Audi Hungaria
Michael Breme, Audi Hungaria-CEO und -Werkleiter beim BZ-Interview: „Die größte Herausforderung, die wir jetzt momentan haben, ist sicherlich die Transformation beim Antriebssegment.“ Foto: BZ/ Jan Mainka

Interview mit CEO und Werkleiter Michael Breme über die Győrer Audi-Fabrik

Modern und flexibel

Seit Februar ist Michael Breme Vorstandsvorsitzender der Audi Hungaria. Wir unterhielten uns mit ihm unter anderem über seine ersten Eindrücke und weiteren Pläne, den Produktionsstart des Cupra Terramar, die Zukunft des Verbrenners sowie die Standortbedingungen.

Wie vertraut war Ihnen Audi Hungaria, als Sie im Februar deren Leitung übernahmen?

Ich bin seit über 27 Jahren bei Audi beschäftigt. In dieser Zeit habe ich unter anderem zwei Zentralfunktionen geleitet, die mich wiederholt mit unserer Fabrik in Győr in direkte Berührung brachten: Werkzeugbau und Planung. So war ich mit dabei, als 2005 hier am Standort Győr der Werkzeugbau gegründet wurde. Und im weiteren Verlauf die Kleinserienfertigung auf- und ausgebaut wurde und unsere Produktionseinheit für Presswerkzeuge hier entstand. Als Planungsleiter hatte ich wiederum 2013 den Aufbau des Fahrzeugwerks in Győr intensiv begleitet. Über diese beiden Zentralfunktionen kenne ich natürlich auch jeden anderen Standort im internationalen Audi-Produktionsnetzwerk. Bei der Audi Hungaria bin ich aber jetzt zum ersten Mal als CEO und Werkleiter tätig. Das war in meinem Werdegang immer noch etwas, was ich machen wollte. Zu Beginn meiner Tätigkeit als Werkleiter brauchte ich aber keine Werksführung, da ich den Standort bereits sehr gut kannte.

Was zeichnet die Audi Hungaria im Vergleich zu anderen Audi-Standorten aus?

Mit seinen knapp über 30 Jahren ist es ein relativ junges, sehr modernes Werk mit sehr guten Bedingungen etwa mit Blick auf die Warenströme und auch was die neuesten Aspekte des Produktionssystems betrifft. Das Werk in Győr ist produktiver und flexibler als ältere Werke. Wir haben auch logistisch sehr gute Voraussetzungen: Die Autobahn befindet sich direkt in der Nähe und an mehreren Stellen gibt es im Werk einen Bahngleis-Anschluss. Wir haben hier auch einen Flughafen, wo man auch notfalls Cargo fliegen kann, aber auch schnell mal Spezialisten einfliegen kann.

Auf der Haben-Seite steht nicht zuletzt unser qualifiziertes Personal. Dann haben wir hier vor Ort die Széchenyi-Universität, die mit 12.000 bis 14.000 Studenten mittlerweile so groß ist wie wir. Durch eine enge Zusammenarbeit ist die Universität inzwischen eine wichtige Basis für qualifizierten Nachwuchs.

Was sind Ihre ersten Eindrücke nach über einem halben Jahr?

Ich bin hier sehr schnell aufgenommen worden. Mir kommt es so vor, als wäre ich schon mehrere Jahre hier. Das hat natürlich damit zu tun, dass ich viele Kollegen sowie das Werk selbst und dessen Produkte schon gut kannte. Sicher aber auch mit der herzlichen und offenen Mentalität der Ungarn. Bei ihnen herrscht eine größere persönliche Nähe, als ich es etwa aus Deutschland kenne, ohne dass deswegen Kompetenzen oder Hierarchieebenen in Frage gestellt würden. Hier schätzt man es sehr, wenn in der Zusammenarbeit auch eine persönliche Note mit dabei ist. Diese Art des Miteinanders und generell die ungarische Mentalität kommen mir sehr entgegen. Nicht zuletzt deswegen fühle ich mich hier so wohl.

Wo haben Sie bereits Ihre Handschrift hinterlassen?

Wir überarbeiten gerade unseren Strategieprozess. Mein Vorgänger hatte eine sehr robuste, tief verwurzelte Strategie aufgesetzt. Diese versuche ich jetzt mit meinem Führungsteam ein Stück weit zu operationalisieren. Jetzt gilt es, den Nutzeffekt für die tägliche Arbeit noch stärker herausarbeiten. Wir konzentrieren uns dabei auf unsere drei Geschäftsfelder, also Antriebe, Fahrzeuge und Shared Services, und haben eine entsprechende Geschäftsfeld-Logik eingeführt, die stets End-to-End orientiert ist und alle Prozesse umfasst, die für das jeweilige Geschäftsfeld nötig sind. Ganz wichtig ist uns dabei, wie sich die Prozesse der einzelnen Geschäftsfelder kurz-, mittel- und langfristig bestmöglich gegenseitig unterstützen können. Bei der Langfristplanung geht es um eine Perspektive über 2035 hinaus.

Woran arbeiten Sie noch?

Vom ersten Tag an kümmere ich mich auch intensiv um unsere bereits sehr gut funktionierende interne Kommunikation. Ich habe zum Beispiel das Format Audi-Hungaria Connect eingeführt, wo ich meine erste Berichtsebene gelegentlich spontan und relativ kurzfristig zusammenrufe, um wirklich brisante aktuelle Themen zu reflektieren und auch ein Feedback dazu zu bekommen. Das ist so ein bisschen meine Handschrift. Ich hole gerne Feedback ein und entwickle meine Ideen nicht im stillen Kämmerlein, sondern eher im Gespräch und im Austausch mit Menschen.

Was steht noch auf Ihrer Agenda?

Die größte Herausforderung, die wir jetzt momentan haben, ist sicherlich die Transformation beim Antriebssegment, wo wir derzeit vom Verbrenner sukzessive umsteigen auf die E-Mobilität und uns um neue entsprechende Projekte bewerben. Es ist ein sehr wichtiges Thema, das uns sehr beschäftigt, nicht zuletzt, weil es natürlich viel mit Umschulung zu tun hat, aber auch mit anderen Beschäftigungsstrukturen.

Zum Jahresanfang gab es bei Ihnen auch Tarifverhandlungen …

Ja, ich kam mitten dazu. Ich habe mich aber zunächst zurückgehalten und die Vorkonsolidierung unseren Fachleuten rund um unsere sehr kompetente Personalleiterin überlassen. Später habe ich mich dann persönlich eingeschaltet. Am Ende haben wir ein sehr gutes und vernünftiges Ergebnis erzielt. Wir konnten maßvolle Lohnerhöhungen vereinbaren. Das ist wichtig, denn wir stehen natürlich in einem harten Wettbewerb mit anderen Konzernstandorten. Und man darf nie vergessen, dass man sich nach einem Projekt immer wieder um ein neues bewerben muss.

Bei unseren Tarifgesprächen hatte ich detailliert dargestellt, wie die Auslastung anderer Werke und das dortige Lohnniveau momentan aussieht. Ich hatte dargelegt, dass das, was wir heute entscheiden, Auswirkungen auf die nächsten drei bis fünf Jahre haben wird, wenn es darum geht, neue Aufträge an den Standort zu holen. Das wurde gut verstanden.

Es waren sehr intensive Gespräche, zwei Wochen lang trafen wird uns fast jeden Tag für jeweils mehrere Stunden. Es wurde sich sachlich und pragmatisch ausgetauscht, ohne jedwede ideologische Aufladung. Für diese Herangehensweisen bin ich sehr dankbar. Und so konnten wir dann am Ende einen vernünftigen Abschluss erzielen. Das Paket kann sich sowohl bei unseren Mitarbeitern sehen lassen, erhält aber gleichzeitig unsere Wettbewerbsfähigkeit im Konzern. Es ist auf zwei Jahre ausgelegt, was ebenfalls für beide Seiten von Vorteil ist.

Beim Cupra Terramar konnte Audi Hungaria alle Wettbewerber aus dem Rennen schlagen…

Mit dem Terramar haben wir jetzt eine Schwestermarke in unserem Werk. Damit sind wir übrigens im Audi-Netzwerk das erste Werk, in dem ein Fahrzeug einer anderen Konzern-Marke gefertigt wird. Das entsprechende Vertrauen muss man sich erstmal verdienen. Auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen müssen gegeben sein, um so etwas abbilden zu können. Im nächsten Jahr kommt dann der neue Q3. Wir befinden uns also in einer sehr guten Situation. Wir produzieren zwei Autos, die mit Sicherheit sehr erfolgreich sein werden. In ein paar Jahren werden wir uns im Konzern aber wieder um neue Produkte bewerben müssen.

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„Der Cupra Terramar ist ebenso wie der Audi Q3 ein sehr attraktives Auto. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die nächsten Jahre eine konstant hohe Auslastung fahren werden.“ Fotos: Audi Hungaria

Wie kam es zum Terramar-Auftrag?

Natürlich ging es dabei um die Werkstrukturen und auch um die Beschäftigungssituation. Aber wenn zwei Werke gleichauf sind, dann spielen die Kosten die Hauptrolle. Deswegen müssen die Lohnkosten stets in einem vertretbaren Rahmen bleiben. Wir brauchen uns aber nicht zu verstecken, unsere Mitarbeiter verdienen bei uns gut, wir lassen sie an unserem Erfolg teilhaben.

Wir dürfen uns aber natürlich nicht rauspreisen, indem wir zu teuer werden im Vergleich zu anderen Konzernstandorten. Wir müssen immer wettbewerbsfähig sein. Dazu muss man auch immer im Auge behalten, wie sich die Lohnstrukturen und Lohnkosten in anderen Werken entwickeln.

Was hat neben den wettbewerbsfähigen Löhnen noch zum Terramar-Auftrag geführt?

Auch unsere Auslastung sprach für uns. Neben der Fertigung des Q3 gab es bei uns noch freie Kapazitäten. Verbunden mit unserer vorhandenen Flexibilität und guten Werksstrukturen konnten wir es uns ohne weiteres zutrauen, noch ein weiteres Derivat einzurüsten. Es gibt übrigens keine parallele Fertigung: beide Fahrzeuge fahren in einem bestimmten Mix auf der gleichen Linie. Dazu gehören viel Flexibilität, entsprechendes Know-how sowie gut qualifizierte und motivierte Mitarbeiter. All das haben wir hier in Győr.

War nur Audi Hungaria für diesen Auftrag kompatibel? Wie groß war der Wettbewerb innerhalb des VW-Konzerns?

Es gab einen intensiven Wettbewerb. Es hätte auch noch andere Synergiepartner gegeben. Letztendlich muss aber das Gesamtpaket stimmen. Eine Synergie muss da sein, die Wirtschaftlichkeit muss gegeben sein, die Qualität muss stimmen und die Flexibilität der Mannschaft. All das sorgt dann schließlich dafür, dass man den Zuschlag bekommt.

Wie wichtig war die Möglichkeit, an eine bestehende Linie andocken zu können?

Bei der Entscheidungsfindung machte das sicher um die 50 Prozent aus. Die Stückzahlreserve kann aber nur dann zum Tragen kommen, wenn man eine passende Werkstruktur hat – so wie wir in Győr. Wir sind hier in der Lage, gewisse Flaschenhälse aufzuweiten oder zu beseitigen, um das potenzielle Mehr an Autos auch tatsächlich bauen zu können.

Mit wie vielen Werken stand Audi Hungaria letztlich in direktem Wettbewerb?

In erster Linie mit den Werken, die Fahrzeuge nach dem Prinzip des Modularen Querbaukastens (MQB) fertigen, und im Speziellen dann mit Werken, die genau diese Plattform eingerüstet haben. Es gab mehrere.

Auch deutsche?

Ja. Letztlich gaben dann die anderen 50 Prozent den Ausschlag.

Wie wichtig ist dieser Auftrag für Audi Hungaria? Sie erwähnten zuvor gewisse Kapazitätsüberhänge…

Man hätte dieses Loch jetzt nicht unbedingt stopfen müssen. Man hätte natürlich auch die Beschäftigungssituation anpassen können.

Mit Entlassungen?

Erst einmal hätten wir über Leiharbeiter reagiert und dann die Fluktuation genutzt. Entlassungen hätten wir keine vornehmen müssen.

Warum war der Auftrag dann so wichtig für das Werk?

Mit einem zweiten Derivat haben wir jetzt für die kommenden Jahre eine konstant hohe Auslastung. Das ist heutzutage ein ganz hohes Gut. Wir können jetzt Nachfrageschwankungen bei dem einen Modell mit dem jeweils anderen Modell abfedern. Letztlich trägt der Auftrag zur nachhaltigen Arbeitsplatzsicherheit von vielen Mitarbeitern in der Fahrzeugproduktion bei.

Der Cupra Terramar ist ebenso wie der Q3 ein sehr attraktives Auto. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die nächsten Jahre eine konstant hohe Auslastung fahren werden und sehr robust auf Nachfragezyklen reagieren können. Ich bin sehr optimistisch, dass wir in dieser Zeit eine nachhaltig hundertprozentige Auslastung haben werden. Das ist in der heutigen Zeit natürlich viel wert.

Audi Hungaria
„Innerhalb der Fahrzeugfabrik herrscht eine große Begeisterung für die Marke Cupra.“

Wie ist der Mix zwischen dem Audi Q3 und dem Cupra Terramar?

Wir haben klare vertraglich vereinbarte Volumenmixe und die Mehrzahl der produzierten Fahrzeug werden weiterhin Audis sein. Wir bleiben also auf alle Fälle Audianer. Auch die Umstellung auf den neuen Q3 im kommenden Jahr wird daran nichts groß ändern. Beide Fahrzeuge sind in ihrem Segment gleichermaßen hoch attraktiv.

Wie verbreitet ist es im VW-Konzern, an einem Standort Fahrzeuge verschiedener Marken zu produzieren?

Im Volkswagen-Konzern gibt es mehrere Mehrmarkenstandorte. Das VW Werk in Bratislava ist so einer, wo wir schon seit Jahren den Q7 und den Q8 produzieren. Im Produktionsnetzwerk von Audi ist das jedoch ein Novum.

Wie kann die Produktion eines spanischen Fahrzeugs nach Ungarn überführt werden?

Wir haben im Volkswagen-Konzern sehr hohe und gleiche Qualitätsstandards. Auch die Prozesse sind weitestgehend standardisiert. Ich habe keinerlei Sorge, dass wir den Terramar unseren Kunden so abliefern, dass diese sehr zufrieden mit dem Auto sein werden.

Unser Projekt hatte eine lange Vorlaufzeit über mehrere Jahre. Es begann 2020/21. In dieser Zeitspanne wachsen dann die Projektteams und Mannschaften zusammen. Wie mir berichtet wurde, gab es keine allzu großen Hürden zu überwinden. Immer wieder waren Kollegen aus Spanien bei uns vor Ort. Leute von uns waren wiederum in Spanien, weil die Hutentwicklung auf der Plattform in Verantwortung von Cupra lief.

Es gab auch etliche gemischte Projektteams. Die Zusammenarbeit war sehr professionell. Es herrschte eine gute Atmosphäre. Die Begeisterung für das Projekt schweißte die Leute zusammen. Dabei half nicht zuletzt auch die relativ ähnliche Mentalität von Spaniern und Ungarn. Wie ich jetzt bei der sehr schönen gemeinsamen Feier zum Produktionsstart im September abermals mitbekommen habe: die Teams haben sich extrem gut verstanden.

Nun ist die operative Projektphase abgeschlossen. Die letzten spanischen Projektkollegen haben unser Werk verlassen. Jetzt sind wir in der Verantwortung, die Fahrzeuge in der vereinbarten Qualität zu liefern.

Wie viele Jahre wird Audi Hungaria den Cupra produzieren?

Für seinen Lebenszyklus, also in den nächsten etwa sieben Jahren auf alle Fälle. In ein paar Jahren werden die Karten wieder neu gemischt. Dann beginnt der Wettbewerb für Nachfolgeprodukte.

Wie kommt die Cupra-Fertigung bei den Audianern an?

Sehr gut. Innerhalb der Fahrzeugfabrik herrscht eine große Begeisterung für die Marke Cupra. Das fällt aber auch leicht. Es ist eine sehr junge, erfolgreiche Marke, die die Menschen gut anspricht. Mit dem Cupra Terramar läuft bei uns also eher ein Familienmitglied als ein Gast vom Band. Auf dem Markt richtet er sich an andere Kunden als Audi-Kunden. Es passt also alles sehr gut zusammen. Nicht zuletzt ist unseren Kollegen bewusst, dass der Cupra die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze erhöht.

Werden Sie sich in naher Zukunft für die Produktion weiterer Fahrzeugtypen bewerben?

Nein. Unser Fahrzeugwerk ist jetzt voll. Um unsere Fahrzeugproduktion noch weiter hochzufahren, müssten wir darüber nachdenken, die Fahrzeugfertigung noch mal zu spiegeln. Die vorhandenen Flächen würden einen solchen Schritt durchaus theoretisch ermöglichen. Im Moment steht das aber nicht zur Diskussion.

Wie sieht der derzeitige Motorenmix bei der Audi Hungaria aus?

Zurzeit sind etwa drei Viertel unserer Motoren Verbrenner und ein Viertel E-Motoren.

Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?

Der Tipping-Point, also der Punkt, an dem wir genauso viele Elektrofahrzeuge wie Verbrenner verkaufen, hat sich verschoben. Basierend auf diesem Tipping-Point werden die jeweiligen Stückzahlen geplant. Das ist auch die Planungsgrundlage unseres Werkes. Dabei muss man natürlich immer mit Augenmaß planen und Flexibilität vorhalten, wenn es sich dann marktbedingt doch anders entwickeln sollte, als es geplant war. Wir müssen stets in der Lage sein, unsere Kapazitäten innerhalb der einzelnen Segmente im Motorenwerk verschieben zu können. Dabei ist natürlich von Vorteil, dass wir sowohl Verbrenner als auch E-Motoren herstellen können.

Sie setzen also auf Offenheit und Flexibilität!

Entlang der Zahlen, die wir vom Volkswagen-Konzern bekommen und die die Marke Audi dann natürlich weiter runterbricht, planen wir unsere Transformation aus. Dabei müssen wir natürlich auch Flexibilität vorhalten, um auf Nachfrageschwankungen reagieren zu können. Das hat es immer gegeben. Das ist jetzt erstmal nichts Neues. Es gab auch immer Nachfrageschwankungen beispielsweise zwischen dem Vier- und dem Sechszylinder-Motor. Durch die sich vollziehende Transformation zur E-Mobilität, hinter der eine grundlegend andere Produktionstechnologie steht, ist es jetzt jedoch deutlich anspruchsvoller, in Sachen Kapazitäten für die notwendige Flexibilität zu sorgen.

Wie betrachten Sie Ihren Verbrenner­anteil? Als ein Auslaufmodell, um das sich nicht mehr so groß gekümmert werden muss?

Keinesfalls! Auch wenn die Zukunft natürlich elektrisch ist, sind wir derzeit kräftig dabei, alle Verbrenner noch mal neu aufzulegen. Sie bekommen schrittweise neue Motoren. Diese sind Euro-7-konform und erfüllen die neuesten EU-Abgasnormen. Diese neueste Generation von Verbrennungsmotoren könnte perspektivisch gesehen zugleich die letzte sein. Im Moment haben wir in dem Bereich aber noch reichlich zu tun.

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„Auch wenn die Zukunft natürlich elektrisch ist, sind wir derzeit kräftig dabei, alle Verbrenner noch mal neu aufzulegen.“

Ist bei den Verbrennern wirklich alles ausgereizt oder verabschieden wir uns vor der Zeit von ihnen?

Die Verbrenner sind mit Blick auf die Effizienz nahezu ausentwickelt. Mit der letzten Generation holen wir zwar noch einiges heraus, es geht aber immer mehr um das Einhalten der entsprechenden Abgasnormen. Die Abgasgesetzgebungen machen den Aufwand auf der Aggregat­seite, aber auch bei der Abgas-Nachbehandlung immer größer. Damit steigen sowohl der Entwicklungsaufwand als auch die Materialeinzelkosten. Gleichzeitig gibt es auf der Kundenseite natürlich ein gewisses Limit hinsichtlich der Übernahme all dieser Kosten.

Würde die Politik den Verbrenner nicht künstlich abwürgen, gäbe es aber noch Entwicklungspotenzial?

Natürlich kann man immer noch viel machen. Man muss sich nur mal unsere neuesten Dieselaggregate ansehen, wie sparsam und sauber die sind. Das ist schon ein extrem hohes Niveau, das wir da mittlerweile erreicht haben.

Diesen Entwicklungsvorsprung wollen die EU-Europäer nun aufgeben und sich stattdessen voll auf den hochkompetitiven E-Mobilitätsmarkt einlassen …

Die CO2-Gesetzgebungen sind langfristig nun mal nur mit einem E-Antrieb zu erfüllen. Da bleibt für den Verbrenner keine Luft mehr. Deshalb sagen wir als Audi ja auch klar: die Zukunft ist elektrisch.

Mittlerweile wird die Politik aber schon etwas vorsichtiger …

Der Produktentwicklungszyklus beträgt typischerweise etwa fünf Jahre. Vor ein paar Jahren haben wir auf der Basis der aktuellen Gesetzgebung entschieden, elektrisch zu werden und haben daher unsere Produktplanung konsequent auf Elektromobilität ausgerichtet.

Es ist also zu spät!

Die Transformation ist bereits in vollem Gange. Man kann jetzt natürlich über Modellpflegemaßnahmen die neuesten Verbrenner noch einmal auffrischen und optisch etwas verändern. Aber komplett neue Motoren hätten wir schon gestern anfangen müssen zu entwickeln, um 2035 eine Fortsetzung hinzubekommen. Wir haben uns festgelegt.

Oder vielleicht eher: die Politik hat die Autohersteller festgelegt.

Jetzt ist uns vor allem wichtig, Planungssicherheit zu bekommen. Das Schlimmste wäre für uns, langfristig zwei parallele Stränge betreiben zu müssen, also gleichzeitig E-Autos und Verbrenner zu entwickeln und zu produzieren, während sich die Zahl der Kunden freilich nicht verdoppelt. Eine ähnliche Zahl an Kunden müsste also verdoppelte Entwicklungskosten finanzieren. Was bei uns schon extrem schwierig wäre, das wäre bei den Zulieferern schlicht unmöglich. Die verringerten Stückzahlen führen jetzt schon zu extrem hohen Belastungen. Unter einer gewissen Losgröße ist die Produktion einiger Fahrzeugkomponenten wirtschaftlich einfach nicht mehr sinnvoll. Die Zweigleisigkeit ist also auf Dauer nicht durchzuhalten. Daher brauchen wir Klarheit.

Und wie sehen Sie den Wettbewerb?

Die E-Autos, die wir derzeit produzieren, gehören eindeutig zur Weltspitze. In Sachen Technologie sind wir sehr weit.

Ganz entscheidend für die Preisbildung bei E-Fahrzeugen sind die Batterien.

Die Batterie macht bei den Materialeinzelkosten eine gewaltige Position aus. Wir können nur dann E-Fahrzeuge zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten, wenn wir die eigene vertikale Integration vorantreiben und selber Batterien herstellen. Im Volkswagen-Konzern entstehen gerade eigene Batteriefabriken. Langfristig soll ein Großteil aller im VW-Konzern verbauten Batterien aus eigener Produktion stammen.

Die besten E-Fahrzeuge nützen jedoch nichts, wenn es bei der Ladeinfrastruktur hakt!

Da müsste die Politik konsequent ansetzen. Wir brauchen europaweit eine ausreichend dichte Ladeinfrastruktur, wo man beispielsweise mit 300 kW flächendeckend laden kann.

Welche Wachstumsperspektiven gibt es für die Győrer Audi-Fabrik?

Wir haben jetzt in Győr eine recht ideale Größe. Wir haben ein für die kommenden Jahre voll ausgelastetes Fahrzeugwerk. Bei der Kleinserienfertigung wird sich perspektivisch aber noch etwas tun. Da haben wir auch noch verfügbare Flächen. Bei der Motorenfertigung werden wir uns eher innerhalb der bereits benutzten Flächen bewegen. Das hat einfach damit zu tun, dass wir beim Auslaufen eines Verbrenners, dessen Produktion ja recht fertigungsintensiv ist, Flächen gewinnen, die dann der E-Motoren-Fertigung zugute kommen können.

Die verfügbaren Arbeitskräfte stellen also kein Wachstumslimit dar?

Wir haben in Ungarn Vollbeschäftigung, Arbeitskräfte zu finden, ist nicht einfach. Das sehe ich ja bei den Wettbewerbern auch aus Deutschland, die hier gerade Werke an- und hochfahren. Wir haben das Glück, dass wir seit über 30 Jahren in Ungarn sind und eine sehr geringe Fluktuation von unter zwei Prozent haben. Das hat sowohl etwas mit unserem guten Lohnniveau als auch den zusätzlichen Leistungen des Unternehmens zu tun. Die Fluktuation können wir bequem ersetzen, unter anderem über die Győrer Széchenyi-Universität, mit der wir sehr eng zusammenarbeiten, oder über unsere Audi-Akademie.

Wie bewerten Sie die externen Standortbedingungen?

Wir haben mit der Stadt Győr und der Regierung eine sehr gute Zusammenarbeit. Es hilft natürlich, dass wir als zweitgrößter Arbeitgeber hier einen sehr guten Zugang zu den entsprechenden Behörden haben und von diesen auch gehört werden. Alles funktioniert sehr gut. Ich wüsste nicht, worüber ich mich beschweren sollte.

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Zusammen mit Außenwirtschaftsminister Péter Szijjártó: „Wir haben mit der Stadt Győr und der Regierung eine sehr gute Zusammenarbeit.“

Stichwort: Bürokratie.

Es ist wirklich alles im grünen Bereich.

Spielt das von westlichen Mainstreammedien geprägte negative Image von Ungarn bei Ihren Investitionsentscheidungen eine Rolle?

Es geht bei solchen Entscheidungen primär um wirtschaftliche Aspekte. Dabei sind günstige Rahmenbedingungen inklusive Infrastruktur, offene Grenzen und Handel ohne Einschränkungen sowie gut qualifizierte Arbeitskräfte besonders im Fokus.

Auch von Seiten der deutschen Arbeitnehmervertretungen gibt es keine Probleme?

Die jeweilige Landespolitik ist wirklich kein bestimmendes Thema bei der Abwägung von Investitionsentscheidungen auf Konzernebene.

Die Beziehungen zwischen Ungarn und der EU erreichen immer neue Tiefpunkte. Machen Sie sich Sorgen wegen eines möglichen Huxit?

Solche Diskussion gibt es bei uns auch intern nicht. Wir als Deutsche haben Ungarn viel zu verdanken in unserer jüngsten Historie. Ich fühle mich in diesem Land sehr wohl. Ich glaube, wir sind alle ein Stück weit seelenverwandt und kommen sehr gut miteinander aus. Es wäre schade, wenn sich das aufgrund von politischen Bewegungen – von welchem Land diese auch immer ausgehen mögen – künstlich entzweien würde.

Es gibt bei Audi also keinen Plan B auf der Basis eines möglichen Huxits?

Nein, gibt es nicht. Sonst hätten wir bestimmt auch nicht den Terramar und neue E-Antriebsgenerationen bekommen.

Ein Gedanke zu “Modern und flexibel

  1. Vielen Dank, dass Sie Herrn Breme viele hartnäckige Fragen zum Thema ‘Verbrenner’ und ‘Huxit’ gestellt haben. Ich vermute, er hat dazu noch eine zweite, inoffizielle Meinung. Als Standortleiter muss er sich aber aus solch politischen Entscheidungen natürlich raushalten. Mit dem beginnenden Zusammenbruch des woken Wahns wird sich in dieser Hinsicht mMn einiges (positiv) verändern.

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