Neu-Ungar Detlev Schönauer. Foto: Privat

Glosse: Eindrücke eines Neu-Ungarn, Teil 38

Im Herzen von Budapest: Das Parlament

Kommt man nach Budapest und überquert die Margareten- oder die Kettenbrücke, fällt einem stets der imposante Bau des ungarischen Parlaments ins Auge – ein wahres Kleinod im neogotischen Stil, errichtet zwischen 1885 und 1904 vom deutschstämmigen Ungarn Imre Steindl.

Wobei „Kleinod“ eher irreführend ist: der Bau hat immerhin eine Grundfläche von 33.000 qm und eine Höhe von 96 m. Dabei weist die 96 auf das Jahr 896 hin, das Jahr der Landnahme durch die Ungarn. Die 365 Türmchen symbolisieren wiederum die Zahl der Tage eines Jahres. Mit seinen 29 Treppenhäusern und 691 Räumen zählt das Bauwerk zu den größten Parlamentsgebäuden der Welt – und das schönste ist es sowieso.

Überall im Gebäude sind reiche, in Gold gehaltene Verzierungen zu finden, dazu wurden 40 Kilo 24-karätiges Gold verwendet. Vor dem Sitzungssaal findet man den mit 7 mal 21 m größten geknüpften Teppich Europas. Schon beim Bau des Gebäudes wurde eine besondere Art von Klimaanlage erdacht. Vor dem Gebäude wurden zu diesem Zweck zwei Springbrunnen errichtet, unter denen verborgende Öffnungen angebracht waren, die der Luftzirkulation dienten. Tunnel transportierten dann die wassergekühlte Frischluft bis in die Sitzungssäle.

Das Gebäude ist dreigeteilt: in der Mitte befindet sich der mächtige Kuppelsaal, seitlich davon gibt es zwei fast identische Sitzungssäle. Zur Zeit des Baus gab es in Ungarn nämlich ein Zweikammernparlament. Heute tagt in einem der Säle das Parlament, der andere wird nur bei Führungen gezeigt und kann aber auch für Veranstaltungen gemietet werden.

Unter der beeindruckenden Kuppel wird die Stephanskrone aufbewahrt, die von der Kronwache rund um die Uhr bewacht wird. Jede Stunde kann man der Wachablösung beiwohnen. Allerdings ist das Fotografieren verboten! Heute nutzen jährlich rund 700.000 Besucher die Gelegenheit, das ungarische Parlament zu besichtigen. Es gibt natürlich auch Gruppenführungen in deutscher Sprache. Das Parlament ist das meistbesuchte Gebäude Budapests. Gerade für Schulklassen gehört sein Besuch zum Muss.

Die schönste Sicht auf das Parlament hat man vom Budaer Donau-Ufer, besonders in der Nacht. Foto: BZ / Jan Mainka

Das deutsche Pendant ist der Reichstag in Berlin, den man ebenso besuchen kann, schließlich lädt der Leitspruch an der Fassade regelrecht dazu ein: „Dem Deutschen Volke!“ Aber wer weiß, wieviel Jahre Cancel Culture er überhaupt noch überlebt. Denn schon lange bestehen in der deutschen Regierung Vorbehalte dagegen.

Wenn man sich die neueren Pläne zum Umbau der Umgebung des Reichstags vor Augen hält, wäre es jedoch vielleicht ehrlicher, die Inschrift zu ergänzen: „Angst vor dem Deutschen Volke!“ Denn der deutsche Reichstag soll zu einer regelrechten Trutzburg ausgebaut werden: es werden seitlich 2,5 m hohe Mauern hochgezogen. Auch ein riesiger Wassergraben vor der Haupttreppe soll das deutsche Parlament vor Eindringlingen schützen.

In Budapest gibt es seit der Wiedergeburt des Kossuth tér vor dem Parlament in seiner ursprünglichen Schönheit vor ein paar Jahren – zuvor bestand er nur aus einem asphaltrissigen Parkplatz und einigen lieblosen Rasenflächen – keinerlei Ambitionen, das Parlament gegen mögliche Eindringlinge zusätzlich abzuschirmen. Die ungarischen Volksvertreter scheinen sich auch so sicher genug zu fühlen …

Der Autor ist Dip­lom-­Physiker, machte dann aber die Musik und die Liebe zur Sprache zu seinem Beruf und wurde Kabarettist. In den vergangenen 40 Jahren stand er mehr als 6.000 Mal auf der Bühne und war in zahlreichen Fernsehsendungen zu Gast. Nebenbei schrieb er sechs Bücher. Seit 2020 lebt er mit seiner Frau in der Nähe des Balaton. Mehr zu Detlev Schönauer finden Sie in diesem BZ-Interview.

2 Antworten auf “Im Herzen von Budapest: Das Parlament

  1. Die Gebäude von Stephan Braunfels und Axel Schultes neben dem Reichstag sind typisches Beispiel deutscher Schachteln mit Käselöchern. Manche sind so groß, dass nur Elefanten hindurchgehen. Oder eben Ricarda Lang. Samt geplanter Erweiterung wird eine städtebauliche
    Hässlichkeit errichtet, die den dummen deutschen Michel sehr belasten wird.

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  2. Informationen zum ungarischen Parlamentsgebäude abgeschrieben aus den zahlreichen Publikationen, die im Netz jedem in noch besserer Darstellung zur Verfügung stehen.
    Keine besondere Information, wie z.B. dass der erblindete Architekt sein Werk nie sehen konnte…
    In Deutschland herrscht eine volksfeindliche, gegen alle Interessen der Menschen gerichtete ferngesteuerte Politik, die die bereits in “großen Französischen Revolution gewonnene Erkenntnis: “Der größte Feind des Volkes ist die Regierung” voll bestätigt!

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