Neu-Ungar Detlev Schönauer. Foto: Privat

Glosse: Eindrücke eines Neu-Ungarn, Teil 35

Ich lerne ungarisch – Tanulok magyarul…

Immer wieder höre ich, wie kompliziert die ungarische Sprache ist und wie schwer sie zu erlernen sei.

Doch je mehr ich mich mit ihr beschäftige, desto deutlicher wird mir, wie logisch diese Sprache eigentlich ist. Und wie schön noch dazu! Wo gibt es schon so etwas wie Vokalharmonie, bei der die Vokale von Wortbestandteilen klanglich einander angepasst werden, damit sie harmonisch zusammenklingen und leichter auszusprechen sind.

Zurückversetzt in die eigene Schulzeit

All das wollte ich genauer wissen und habe daher einen vierwöchigen Intensivkurs in Budapest absolviert. Die vier Stunden Gruppen-Unterricht am Tag waren zwar anstrengend, haben aber viel Spaß gemacht. Voller Nostalgie erinnerten sie mich an meine Schulzeit: morgens Unterricht, nachmittags Hausaufgaben und dann auf die Piste. Gut, bei einem Rentner beschränkt sich letztere auf ein paar Konzertbesuche und die Erkundung des reichhaltigen gastronomischen Angebots.

Was das Ungarische für viele so schwierig macht, ist unter anderem die Tatsache, dass es so viele kurze Worte gibt, die nur aus drei oder vier Buchstaben bestehen und die man daher leicht verwechselt. Schon ein vergessener Akzent kann die Bedeutung eines Wortes total verändern. Diese kurzen Wörter werden oft zu längeren zusammengesetzt und bekommen einen neuen Sinn. Manches ist recht kurios. So werden beispielsweise auch Körperteile sprachlich so zusammengefügt. So heißt Bein „láb“, der Kopf „fej“ und ein Finger ist ein „ujj“. Der Fuß, der „lábfej“ ist also der „Beinkopf“ und die Zehe, „lábujj“ ist der „Beinfinger“.

Konsequent und einfach

Schön ist, dass die Aussprache sehr deutlich und konsequent ist, jedes Wort wird auf der ersten Silbe betont. Vieles ist sogar besonders einfach, so etwa die Bildung der Vergangenheit oder der Zukunft, oder auch, dass es nur ein Geschlecht gibt. Dass man in Ungarn auf den typisch deutschen Genderwahn verzichtet, ist übrigens nicht dem „bösen Orbán“ anzulasten, sondern liegt in der geschlechterneutralen Sprache begründet.

Der Autor auf der Ungarisch-Schulbank: „Im Ungarischen wird sich auf das Wesentliche konzentriert!“ Foto: Ulysses Nyelviskola/ Enikő Köröndi

Die im übrigen auch sehr witzig klingen kann, wenn ähnlich klingende Wortsplitter aneinandergereiht werden. Da kommt schon mal so etwas wie „gyerekeiknek“ heraus (für ihre Kinder). Eines meiner Lieblingswörter ist „csütörtök“ (Donnerstag) – nicht zu verwechseln mit sütőtök (Kürbis) – und „diótörő“ (Nussknacker).

Auffällig sind die vielen unterschiedlichen Anhängsel. Eine Freundin beschwerte sich mal, sie höre immer nur ből, bal, ről oder nök, nek, nak! Aber das ist eben der große Unterschied zu den uns besser bekannten Sprachen wie Englisch, Französisch oder Spanisch. Nämlich, dass man im Ungarischen grammatikalische Konstruktionen wie Präpositionen, Zeiten, Fälle oder Possessivpronomen nicht als einzelne Worte kennt, sondern als sogenannte Suffixe, die an das Hauptwort angehangen werden, wie Waggons an eine Lok. Dadurch wird der Zug zwar immer länger, wirkt aber nur so lange verwirrend, bis man lernt, wo die einzelnen Waggons zu trennen sind.

Der Vorteil dabei ist, dass aus einem längeren deutschen Satz im Ungarischen ein viel kürzerer wird. Zur Kürze trägt auch bei, dass gerne Wörter weggelassen werden, wenn der Sinn der Aussage auch ohne sie klar ist. Das gefällt mir am Ungarischen besonders gut: statt auf ödes, zeitraubendes Geschwätz konzentriert man sich hier eben auf das Wesentliche!

Der Autor ist gelernter Diplom-­Physiker, machte dann aber die Musik und die Liebe zur Sprache zu seinem Beruf und wurde Kabarettist. In den vergangenen 40 Jahren stand er mehr als 6.000 Mal auf der Bühne und war in zahlreichen Fernsehsendungen zu Gast. Nebenbei schrieb er sechs Bücher. Seit 2020 lebt er mit seiner Frau in der Nähe des Balaton. Mehr zu Detlev Schönauer finden Sie in diesem BZ-Interview.

Ein Gedanke zu “Ich lerne ungarisch – Tanulok magyarul…

  1. The Big Five- Atomwissentschlaftler in der USA waren ausnahmslos Ungarn.
    Auf die Frage, wie kommt es, dass sie alle, einzelnen und zusammen, so hervorragende Wissenschaftler waren.
    Untereinander sprechen sie ungarisch. Einer sagte , die ungarische Sprache extrém lohisch und einfach ist. Ihnen blieb deshalb von Kindersbein ab mehr Zeit zu denken.

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