Daniel Korioth (r.) zusammen mit Oliver Schatz: „Unser großer Umsatz zeigt, welchen hohen Stellenwert wir inzwischen innerhalb der Bosch-Gruppe innehaben.“ (Foto: RBK)

Interview mit den Robert Bosch-Top-Managern Daniel Korioth und Oliver Schatz

„Es geht nur gemeinsam!“

Nach der Jahrespressekonferenz der Robert Bosch-Gruppe Ungarn, über die wir bereits berichteten, äußerten sich Daniel Korioth, Sprecher der Bosch-Gruppe in Ungarn sowie Geschäftsführer der Robert Bosch Kft. und Oliver Schatz, Leiter des Budapester Bosch-Entwicklungszentrums, zu den abermaligen Rekordergebnissen und zu den weiteren Perspektiven von Robert Bosch in Ungarn.

Wie haben Sie es geschafft, erneut ein Rekordjahr zu erzielen?

Daniel Korioth: Wir haben uns hier inzwischen einen sehr guten Ruf erarbeitet. Wir sind attraktiv sowohl hinsichtlich der Entwicklung als auch der Fertigung. Das führt unter anderem dazu, dass wir zurzeit Anfragen in einem Umfange bekommen, wie wir ihn noch nie hatten. Wenn wir den Wünschen nach so wachsen könnten, dann würden wir alle Rahmen sprengen. Aber natürlich gibt es auch für uns Grenzen.

Auf jeden Fall müssen Sie sich um die Füllung Ihrer Auftragsbücher keine Sorgen machen!

Oliver Schatz: Ganz im Gegenteil: Wir müssen eher schauen, dass sie nicht zu voll werden.

Sie müssen Aufträge ablehnen?

D.K.: Wir lehnen sie nicht ab, sondern verteilen sie international. Das wird immer gut abgesprochen. Es geht darum, zu identifizieren, welche Projekte hier sinnvoll realisiert werden können und welche woanders.

Es geht also eher um eine Selektion und darum, was am besten zu einem bestimmten Standort passt.

D.K.: Genau das macht unser Unternehmen so attraktiv. Wir haben ein internationales Entwicklungs- und Fertigungsnetzwerk, in welchem unter anderem die Entscheidungen getroffen werden, wo etwas hergestellt oder entwickelt wird. Das geht nicht immer nur von Deutschland aus. Wir kommunizieren von hier aus auch mit den weltweiten Bosch-Standorten. Unser großer Umsatz zeigt, welchen hohen Stellenwert wir inzwischen innerhalb der Bosch-Gruppe innehaben. Neben Entwicklung und Fertigung haben wir in Ungarn übrigens auch Kompetenzen in der Logistik und Industrie 4.0-Lösungen. Wir haben hier sogar weltweit für Teilfunktionen der Logistik die Governance-Funktion. Diese Kompetenz wurde in den letzten Jahren aufgebaut. Das ist auch etwas, was wir weiterführen müssen, um Ungarn als Bosch-Standort attraktiv zu halten.

Wie weit wird die Bosch-Gruppe in Ungarn noch wachsen? Gibt es hier ein bestimmtes Limit?

D.K.: Ja, absolut. Wir wachsen ja nicht um des Wachstums willen. Unser Wachstum muss sinnvoll und langfristig orientiert sein.

Ende des letzten Jahres waren 13.500 Mitarbeiter bei Ihnen tätig. Wo sehen Sie sich diesbezüglich etwa in fünf Jahren?

DK: Das kann man schwer sagen. Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass sich unser Wachstumstempo bei der Mitarbeiterzahl ab etwa 15.000 verlangsamen wird. Aber das lässt sich natürlich heute nur schwer voraussagen, da wir aus vielen sehr unterschiedlichen Einheiten bestehen.

Noch stehen Ihre Zeichen aber voll auf Wachstum!

D.K.: Auf nachhaltigem Wachstum!

Letztes Jahr wuchs Ihre Mitarbeiterzahl um etwa Tausend. War das Ihre Zielmarke oder hätte die Bosch-Gruppe bei einem besseren Arbeitskräfteangebot sogar noch stärker wachsen können?

O.S.: Wir haben enorme Anstrengungen unternommen, um Leute einzustellen. Ich hätte gerne aber noch mehr neue Mitarbeiter eingestellt. Langsam merken wir, dass wir in Größenordnungen kommen, wo es einfach schwieriger wird, unseren Arbeitskräftebedarf zu decken. Dafür gibt es verschiedene Ursachen. Die Landesgröße ist dabei nur ein Element. Uns hilft es übrigens sehr, dass es bei uns hochattraktive, weltweit herausragende Entwicklungen gibt. Das erleichtert uns ganz wesentlich, neue Kollegen zu finden.

Wie sieht es mit der Qualität von neuen Mitarbeitern aus?

O.S.: Wir sehen hier durchaus Verbesserungen. Das theoretische Wissen der Absolventen ist hervorragend. Allerdings gibt es bei der praktischen Anwendung dieses Wissens noch immer Verbesserungspotenzial. Es gibt aber auch hier eindeutig Entwicklungen hin zum Positiven. Nicht zuletzt durch die Verbreitung der dualen Hochschulausbildung. Immer mehr spüren wir aber auch, dass es in Ungarn wie auch überall in Europa ein zunehmendes demographisches Problem gibt. Die absolute Zahl neuer Fachkräfte, die den Arbeitsmarkt betreten, beginnt zu sinken. Das macht sich immer stärker bemerkbar. Wir finden zwar noch gute Leute, wir würden aber auch gerne noch mehr finden. Auf der anderen Seite stellen wir aber natürlich auch nicht jeden ein, denn wir müssen hier wirklich auf die Qualität achten. Eher auf Qualität als auf die Quantität.

D.K.: Es geht uns nicht um eine schnelle Zahlenerhöhung. Wir nehmen uns die Zeit, um richtige Bindungen zu kreieren.

O.S.: Es sollten sich alle Player Gedanken machen, wie insbesondere für technische Studiengänge mehr junge Leute interessiert werden können. Da sehe ich noch einen erheblichen Verbesserungsbedarf. Das ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Hier haben wir es übrigens nicht mit einem typisch ungarischen Problem zu tun, diese Problematik betrifft alle Länder Europas. Dabei wird das Land, dass es versteht, mehr junge Leute für technische Studiengänge zu interessieren, einen Wettbewerbsvorteil bekommen. In erster Linie wird die Technik die Welt verändern. Deswegen sollten sich eigentlich immer mehr junge Leute technischen Berufen zuwenden.

Nicht zuletzt auch immer mehr junge Frauen! Was halten Sie von der TechGirls-Initiative der DUIHK?

O.S.: Diese Initiative ist super! Wir bräuchten noch mehr von dieser Art. Allerdings würde ich auch erwarten, dass solche Kampagnen nicht nur von Firmenseite betrieben werden. Dies ist aber zurzeit meist der Fall. Eigentlich ist diese ganze Thematik, also wie man mehr junge Leute für technische Berufe gewinnt, auch eine Aufgabe des Staates.

D.K.: Der Staat sollte diese Aufgabe nicht nur den Firmen überlassen, sondern mit ihnen gemeinsam vorgehen. Wir haben eine Größe erreicht, wo wir eine Verantwortung dafür haben, gemeinsam mit dem Staat, den Schulen und den Eltern die Attraktivität von Ungarn zu erhöhen. Wir müssen schon viel früher anfangen, Jungen und Mädchen für naturwissenschaftliche Fächer zu begeistern. Es ist dabei unsere Aufgabe, die richtigen Partner zu finden und zu vermitteln, was unsere Branche macht.

O.S.: Wir haben hier einen Kindergarten gegründet. Dort gibt es zum Beispiel auch technisches Equipment und eine Art Unterricht, um spielerisch technische Themen kennenzulernen. Ich möchte nochmal auf die Schule und den Staat zurückkommen. Wenn ich mir anschaue, wie dort Physik unterrichtet wird, welche Ausstattung dafür vorhanden ist und wer den Unterricht gibt, dann sehe ich dort noch ein enormes Verbesserungspotenzial. Ich weiß nicht, von wem dieses Zitat ist, aber ich finde es absolut zutreffend: „Wenn du ein Land voranbringen willst, verdopple die Mathematik- und Physikstunden. Fange an, englische Originalfilme ohne Übersetzung zu zeigen. Dann bewirkst du schon mal enorm viel“, lautet es in etwa. Auch sonst kann man eine Menge tun. Die Frage ist auch etwas, wer sorgt für gute Physikausrüstung in den Schulen? Ebenso ist die Motivierung der Lehrer ein großes Thema. Die Eltern können vieles richten, aber letztendlich glaube ich, dass das Interesse durch die Lehrer und die Schule geweckt wird. Bei mir war es zumindest so. Ich hatte einen sehr engagierten Physiklehrer. Da war ich zwölf Jahre alt. Er hat mich an die Themen herangeführt und mich begeistert. Und das hat sich gehalten. Das war mein Aha-Erlebnis. Solche Lehrer, wie diesen – Herr Hald hieß er –, wünsche ich mir an jeder Schule. Lehrer, die Begeisterung wecken. Das kann man nicht erst kurz vorm Universitätsstudium machen.

D.K.: Gleichzeitig müssen wir uns gemeinsam mit den Landesvertretern anschauen, warum wir einen Brain-Drain haben! Wie können wir Ungarn attraktiver machen? Dass Menschen ins Ausland gehen und internationale Erfahrungen sammeln, ist an sich kein Nachteil. Aber wie schaffen wir es, dass diese Menschen auch gerne wieder zurückkommen und ihre Erfahrungen teilen?

Welche Anregungen hätten Sie diesbezüglich?

D.K.: Junge Menschen machen sich derzeit nach meinen Beobachtungen vor allem zu zwei Aspekten Gedanken: Der eine ist die Frage nach der finanziellen Absicherung nach der Pensionierung. Es ist für mich sehr überraschend, dass sich schon junge Leute darüber Gedanken machen. Aber das ist ein großes und wichtiges Thema.

Und der zweite ist ganz klar das Thema Gesundheitswesen. Da stehen wir im Vergleich zu anderen Regionen in der Welt, so etwa zu Südamerika, in einer ähnlich schlechten oder gar schlimmeren Situation.

Da kann und muss der Staat seine Anstrengungen erhöhen. Aber auch das geht nicht mehr alleine. Es geht nur gemeinsam. Wenn wir wirklich über Nachhaltigkeit und auch über unsere Corporate Social Responsibility sprechen, dann müssen auch wir hier Schritte unternehmen. Sowohl in unserem, als auch im Interesse Ungarns.

Was könnte speziell Bosch hier tun? Eigene Gesundheitseinrichtungen schaffen?

D.K.: Nein. Wie bereits gesagt, es geht nur gemeinsam und damit spreche ich die Entwicklung gemeinsamer Lösungsvorschläge an. Dadurch könnten etwa die Infrastruktur, die Sicherheit oder die Abläufe ausgewählter Hospitäler durch den Einsatz unserer Bosch-Kompetenzen auf Vordermann gebracht werden – auch zum Wohle unserer Mitarbeiter und ihrer Familien.

O.S.: Wenn Firmen ihren Mitarbeitern in Eigenregie eine bessere Gesundheitsversorgung ermöglichen, dann ist das erst einmal in Ordnung. Wenn es jedoch überhandnimmt, befürchte ich nur, dass die staatlichen Anstrengungen nachlassen könnten.

Ich genieße hier als Expat eine sehr gute Krankenversicherung und gehe zu den entsprechenden Gesundheitszentren. Die Ärzte dort arbeiten in der Regel auch noch irgendwo im öffentlichen Dienst. Sie arbeiten aber verstärkt an unserer Behandlung, weil wir Geld haben. Das ist für mich eine Gratwanderung: Unterstützen wir das firmenseitig indirekt dadurch, dass wir unseren Mitarbeitern ermöglichen, auch zu solchen Zentren zu gehen, oder nicht. Die Frage ist, wie finden wir gemeinsam mit dem Staat Möglichkeiten, ein Auseinanderdriften im Gesundheitswesen zu verhindern? Wir müssen aufpassen, keine Sonderanreize zu schaffen. Auf keinen Fall darf es eine Situation geben, in der sich der Staat im Glauben, dass es die Firmen schon richten werden, zurücklehnen kann.

Ist das auch auf der Agenda der Politiker, mit denen Sie zu tun haben?

D.K.: In der Vergangenheit haben wir das Thema schon oft angesprochen, aber nicht unbedingt gefühlt, dass es auf ihrer Agenda war. Der Staat hat sich erst jetzt neu zusammengefunden und somit haben wir die Möglichkeit Gespräche gezielt zu führen, um diese Punkte auf die Agenda zu bringen.

Wie geht es mit dem Campus 2 des Entwicklungszentrums voran?

O.S.: Wir fangen jetzt mit der ersten Bauphase an.

Wann ist der erste Spatenstich?

D.K.: Da sind wir noch am Prüfen. Das hängt ganz davon ab, wie die lokalen Behörden damit umgehen und die Genehmigungen erteilen.

O.S.: Ich würde das gerne schon gemacht haben. Ich weiß nicht, ob diese Verzögerungen ungarnspezifisch oder behördenspezifisch sind. Weil das Ganze eine gewisse Größe und einen großen Einfluss auf das Verkehrsgeschehen hat, sind sehr viele öffentliche Partner beteiligt, die da mitdiskutieren wollen und auch gehört werden müssen.

Bei der Pressekonferenz hieß es, dass dieses Projekt staatlicherseits nicht gefördert wird. Dabei wird doch in letzter Zeit von Seiten der ungarischen Regierung immer wieder betont, dass nun auch F&E-Projekte in Budapest gefördert werden können?

D.K.: Ja, wir sind in Verhandlungen. Momentan gibt es aber noch keinen unterschriebenen Vertrag.

Sind Sie diesbezüglich zuversichtlich?

D.K.: Durchaus, andererseits müssen wir aber auch klar erkennen, dass strukturschwachen Regionen eher gefördert werden.

O.S.: Budapest gilt als entwickelt und nicht mehr förderfähig für Investitionen. Für Gebäude in Budapest haben wir in der Vergangenheit erhebliche Fördergelder bekommen. Die Zahlen sind bekannt. So etwas gibt es aber nicht mehr. Was man jedoch fördern kann, sind Forschungs- und Entwicklungs-Aktivitäten.

Was kann nun genau in Budapest gefördert werden?

O.S.: Attraktive Produkte, die wir hier in Ungarn entwickeln wollen.

D.K.: Es geht um Inhalte. Und diese Inhalte müssen Forschungs- und Entwicklungs-Eigenschaften haben.

Gibt es sonst noch Handlungsbedarf?

D.K.: Das Wichtigste für mich ist zu sagen: Es geht nur gemeinsam. Und wie Professor Mangold neulich bei der DUIHK-Veranstaltung gesagt hat: „Vom Follower zum Gestalter werden“. Für uns heißt das, von der verlängerten Werkbank zu einem kompetenten, exzellenten Partner innerhalb und außerhalb des Bosch-Verbundes werden.

Generell geht es auch darum, das Land, das Umfeld und die Möglichkeiten nachhaltig so attraktiv zu gestalten, dass die Menschen, insbesondere talentierte Menschen nicht wegziehen beziehungsweise gerne wieder nach Ungarn zurückkommen.

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