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Gina Ágnes Asztalos (BASF) zusammen New Energy-Geschäftsführer Viktor Váradi auf dem Gelände des Pyrolysezentrums der Firma in Dunaharaszti: „Unser Ziel ist es, gemeinsam herausfinden, ob geeignetes Pyrolyseöl auch aus nicht sortenreinem Altkunststoff hergestellt werden kann.“ (Foto: BASF Hungaria)

BASF / New Energy

Ungarische Lösung für globales Problem

Auf Meeren treibende riesige Teppiche aus Kunststoffabfällen und insbesondere in der Dritten Welt mit Plastikmüll verdreckte Flüsse und Landschaften lassen keinen Zweifel: die Verschmutzung der Umwelt durch Kunststoffabfälle stellt ein immer größeres globales Problem dar. Eine kürzlich beschlossene Kooperation zwischen der BASF SE und der ungarischen Firma New Energy Kft. könnte einen Ausweg aus dieser Situation bieten.

New Energy ist bereits seit zwölf Jahren auf dem Gebiet des Recyclings von Altreifen aktiv. In ihrer Pyrolyse-Anlage in Dunaharaszti werden inzwischen pro Jahr rund 9.000 Tonnen an Altreifen über thermochemische Prozesse in wiederverwertbare Bestandteile zerlegt. Konkret in sogenanntes Pyrolyseöl, Ruß und Stahl.

Reifen werden verflüssigt

Die Reifenpyrolyse ist ein Verfahren zum Recycling von alten Fahrzeugreifen, das bereits in der Vergangenheit getestet wurde, aber nie im großen Maßstab zum Einsatz kam. Selbst in der ehemaligen DDR gab es bis 1989 eine Anlage, in der unter Anwendung des sogenannten Hamburger Verfahrens Altreifen verwertet wurden.

Bei dem Prozess werden vorher geschredderte Reifen einer Temperatur von um die 500 Grad Celsius ausgesetzt. Da dabei Sauerstoff ferngehalten wird – was sonst zur Oxidation, also einer einfachen Verbrennung führen würde –, zerfallen die komplexen Polymere in kleinere Moleküle, die die Anlage am Ende in flüssiger Form, nämlich als Pyrolyseöl verlassen.

„Wir haben fast ein Jahrzehnt damit verbracht, um unsere Technologie zu entwickeln und zu optimieren und betreiben nun erfolgreich eine Anlage, die im industriellen Maßstab Altreifen in Sekundärrohstoffe umwandelt“, erklärt Viktor Váradi, Geschäftsführer von New Energy. Seiner Einschätzung nach gehört seine Firma beim Aufbau einer Kreislaufwirtschaft für Reifen zu den Vorreitern.

Neuer Rohstoff für die chemische Industrie

Das entstehende Pyrolyseöl kann in der chemischen Industrie wieder als Rohstoff eingesetzt werden. Dort kann das Pyrolyseöl in komplexe Polymere umgewandelt werden, aus denen dann neue Kunststoffprodukte produziert werden können.

Ruß wird hauptsächlich in der Reifenindustrie eingesetzt, wo er unter anderem für die mechanische Stabilisierung und schwarze Farbe von Reifen sorgt. Daneben kommt Ruß auch als Pigment, beispielsweise in den Patronen von Laserdruckern zum Einsatz. Die Verwendung des dritten Endproduktes, also von Stahl, der zuvor in Form von Drahtgeflechten für eine Stabilisierung der Reifen sorgte, ist evident. Die Zerlegung von Altreifen in wiederverwendbare Komponenten ist also Recycling im besten Sinne.

Kooperationsvereinbarung mit der BASF

Genau damit zog New Energy auch das Interesse von BASF auf sich. Im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie spielt dort das sogenannte ChemCycling, also das Gewinnen von Rohstoffen aus Altmaterialien und die anschließende Einspeisung der gewonnenen Rohstoffe in den Produktionsprozess, eine immer größere Rolle. „Wir haben New Energy im Rahmen unseres Start-up-Screening-Prozesses entdeckt“, erklärt Dr. Thomas Narbeshuber, Geschäftsführer der BASF Hungaria. „Durch ihre langjährige Erfahrung bei der Reifen-Pyrolyse verfügt die Firma über ein für die BASF und deren ChemCycling-Aktivitäten sehr attraktives Know-how“, unterstreicht Gina Ágnes Asztalos, die innerhalb der BASF Hungaria die Zusammenarbeit mit New Energy koordiniert.

„Nachdem die BASF auf die Firma aufmerksam geworden war, begann ein über einjähriger Kennenlern- und schließlich Vertragsverhandlungsprozess“, berichtet sie weiter. Letztlich konnte Ende August eine entsprechende Kooperationsvereinbarung unterzeichnet werden. Vertragspartner der ungarischen Firma war dabei nicht die BASF Hungaria, sondern deren Mutter, also die BASF SE. „Das zeigt die Bedeutung, die in unserer Zentrale der Zusammenarbeit mit New Energy beigemessen wird“, würdigt Narbeshuber.

Die zwei Säulen der BASF/New Energy-Kooperation

Die Kooperation der beiden Firmen beruht auf zwei Säulen. Zum einen erhielt New Energy von der BASF eine Abnahmegarantie für das gewonnene Pyrolyseöl. Dabei geht es um eine Menge von jährlich bis zu 4.000 Tonnen, die in der Verbundproduktion von BASF in Ludwigshafen eingesetzt werden und dann dort die Verwendung von ebenso viel fossilem Rohstoff überflüssig machen. Aus dem Pyrolyseöl kann, genauso wie aus Rohöl, ein Großteil des Chemiestammbaums wieder aufgebaut werden.

Mit Blick auf das eingangs erwähnte globale Problem mit dem Kunststoffmüll ist aber besonders die zweite Säule der Kooperationsvereinbarung interessant. Diese sieht vor, dass auch die Pyrolyse von anderen Kunststoffabfällen getestet werden soll.

Gemeinsames Ziel ist eine Machbarkeitsstudie über die Herstellung von Pyrolyseöl aus verschiedenen Abfallströmen. In den kommenden Monaten und Jahren werden die Ingenieure und Chemiker beider Partner untersuchen, ob und unter welchen Prozessbedingungen das möglich ist. Getestet wird dabei auch, welche Plastiksorten sich eignen und welche Sortenreinheit gewährleistet sein muss.

Problem Sortenreinheit

Bisher stellt die Sortenreinheit eines der größten Probleme beim Recycling von Kunststoffen dar. Um Altkunststoffe etwa über Einschmelzen wieder in den Produktionskreislauf zurückzuführen, müssen sie sortenrein vorliegen. Das ist jedoch allenfalls bei Kunststoffabfällen gegeben, die in der Industrie anfallen. Bei Haushaltsmüll ist das schon weitaus schwieriger.

Deswegen wandert darin vorkommender Kunststoff bisher entweder auf die Deponie oder wird in Verbrennungsanlagen zur Gewinnung von Energie verwendet. In beiden Fällen verlässt der Kunststoff unwiederbringlich den Kreislauf. Neue Kunststoffprodukte können dann nur unter Verwendung von zusätzlichen fossilen, ergo endlich vorhandenen Rohstoffen hergestellt werden.

„Unser Ziel ist es jetzt, gemeinsam her­aus­zufinden, ob geeignetes Pyrolyseöl auch aus nicht sortenreinem Altkunststoff hergestellt werden kann, und wenn ja, unter welchen Prozessbedingungen“, beschreibt Gina Ágnes Asztalos das deutsch-­ungarische Projekt.

Kommerziell und in größerem Maßstab kommen weltweit etwa 30 Kunststoffe zum Einsatz, darunter so bekannte wie Polyethylen, Polypropylen und Polyester. Ihnen gemeinsam ist, dass sie aus Molekülen aufgebaut sind, die aus Kohlenstoff und Wasserstoff bestehen. Diese Ähnlichkeit ermöglicht es, ihre Polymere auf homogene Grundstrukturen „herunterzubrechen“. Lediglich bei Kunststoffen wie Polyvinylchlorid (PVC) könnte es sich wegen des beteiligten Chlors etwas schwieriger gestalten.

Meilenstein für die Lösung eines globalen Umweltproblems

„Wenn es gelingen sollte, Pyrolyseöl unter Verwendung von nicht sortenreinen Kunststoffabfällen herzustellen, dann wäre das ein wesentlicher Meilenstein für eine weitreichende Kreislaufwirtschaft“, unterstreicht Narbeshuber die Bedeutung der soeben beschlossenen deutsch-ungarischen Kooperation.

Sollte am Ende eine positive Machbarkeitsstudie vorliegen, dann könnten in der Folge Pyrolysezentren entstehen, die sich ganz oder überwiegend auf die Verarbeitung von Kunststoffabfällen konzentrieren. „Mit etwa vier bis fünf solcher Zentren könnte Ungarn sein Problem mit Kunststoffabfällen komplett und nachhaltig in Eigenregie lösen“, schätzt Narbeshuber. Er ist sich sicher, dass die gemeinsam entwickelte Technologie weltweit einen großen Anklang finden würde.

Einen besonders hohen möglichen Nutzeffekt der Technologie sieht Narbeshuber übrigens in den Entwicklungsländern. „Während es in den Industrieländern bei der Erfassung von Kunststoffmüll inzwischen eine gut funktionierende Infrastruktur gibt, ist das in den Entwicklungsländern nicht der Fall“, konstatiert er. Daher landet anfallender Kunststoffmüll dort überwiegend in der Umwelt. „Für diese Länder könnten Pyrolysezentren also eine segensreiche technische Entwicklung darstellen“, ist er sich sicher.

Nachhaltige und flächendeckende Lösung

Die BASF leistet mit der soeben beschlossenen Zusammenarbeit einen substanziellen Beitrag, um zur Lösung der Probleme beizutragen, die durch Kunststoffabfälle entstehen. Obwohl die BASF nicht vorhat, selbst einmal Pyrolysezentren zu betreiben – „Das passt nicht in unser Profil“ –, will sie sich auf keinen Fall zurücklehnen und warten, bis andere Firmen die Technologie soweit entwickelt haben, dass sie weltweit zum Einsatz kommen kann. „Wir sind bei der Entwicklung dieser Technologie proaktiv mit dabei und sorgen dafür, dass sie möglichst bald flächendeckend verfügbar ist“, formuliert Narbeshuber die Absicht der BASF.

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