Weihnachts- und Neujahrsbräuche in Ungarn
Ungarische Festtagstraditionen für Anfänger und Fortgeschrittene
In Europa, so auch in Ungarn, beginnt die Weihnachtszeit traditionell am ersten Advent. Die vierwöchige Adventszeit gilt seit dem 7. Jahrhundert als Vorbereitung auf Heiligabend. Lange bevor der Coca Cola-Weihnachtsmann, Jingle Bells, Rentiere und bunte Lichterketten Einzug in europäische Haushalte hielten, galt die Zeit vor Weihnachten hier als Fastenzeit. Unvorstellbar, wenn man sich heute in Lebensmittelgeschäften so umsieht – gerade aus dem Sommerurlaub zurück, führt in Deutschland kaum mehr ein Weg vorbei an Lebkuchen oder Christstollen.
In Ungarn sind es die „szaloncukor“ (dt.: Salonzucker), die in ihren farbenprächtigen Verpackungen an Bonbons erinnern und hierzulande zu Weihnachten gehören, wie der Sekt zu Silvester. Ursprünglich wurden diese Schokopralinen mit ihren unterschiedlichen Füllungen – von Marzipan, über Fruchtgelee bis hin zu Schokocreme – selbst hergestellt. Sie sind in Seidenpapier verpackt und schmücken als süße Versuchungen die ungarischen Weihnachtsbäume. Kaum ein Kind in Ungarn, das nicht schon vom Tannenbaum genascht hätte. Der Name „Salonzucker“ geht übrigens auf die Tradition der feinen Gesellschaft zurück, den Weihnachtsbaum im Salon aufzustellen.
Wenn auch Sie Ihren Weihnachtsbaum mit diesen ungarischen Weihnachtsbonbons aufpeppen möchten, finden Sie hier ein Rezept dafür: http://www.myheimat.de/marburg/kultur/ungarische-w….
Die Bejgli: Mohn- und Nussrollen versüßen die Weihnachtfeiertage
Eine weitere süße Versuchung, die beim ungarischen Weihnachtsfest nicht fehlen darf, sind die „bejgli“ (dt. Beigel oder Beugel). Das Rezept dieser süßen Teigrollen mit Mohn- oder Nussfüllung wird häufig von Generation zu Generation weitergegeben und immer weiter verfeinert. Obwohl der Ursprung der bejgli nicht eindeutig geklärt werden kann, gilt es als sehr wahrscheinlich, dass diese Tradition aus dem deutschen Raum stammt. In Schlesien sind ähnliche Formen dieses Gebäcks seit dem 14. Jahrhundert nachweisbar. Aber auch polnische Juden stellten das Gebäck auf ähnliche Weise her – in Polen sind die Beigel noch heute als „makowiec“ bekannt. Selbst eine Verwandtschaft zu den amerikanischen „Bagel“ wird den bejglis nachgesagt. Nicht auszuschließen, schließlich klingen beide Namen doch erstaunlich ähnlich. Auch wenn ihr Ursprung ungeklärt bleibt, diese ungarischen Teigrollen schmecken den Ungarn nicht nur zu Weihnachten – auch zum Osterfest werden sie gerne verzehrt. Im ungarischen Volksglauben verheißt vor allem die Mohnrolle gutes: so soll sie zu einer langen und guten Ehe beitragen.
Hier ein Rezept für die ungarischen bejgli: http://www.kuechengoetter.de/rezepte/beigli-44316.
Der Luzientag: Von Liebeszaubern und Zwangsurlaub für Frauen
Der ungarische Volksglaube kennt rund um die Weihnachtszeit einige Besonderheiten, wie etwa den St. Luzien-Tag (ung.: Luca Napja) am 13. Dezember. Dieser Tag galt seit Einführung des Gregorianischen Kalenders als kürzester und dunkelster Tag des Jahres. Deshalb fanden an diesem Tag Fruchtbarkeits- und Liebesbräuche statt. So versuchten zum Beispiel viele junge Mädchen beim Bleigießen herauszufinden, welchen Beruf ihr künftiger Ehemann haben würde. Und wenn ein Mädchen an diesem Tag den, in speziellen „Luca-Pogatschen“ versteckten Ring gefunden hatte, sollte sie im darauffolgenden Jahr heiraten. Auch wurde am Luzientag der besondere Luzien-Weizen gesät – wenn er einen langen Stiel bekam, konnte man mit guter Ernte rechnen. Besonders bemerkenswert ist das „Arbeitsverbot“ für Frauen am Luzientag. Vor allem dessen Erklärung: So sollten die Frauen die Arbeit deshalb ruhen lassen, um dadurch die Produktivität der Hühner zu steigern.
Dieser Brauch hat sich aber im Verlauf der Jahrhunderte als unpraktikabel erwiesen – waren seinetwegen doch ungarische Männer in Sachen Haushalt, für einen ganzen Tag auf sich alleine gestellt. Praktiziert wird bis heute allerdings der Brauch des Luzien-Stuhls. Diesem Brauch folgend sollte jeder Mann am 13. Dezember damit beginnen, einen Stuhl aus unterschiedlichen Holzarten zu bauen. Der Stuhl musste am 24. Dezember fertiggestellt werden, woher auch die ungarische Redewendung stammt: „Das dauert so lange wie der Luzien-Stuhl.“ Wer sich um Mitternacht an Heiligabend auf den Stuhl stellte, konnte der Volksglaube nach erkennen, wer unter den Anwesenden eine Hexe sei. Manch ein ungarischer Ehemann soll dabei seine eigene Ehefrau erkannt haben.
Das Hirtenspiel: Eine Hommage an das ungarische Hirtentum
Ein Brauch, der sich – vor allem in ländlichen Gegenden Ungarns – bis heute gehalten hat, ist das Hirten- oder auch Krippenspiel von Kindern und Jugendlichen. Ähnlich der deutschen Variante des Sternsingens, ziehen sie von Haus zu Haus und bieten ihre Darbietung der Weihnachtsgeschichte gegen eine kleine Spende an. Damit werden zum Beispiel Bedürftige und Notleidende unterstützt. Charakteristisch ist dabei, dass nicht etwa die Heiligen Drei Könige im Mittelpunkt der Geschichte stehen, sondern einfache Hirten. Verwundern sollte dies in einem Land, das wie Ungarn jahrhundertelang von umherziehenden Hirten geprägt wurde, eigentlich nicht. Auch die Tatsache, dass dieser stolze Berufsstand, in einem kleinen Land wie Ungarn nicht weniger als fünf eigene Hirtenhund-Rassen hervorgebracht hat, zeigt, wie tief verwurzelt das Hirtentum in Ungarn ist.
Die Fischsuppe: Der Klassiker des ungarischen Weihnachtsfestes
Doch auch ein anderer Berufsstand ist in Ungarn sehr beliebt – der des Fischers. Wie sonst ließe sich erklären, dass man auf ungarischen Festtafeln an Heiligabend nicht etwa Geflügel vorfindet, sondern Fisch. Wer denkt, die gefüllte Gans des ungarischen Kollegen sei eine landestypische Tradition, der irrt. Diese Variation hat erst in den letzten Jahrzehnten den Weg aus England oder Amerika in das ungarische Weihnachtsfest gefunden.
In Ungarn symbolisiert nichts mehr das traditionelle Weihnachtsessen, wie das „halászlé“ (dt.: Fischsuppe oder wörtlich: „Fischersuppe“). Diese Suppe, die aus dreierlei Fischsorten gekocht wird, nämlich Karpfen, Barsch und Wels, ist sehr deftig und – wenn wundert´s in Ungarn – recht scharf. Im Anschluss an diesen Klassiker, der eigentlich schon als Hauptspeise durchgehen würde, wird der zweite Gang serviert. Auch der zweite Gang besteht aus Fisch, vor allem aus gebratenem oder panierten Karpfen oder Zander. Die starke Symbolkraft des Fisches für das ungarische Weihnachtsfest wird noch dadurch verstärkt, dass der Volksglaube auch hier die eine oder andere Prophezeiung bereithält.
So sollen etwa die Fischschuppen viel Geld bringen. Die schnelle Beweglichkeit des Fisches soll sich indes auf die Familie übertragen, die den Fisch verzehrt – auch sie soll sich im nächsten Jahr stetig vorwärts bewegen. Für einen guten Fang im nächsten Jahr legt der Fischer an Heiligabend ein Fischernetz unter den Festtagstisch.
Wenn auch Sie nun Lust bekommen haben, von den vielen positiven Nebeneffekten des Fisches zu profitieren, finden Sie hier ein Rezept für eine traditionell ungarische Fischsuppe: http://www.mamas-rezepte.de/rezept_Ungarische_Fisc…
Die Krautwickel: Wer hat sie erfunden?
Eine weitere Delikatesse, die sich zur Weihnachtszeit in Ungarn – und auch in Siebenbürgen – finden lässt, sind die Krautwickel (ung.: töltött káposzta). Auch um diese, aus eingelegten und fermentierten Krautblättern, zusammen mit einer Reis-Hackfleisch-Mischung zubereitete Speise, ranken sich, abhängig von Region, Kultur und Religion, verschiedene Mythen.
Vor allem in Siebenbürgen beanspruchen gleich mehrere Ethnien, die ersten gewesen zu sein, die diese festlichen Wickel zubereitet hätten. Die Ungarn kennen demnach die „töltött káposzta“, die Siebenbürger Sachsen das „gefealt Krokt“ und die Rumänen die „Sarmale“. In Mittel- und Osteuropa kennen auch Russen, Polen und Ukrainer diese Tradition. In Österreich nennt man sie „Krautrouladen“, in Deutschland sind sie unter „Kohlrouladen“ bekannt.
Doch zum weihnachtlichen Brauchtum gehören diese kleinen und äußert schmackhaften Krautwickel vor allem in Mittel- und Osteuropa, so auch in Ungarn. Hierhin haben sie die Osmanen als eine Art kulinarische Hinterlassenschaft mitgebracht. Aufgrund des hohen Vitamin-C-Gehalts von Kraut, erfreute sich dieses osmanische Erbe vor allem in der kalten Winterzeit großer Beliebtheit. Das gefüllte Kraut kommt in Ungarn vor allem in den ersten Weihnachtsfeiertagen auf den Tisch und wird, so weiß jedes Kind, von Tag zu Tag besser. Den einzigartigen Duft von warmen Krautwickeln, der zur Festzeit aus ungarischen Küchen strömt, verbinden viele Ungarn mit Familie und Weihnachten.
Um die „töltött káposzta“ nachzukochen, brauchen Sie nur etwas Geduld und Liebe zum Detail. Hier geht’s zum Rezept: http://www.kochbar.de/rezept/283331/Ungarische-Kra….
Der geweihte Wein: Gegen Halsschmerzen und für gute Laune
Nachdem der Heiligabend und die ersten beiden Weihnachtsfeiertage in Ungarn vorbei sind, findet am 27. Dezember der Johannistag statt. Viele Familien, vor allem in ungarndeutschen Dörfern, lassen an diesem Tag ihren Wein weihen, weshalb auch von der Weinweihe gesprochen wird. Der Überlieferung nach, sollte vom frisch geweihten Wein getrunken werden, damit man im nächsten Jahr keine Halsschmerzen bekommt. Auch goss man den geweihten Wein mit der Hoffnung in die gefüllten Fässer zurück, dass es im darauffolgenden Jahr wieder eine reiche Weinernte geben werde. In manchen Regionen Ungarn glaubt man auch, dass der geweihte Wein magische Kräfte besitzt und kranke Menschen und Tiere heilen könne. Gute Laune macht er allemal.
Die Silvesterfeier: Um Mitternacht wird´s den Ungarn warm ums Herz
Bevor das neue Jahr anbricht, feiert man auch in Ungarn gerne eine ausgiebige Silvesterparty. Begleitet von Knallern und Böllern wird so das neue Jahr willkommen geheißen und sich „BUÉK“ gewünscht. BUÉK ist die Abkürzung von „Boldog Uj Évet Kivánok“ und bedeutet so viel wie „Frohes Neues Jahr“. Wenn Sie planen, Silvester inmitten von Ungarn zu feiern, dann wäre es vielleicht nicht verkehrt, die drei Strophen der ungarischen Nationalhymne zu lernen. Und wenn Ihnen das auf die Schnelle nicht gelingen sollte – legen Sie zumindest pünktlich um Mitternacht Ihre Hand mit dramatischer Geste an Ihr Herz. In Ungarn wird um Mitternacht die Nationalhymne gespielt und für kurze Zeit hält jeder Ungar inne, gedenkt dem Vaterland, dem einst großen ungarischen Königreich und bestärkt mit inbrünstigem Gesang den Text der Hymne – als Ungar habe man schon genug gebüßt, für Vergangenes und Kommendes. Segne Herr die Ungarn mit frohem Mut. Und das tut er, denn im Anschluss an die Nationalhymne wird fröhlich weitergefeiert.
Der erste Tag des Jahres: Faulheit wird bestraft!
Nach dem rauschenden Fest ist am 1. Januar in Ungarn Vorsicht geboten. Sie sollten nicht zu viel Zeit darauf verwenden, die nächtliche Feier auszukurieren oder sich den halben Tag im Bett zu wälzen. Dem ungarischen Volksglauben nach werden Sie nämlich das ganze Jahr über das tun, was Sie am ersten Tag des Jahres tun. Faulheit, Antriebslosigkeit oder Trunkenheit sollten also tunlichst vermieden werden. Dagegen empfiehlt es sich, an diesem Tag möglichst viele Linsen zu essen – denn die bringen, ähnlich den Fischschuppen, viel Geld im neuen Jahr.
Ein letzter Tipp des Jahres sei Ihnen an dieser Stelle mit auf den Weg gegeben: Essen Sie am 1. Januar unter keinen Umständen Geflügel!! Der Verzehr von jeglicher Form von Geflügelfleisch soll das Glück im nächsten Jahr von Ihnen praktisch abprallen lassen.
In diesem Sinne: Boldog karácsonyi ünnepeket és BUÉK!!!
Der erste Weihnachtsbaum in Ungarn
Haben Sie gewusst, dass der erste Weihnachtsbaum in Ungarn in enger Verbindung mit dem deutschen Komponisten Ludwig van Beethoven steht? Es war zwar nicht der Virtuose selbst, der den Tannenbaum gefällt und in ein ungarisches Wohnzimmer gebracht hat, aber er kannte die Person, die den Weihnachtsbaum nach Ungarn brachte, persönlich. Es handelte sich dabei um die österreichisch-ungarische Gräfin Therese von Brunsvik, die 1824 die Weihnachtsbaumtradition aus Tirol nach Ungarn brachte. Die Gräfin war indes keine Geringere als die Schwester von Josephine von Brunsvik, also von Beethovens „unsterblicher“ Geliebten. Beethoven lebte übrigens einige Jahre im ungarischen Martonvásár im Schloss der Brunsviks und komponierte dort auch – zu Weihnachten sicher im Angesicht eines Weihnachtsbaums.