Glosse: Beobachtungen eines Neu-Ungarn
Ungarischer Kaffee, die Schwarze Suppe
So war es bei mir mit dem ersten Kaffee, den ich in Ungarn bestellte: ein sehr starker Espresso, eher ein eingedampftes Gebräu, in dem fast der Löffel stehenblieb. Dabei hatte ich mich ursprünglich auf eine Kaffeetradition wie in Österreich gefreut. Einen „normalen“ Kaffee wie in Deutschland kennt man in Ungarn weniger. Daher begnügen sich die meisten Deutschen aus Unkenntnis der tatsächlich reichhaltigen Kaffee-Palette einfach mit einem Cappuccino.
Der ungarische Kaffee, der „kávé“ war eines der wenigen positiven Überbleibsel der osmanischen Besetzung – die Türken brachten uns den Kaffee. Der war schwarz und stark und hieß daher „fekete leves“, schwarze Suppe.
Ebenfalls aus der Türkei kommt die Eigenart, dass unangenehme geschäftliche Angelegenheiten nicht während des Essens besprochen werden. Erst danach, wenn der Kaffee kommt, geht’s ab. Daher kommt das ungarische Sprichwort „Hátra van még a fekete leves“ („Die schwarze Suppe ist noch nicht da.“), wenn man ausdrücken will, dass das Schlimmste noch bevorsteht.
Zur Habsburger Zeit in der Österreich-Ungarn-Monarchie lernten die Ungarn dann die Wiener Kaffee-Traditionen kennen. Allein in Budapest gab es Ende des 19. Jahrhunderts mehr als 500 Kaffeehäuser.
Diese Cafés waren soziale Treffpunkte, in denen sich Künstler und Intellektuelle ein Stelldichein gaben. Viele Kaffeehäuser stellten für die Dichter sogar Tinte und Papier kostenlos zur Verfügung und spendierten unter dem Namen „Kleine Literatur“ eine spezielle Brotzeit für brotlose Künstler.
Allerdings war während der sowjetischen Besatzung Schluss mit diesen „aufrührerischen Zentren“ – fast alle Kaffeehäuser wurden geschlossen. Zudem wurde auch für die normale Bevölkerung Kaffee unerschwinglich.
Nach der Wende erlebte die Kaffeekultur eine neue Blüte. Viele Hausfrauen nutzen heute die typisch italienische Espresso-Kanne für den Herd. In den Haushalten hat aber auch die „Heimbarista-Kultur“ Einzug genommen.
Was edle Kaffeehäuser betrifft, braucht sich Budapest heute nicht hinter Wien zu verstecken, im Gegenteil. So sollte jeder mal das Café Gerbeaud besuchen oder das für mich schönste Kaffeehaus der Welt, das Café New York.
Nach einer Legende soll 1894 nach der Eröffnung der ungarische Dramatiker Ferenc Molnár die Schlüssel zum Café in die Donau geworfen haben, damit es nie wieder schließt. Was dagegen sicher ist: anlässlich der 120-Jahr-Feier des Cafés 2014 warf die Direktion die Schlüssel tatsächlich in die Donau, damit das Café noch mindestens weitere 120 Jahre geöffnet bleibe.
Wir waren kürzlich dort und waren alleine von der Architektur dieses herrlichen Cafés begeistert. Zwar ist es nicht billig, dafür bekommt man für 12,50 Euro den Cappuccino oder Latte Macchiato mit fein gemahlenem 24-karätigen Gold serviert.
Natürlich kann man Kaffee auch zu erschwinglichen Preisen bekommen, hier und anderswo. Neben dem Espresso (der schwarzen Suppe) gibt’s als Kaffee-Spezialitäten auch den Doppelten, die Latte Macchiato oder den Cappuccino. Unserem „deutschen“ Geschmack entspricht eher der Americano (ein Espresso, zur Hälfte mit Wasser verdünnt) oder der spanische Cortado (da wird Milch zum Verdünnen genommen). Letzterer entspricht unserem „Milchkaffee“. Oder man probiert mal die „Ungarische Melange“, ein Mokka, der mit flüssigem Honig und Milch zubereitet wird.
Eine ganz besondere Spezialität ist der „Bécsi Kávé“ aus Wien – Kaffee serviert mit Eis, Schokoladeflocken, aufgeschäumter Milch und Schlagsahne: „Isteni!“ – „Göttlich!“.