräsidentin a.D. Katalin Novák zeigt. Auch mit anderen ungarischen Spitzenpolitikern, allen voran dem Wirtschaftsprofi Mihály Varga und dem Chefdiplomaten Péter Szijjártó ist Bettermann persönlich bekannt.

Erklärung für das Baerbock Habeck-Phänomen

Bei so vielen würdigen und angesehenen Profipolitikern, die Bettermann bisher kennen lernen konnte, drängt sich einem die Frage danach auf, was in Deutschland passiert ist, dass plötzlich komplett aus der Reihe fallende Politiker wie Baerbock oder Habeck in der großen Politik mitmischen konnten.

Als einen möglichen Erklärungsansatz kommt Bettermann sofort auf die Rolle der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu sprechen, den „Rot-grün-Funk“, wie er ihn auch nennt. „Dort haben die Grünen immer eine wirkungsvolle, unterstützende Plattform bekommen.“ Man könne sich gar nicht vorstellen, wie sehr diese Sendeanstalten inzwischen rot-grün durchsetzt sind. „Das wird auch ein großes Problem für Friedrich Merz“, ist er sich sicher. Eine Reform des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks hält er für nicht sehr erfolgversprechend. Sein klarer Vorschlag lautet stattdessen: „Er sollte einfach privatisiert werden.“

Zusammen mit Lajos Hernádi, dem Geschäftsführer der OBO Bettermann Hungary Kft.

Ein Ende des Krieges …

Neben der wirtschaftspolitischen ist Bettermann natürlich auch von der außenpolitischen Bilanz der Ampel, insbesondere was die Anstrengungen zur Beendigung des russisch-ukrainischen Kriegs betrifft, nicht gerade angetan. „Wenn es noch einen Genscher gäbe, dann wären wir jetzt in einer ganz anderen Situation, der hätte unermüdlich versucht, alle betroffenen Seiten an den Tisch zu bringen“, ist er sich sicher. Immerhin gibt ihm der zum Zeitpunkt des Interviews als neuer Außenminister gehandelte CDU-Politiker Johann Wadephul Anlass für vorsichtigen Optimismus. „Ich gehe davon aus, dass der neue deutsche Außenminister eher ein Gesprächspartner für Lawrow sein wird, als es Baerbock je war.“

Sollte Putin, den Bettermann übrigens auch persönlich kennt, die erste Hand ausstrecken, dann könnte das eine Dynamik auslösen, die hin zum Frieden führt. Noch sei es aber nicht so weit. „Es wird noch seine Zeit dauern, bis sich das Verhältnis wieder versachlicht.“ Dass sich das deutsch-russische Verhältnis wieder normalisieren wird, ist für ihn also nur eine Frage der Zeit. Ja mehr noch: „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir in absehbarer Zeit auch in Deutschland wieder ganz offiziell Gas aus Russland beziehen werden.“

Was den weiteren Verlauf des Krieges betrifft, so setzt er keine besonders große Hoffnung auf irgendwelche extern herangetragenen Friedenspläne, sondern ganz nüchtern darauf, dass beide Länder einmal einen Grad an Kriegsmüdigkeit erreicht haben, der sie an den Verhandlungstisch bringen wird. „Selbst die Leidensfähigkeit des russischen Volkes ist begrenzt.“

OBO Bettermann

• gegründet 1911 von Franz Bettermann, dem Großvater von Ulrich Bettermann
• Herstellung von 30.000 verschiedenen Produkten (davon rund 15.000 in Ungarn) für die elektronische Infrastruktur, verteilt auf drei Installationsbereiche: Industrie-, Gebäude und Schutzinstallationen
• vertreten in 60 Ländern mit 8 Produktionsstandorten, 40 Tochtergesellschaften und 36 Vertretungen
• weltweit insgesamt 4.200 Mitarbeiter (davon rund 1.300 in Ungarn)
• Gesamtumsatz (2024) rund 1 Milliarde Euro

OBO Bettermann auf beiden Seiten der Front

Wenn sich Bettermann zum Krieg äußert, dann nicht so wie die meisten von uns auf Grund von mehr oder weniger korrekten Medienberichten, sondern auch auf Grund von Informationen aus erster Hand. So unter anderem von OBO Bettermann-Kollegen in Kiew und im russischen Lipezk. Beide Firmen sind bereits hautnah mit dem Krieg in Berührung gekommen. So wurde die Firma in Kiew vor zwei Jahren von zwei Raketen schwer beschädigt. „Gott sei Dank passierte das morgens um 5 Uhr. Da war auf dem Firmengelände nur der Nachtwächter. Der wurde zwar leicht verletzt, aber sonst hatten wir keine Personenschäden“, erinnert sich Bettermann an den Schock von damals. Anders sieht es bei der Firma in Lipezk aus. „Vier unserer 360 Mitarbeiter sind bereits gefallen.“

Die Firma in Lipezk arbeitet und existiert völlig abgekapselt von der restlichen OBO-Welt quasi im Inselbetrieb. „Wir können nur hoffen, dass die Mitarbeiter weiter OBO-janer bleiben. Aber wenn sie sagen, wir machen zu, oder wenn der russische Staat die Firma enteignet, dann war es das. Dann können wir nichts mehr machen.“ Sollte es jedoch Frieden geben und sich die Situation wieder normalisieren, dann würde auch an diesem Standort wieder investiert werden. Ebenso wie übrigens auch in der Ukraine. Während es sich bei der Firma in Kiew nur um eine Handelsniederlassung handelt, hat Bettermann bereits ins Auge gefasst, sobald es die Umstände wieder ermöglichen, in der Nähe von Lemberg sogar einen Produktionsstandort aufzubauen.

Der Produktionsstandort von OBO Bettermann im ungarischen Bugyi stößt bereits seit einigen Jahren an seine Personalgrenze.

Arbeitskräftemangel macht erfinderisch

Hinter dieser strategischen Entscheidung steht nicht zuletzt die Einsicht, dass der weltweit größte Produktionsstandort von OBO Bettermann, im ungarischen Bugyi an seine Personalgrenze stößt. Seit Jahren ist die Zahl der Mitarbeiter nahezu unverändert. „Wir bekommen hier kaum noch Mitarbeiter“, klagt Bettermann. Und das, obwohl man kaum etwas unversucht lässt, um die Attraktivität der Arbeitsplätze zu erhöhen, von guten Gehältern, angenehmen Arbeitsbedingungen bis hin zu Häusern für Mitarbeiter. Um der Misere wenigstens etwas Abhilfe zu verschaffen, wird nun ein zweiter ungarischer Standort aufgebaut, nämlich in Tab, südlich des Balaton, wo auch das Jagdrevier von Bettermann liegt.

Von Jagdgefährten hatte er erfahren, dass die Arbeitskräftesituation in dieser Region bei weitem nicht so prekär ist wie im Großraum Budapest, wo sich Bugyi befindet. Als er dann auch noch bei einem Jagdausflug von der Straße aus eine interessante, zum Verkauf stehende Immobilie entdeckte, schlug er vor fünf Jahren zu. Ein vorhandenes Gebäude wurde komplett saniert, an der Stelle von anderen entstanden und entstehen noch immer vollständige Neubauten. Inzwischen arbeiten hier bereits rund 80 Mitarbeiter.

Doch auch in Bugyi soll es weiter vorangehen. So ist geplant, den Werkzeugbau zu verdoppeln. Weiter ausgebaut werden soll auch die Entwicklungsabteilung, in der derzeit bereits rund 60 Mitarbeiter tätig sind.

Preiswerte Energie – das war einmal

Insgesamt ist Bettermann, der etwa ein Drittel seiner Zeit in Ungarn verbringt, sehr zufrieden mit den ungarischen Standortbedingungen. (Sein Sohn Christoph, der sogar Ungarisch spricht, lebt übrigens komplett in Ungarn.) Gezielt nachgefragt, ob es in Bugyi neben dem Arbeitskräftemangel auch noch weitere Problembereiche gibt, berichtet er davon, dass man hier auf dem Firmengelände gerne ein Photovoltaik-Kraftwerk errichten würde, jedoch momentan keinerlei Chance hätte, dafür eine Genehmigung zu bekommen. Einfach weil der lokale Energiedienstleister wegen jahrelang unterbliebener Investitionen in die Netzinfrastruktur keine Genehmigung für die Produktion von nur temporär vorhandenem, zusätzlichem Strom erteilen kann. So gibt es zurzeit lediglich einige Solarpaneele auf den Dächern von Gebäuden, die gerade so viel Strom herstellen, wie die Fabrik auch an arbeitsfreien Tagen komplett selber verbraucht.

Das Interesse an der Produktion von noch mehr preiswertem Solarstrom hat übrigens ganz handfeste Gründe, nämlich die beachtlich gestiegenen Energiepreise. In Ungarn gibt es zwar noch russisches Erdgas, allerdings ist es bei weitem nicht mehr so preiswert wie vor dem Krieg.

Mit Blick auf die Zukunft des Landes macht ihm generell die Demographie Sorgen: „In Ungarn werden trotz aller Anstrengungen des Staates immer noch zu wenig Kinder geboren.“ Und das schon seit Jahrzehnten. Auch das ist ein Grund für die angespannte Arbeitskräftesituation. „Die jungen Ungarn, die bei uns anfangen könnten zu arbeiten, die gibt es einfach nicht.“ Ein weiteres Problem ist die Bürokratie und dabei insbesondere die von der EU ausgelöste Bürokratie. „Die EU entwickelt sich immer mehr zu einer ungezügelten Gesetzgebungsmaschinerie. Was sich die Leute in Brüssel und in Straßburg ausdenken, das müssen wir hier an der Basis mit immer höheren Personalaufwand umsetzen.“ Auch vor diesem Hintergrund finde er es gut, dass der ungarische Premier Orbán immer wieder den Finger in verschiedene Wunden der EU legt und klarstellt, dass es so nicht weitergehen könne.

„Was sich die Leute in Brüssel und in Straßburg ausdenken, das müssen wir hier an der Basis mit immer höherem Personalaufwand umsetzen.“

Ein Gedanke zu “„Wir investieren weiter in Ungarn“

  1. Jemand der wie Herr Orban das Land voran bringt ,dass ist immer positiv. Bei meinen Bekannten sind das Kapitalisten ,die ausbeuten. Das fast einzige ,was uns ausbeutet bis aufs Hemd ist die Politik, dafür steht Merz jetzt und natürlich Black Rock. Auch das wird sich langsam ändern, da auch Unternehmer meist einsichtig sind was die Politik anbelangt, wenn auch wie bei Herrn Bettermann sehr vorsichtig formuliert wird.

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