„Unsere Partei wurde ideologisch von Leuten übernommen, die eine ganz andere Politik wollen und die bei den Grünen oder den Sozialdemokraten viel besser aufgehoben wären.“ (Foto: BZT / Cyril Moog)

Gespräch mit dem Rechtsanwalt und ehemaligen BfV-Präsidenten Hans-Georg Maaßen

„Wir brauchen eine Politikwende“

In der vergangenen Woche war der ehemalige Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (2012-2018) Hans-Georg Maaßen zu Besuch in Ungarn. Nach einem Vortrag an der Verwaltungsuniversität unterhielten wir uns mit ihm über die Zukunft der CDU sowie über die Meinungsfreiheit und den Linksextremismus in der Bundesrepublik.

Waren Sie schon einmal in Ungarn?

Ja, sogar mehrfach, unter anderem als BfV-Präsident. Es waren immer angenehme, von gegenseitigem Respekt getragene Begegnungen, an die ich mich gerne zurückerinnere. Daher habe ich jetzt auch ohne zu zögern die Einladung von Herrn Prőhle zu einem Vortrag angenommen.

Wir können den Ungarn dankbar sein, dass sie für uns 1989 die Grenzen geöffnet und 2015 geschlossen haben. Wir hätten es nicht geschafft.

Welche Verbindung haben Sie zur Werte Union der CDU?

Ich bin ihr im Februar beigetreten. Anfang des Jahres hatten wir knapp über eintausend Mitglieder, jetzt haben wir bald die 4.000er Marke erreicht. Wir werden auch immer stärker wahrgenommen. Viele Bürger finden uns gut und unterstützen uns. Auf der anderen Seite versuchen uns die gegenwärtigen Entscheidungsträger innerhalb der CDU mit allen Mitteln auszugrenzen. Aber wie heißt es so schön: Nur wenn man Gegenwind hat, bekommt man Auftrieb. Die Parteiführung macht einen Fehler nach dem anderen. Ich bin der festen Überzeugung, dass sie irgendwann einmal begreift, dass es ohne uns nicht mehr geht. Im Moment wage ich aber keine Prognose. Die Lage ist einfach zu volatil.

Vor – sagen wir – 15 bis 20 Jahren wäre es reine Zeitverschwendung gewesen, innerhalb der CDU eine WerteUnion zu gründen. Damals waren die Grundsätze der heutigen WerteUnion noch Parteilinie. Heute befinden sich jedoch Leute wie Sie, die ihren politischen Ansichten treu geblieben sind, mit einem Mal an der Peripherie der Partei und werden von der Parteiführung angefeindet. Eigentlich paradox!

In der Tat! Man braucht auch nur 10 bis 15 Jahre zurückzugehen. Da war Angela Merkel schon Parteivorsitzende. Wenn man an ihre damaligen Reden denkt, insbesondere zum Thema Migrationspolitik, könnte man den Eindruck gewinnen, sie sei ausgetauscht worden. Frau Merkel von heute redet ganz anders als Frau Merkel von vor 10 oder 15 Jahren. Die CDU hat – ohne grundlegende Beschlüsse – wesentliche Positionen der damaligen Zeit einfach aufgegeben. Sei es nun bei der Migrationspolitik oder auf anderen Politikfeldern.

Wir in der WerteUnion stehen hingegen dafür, dass die CDU nicht nach neuen möglichen Wählerschichten Ausschau hält und versucht, diese zu erschließen, sondern vielmehr die Interessen ihrer Mitglieder vertritt. Die Partei gehört nicht den Parteifunktionären, sondern den Mitgliedern. Es geht nicht darum, dass Parteifunktionäre durch die Partei an gut bezahlte Jobs in der Regierung, der Verwaltung oder der Partei kommen, sondern dass sie die politischen Zielstellungen der Mitglieder und der Anhängern umsetzen. Mit dieser Forderung befinde ich mich im Einklang mit vielen Parteimitgliedern.

An der Parteibasis der CDU geht es also noch etwas konservativer zu?

Es gibt dort natürlich auch Personen, die eine andere Meinung vertreten. Leider sind in den letzten Jahren schon sehr viele, eher konservativ denkende Bürger aus der Partei ausgetreten. Mehrere 10.000 Mitglieder haben unsere Partei bereits verlassen. Teilweise in Richtung AfD, teilweise in Richtung Nicht-Wähler. Jetzt geht es darum, die verbliebenen wertkonservativen Mitglieder zu mobilisieren, damit es in der Partei zu einer Politikwende kommt.

Die Hoffnung darauf, dass es zu einer Wende kommen kann, lässt Sie also weiter in der Partei bleiben?

Richtig. Ich bin nach wie vor Mitglied der CDU und lasse mich auch nicht aus ihr rausdrängen. So denken auch die anderen Mitstreiter in der WerteUnion. Wir wollen die CDU wiederhaben, in die wir vor vielen Jahren eingetreten sind. Das ist kein reaktionärer Wunsch. Die CDU ist nach unserer Überzeugung einfach keine sozialistische oder grüne Partei. Die CDU ist eine Partei mit eigenen Werten. Wir wollen, dass diese Werte wieder von der Parteiführung vertreten werden.

Was eigentlich selbstverständlich wäre, müssen Sie und Ihre Mitstreiter jetzt mit viel Zivilcourage korrigieren. Die Mitglieder der WerteUnion werden von den Parteikollegen extrem angefeindet, es wird ihnen ein Parteiaustritt nahegelegt und die Plattform als überflüssig dargestellt. Dabei wollen Sie einfach nur zurück zur Normalität. Da, wo CDU draufsteht, soll auch wieder CDU drin sein.

Ganz genau! Wenn ich heute jedoch das sage, was Frau Merkel noch vor einigen Jahren gesagt hat, dann gelte ich mindestens schon als rechts, wenn nicht sogar schon als rechtsextrem. Und das, ohne dass ich meinen politischen Standpunkt je geändert hätte. Lediglich die Parteiführung hat ihren Kurs radikal geändert.

Wie konnte das passieren? Wie konnte eine von außen kommende Person eine gestandene konservative Partei politisch derart umdrehen? Warum war Angela Merkel mit ihrer feindlichen Übernahme so erfolgreich?

Ich habe viel darüber nachgedacht, bin bisher aber zu keiner wirklichen Antwort gekommen. Tatsache ist aber leider, dass unsere Partei von Leuten ideologisch übernommen wurde, die eine ganz andere Politik wollen und die bei den Grünen oder den Sozialdemokraten viel besser aufgehoben wären. Uns bei der WerteUnion geht es einfach darum, die CDU wieder in das richtige Koordinatensystem zurückzuführen. Dann wird die CDU auch wieder adäquat auf die zahlreichen Herausforderungen der Gegenwart reagieren können.

„Ich bin nach wie vor Mitglied der CDU und lasse mich auch nicht aus ihr rausdrängen.“ (Foto: NKE / Dénes Szilágyi)

Warum fehlt ihr momentan der politische Wille zur wirksamen Eindämmung der Migration?

Ich glaube deshalb, weil man sich nicht mit den maßgebenden Medien und gesellschaftlichen Kräften anlegen möchte. Etwa mit den Kirchen, die als Teil der Asylindustrie nicht schlecht von der Migration profitieren.

Es sind also Opportunismus und Angst, die die Entscheidungsträger von CDU/CSU lähmen und davon abhalten, bei der Migrationsproblematik endlich im Interesse Deutschlands und seiner Bürger zu handeln?

Ja, ich vermute, das ist hier weit verbreitet. Der typische deutsche Politiker ist kein Held.

Inzwischen kann man jeden Tag – insbesondere in den lokalen Medien und den immer zahlreicheren freien Internetportalen – nachlesen, wohin das führt. Deutschland steuert zügig auf schwedische Verhältnisse zu. Trotzdem zögern die Verantwortlichen nach wie vor, etwa die Grenzen wieder richtig zu schützen oder abgelehnte Asylbewerber abzuschieben.

Bisher ist es für die Verantwortlichen politisch noch immer profitabler, bei der Migrationspolitik einen linken und grünen Kurs zu verfolgen. Sie können diesen Kurs ungestraft und ohne Konsequenzen gehen. Sie gehen einfach den Weg des geringsten Widerstandes. Langsam wird es aber anders, langsam geht es an die Substanz.

Die Migrationskosten werden immer drückender. Es scheint auch nur noch eine Frage der Zeit, bis die überlasteten Sicherheitsorgane bei zukünftigen geplanten islamistischen Anschlägen einmal nicht mehr rechtzeitig einschreiten können. Müssten diese und weitere absehbare negative Aussichten die Verantwortlichen nicht zu einer möglichst raschen Korrektur zwingen?

Ich weiß es einfach nicht. Ich weiß nicht, wie voll das Fass ist. Es kann sein, dass nur noch ein paar Tropfen fehlen. Es können aber auch noch ein paar Liter fehlen, bevor das Fass überläuft. Es hat mich schon sehr gewundert, dass es 2015 keinen erfolgreichen Widerstand in der CDU gab. Dabei haben viele Abgeordnete, mit denen ich gesprochen habe, die Entscheidung der Bundesregierung, hunderttausenden Asylsuchenden trotz der Drittstaatenregelung die Einreise zu gestatten, schon damals für falsch gehalten. Sie haben auch schon die sich abzeichnenden Folgen geahnt. Dennoch gab es keinen Widerstand. Im Gegenteil: Beim Karlsruher Parteitag im Dezember 2015 gab es über neun Minuten Standing Ovation für die Kanzlerin. Genau das ist ein Teil des Problems.

Ebenso wie die zunehmende Einengung des Meinungskorridors…

Diese Überzeugung höre ich immer häufiger. Nach einer Untersuchung des Allensbach-Instituts sind 78 Prozent der Bevölkerung der Meinung, dass man sich nicht mehr frei zu allen Themen äußern kann, weil man andernfalls ausgegrenzt oder als Rechtsextremist stigmatisiert wird. 58 Prozent der befragten Jugendlichen bei der aktuellen Shell-Jugendstudie sagen, dass sie nicht mehr öffentlich über Migration reden können, ohne Gefahr zu laufen, ausgegrenzt zu werden. Es ist für eine Demokratie tödlich, wenn so viele Menschen dieser Meinung sind. Solche Zahlen sind Warnsignale. Da muss die Politik handeln. Sie tut es aber leider nicht. Wenn ich mit einfachen Bürgern rede, dann sind wir stets gleich oder nach ein paar Worten beim Thema Meinungsfreiheit.

„Das Problem ist, dass die politische Linke, das linksliberale Bürgertum und die Grünen sich gegenüber Linksextremen nie wirklich abgegrenzt haben.“ (Foto: BZT / Cyril Moog)

Immer häufiger bleibt es in Deutschland nicht nur bei verbaler Gewalt gegen Andersdenkende, es kommt auch zu physischen Übergriffen. Zunehmend müssen in der Bundesrepublik Andersdenkende um ihr Eigentum und ihre Gesundheit fürchten. In meiner ursprünglichen Heimatstadt Berlin wurden im vergangenen Jahr nach offiziellen Polizeiangaben 446 Fahrzeuge durch Brandstiftung zerstört oder beschädigt, davon ein erschreckend hoher Anteil aus politischen Gründen. Tendenz steigend. Opfer sind nicht nur Andersdenkende, sondern auch „Reiche“ und andere Personengruppen, die den hauptsächlich aus dem linksextremen Milieu stammenden Tätern und ihrer „höheren Moral“ im Weg sind. Dem Staat scheint zunehmend der politische Wille zu fehlen, die gefährdeten Personen wirksam zu schützen.

Das sehen Sie vom Prinzip her richtig. Das Problem ist, dass die politische Linke, das linksliberale Bürgertum und die Grünen sich gegenüber Linksextremen nie wirklich abgegrenzt haben. Besonders deutlich wurde das Problem mit der Interventionistischen Linken beim G20-Gipfel in Hamburg, wo es eine breite Koalition gab vom linksliberalen Bürgertum bis hin in den gewaltbereiten Bereich. Derzeit besteht ein Brückenspektrum von Mitte-links bis nach linksextrem und gewaltbereit. Dort herrscht immer mehr die Tendenz zu sagen, dass man das gleiche Ziel verfolge und sich nicht für den Einsatz von unterschiedlichen Mitteln tadele, um dieses Ziel zu erreichen. Es ist ein gesellschaftliches Problem, dass linksextremistische Straftaten tendenziell kleingeredet werden. Oder es wird, wie von einem SPD-Politiker vorgemacht, gleich ganz versucht, linksextremistische Straftaten aus der Welt zu schaffen, zumindest verbal. Danach sind Gewalttaten immer nur rechter Herkunft. Wenn ein Linksextremist eine Straftat verübt, dann ist er erst einmal nicht der Täter. Sollte er dann doch überführt werden, dann war er kein Linker. Solche kruden Gedanken sind unter linken Politikern keine Seltenheit. Letztendlich unterstützen sie damit linksextreme Gewalt, und zwar argumentativ.

Aber Ihre Partei beziehungsweise die CDU/CSU stellt doch den Innenminister und könnte etwas dagegen tun. Nicht zuletzt auch aus purem Eigennutz. Denn sobald die CDU damit anfangen würde, wieder eine pro-deutsche, konservative Politik zu machen, würden die Vertreter Ihrer Partei genauso ins Visier der Linksextremisten geraten, wie schon heute die Vertreter der AfD. Bereits jetzt gibt es Übergriffe auf Ihre Partei. Vor einigen Wochen haben Linksextreme in Berlin ein Lokal verwüstet, in dem anderntags die CDU eine Zusammenkunft abhalten wollte. Auch unter den Leidtragenden der Hamburger Ausschreitungen oder der permanenten Anschläge auf Premiumfahrzeuge dürfte es CDU-Anhänger geben. Durch ihr Wegschauen nährt die CDU also etwas, das ihr selbst einmal zum Problem werden könnte.

Ich spüre das ja auch selber bei Veranstaltungen. Da bekommen wir gelegentlich von der Antifa Besuch… Es ist natürlich als Bundesinnenminister schwierig, eine für ganz Deutschland geltende Politik gegenüber dem Linksextremismus zu machen. Außerdem gibt es SPD-Landesinnenminister, die im Zweifelsfalle nicht mitziehen würden.

Das Problem mit brennenden Flüchtlingsheimen konnte die Politik trotz der Länderhoheit relativ schnell und nachhaltig aus der Welt schaffen. Warum versagt sie jetzt bei brennenden Autos?

Gegenüber rechtsextremen Straftaten herrscht bei uns seit jeher eine ganz andere Einstellung. Da braucht man keinen SPD-Innenminister groß zu überzeugen, etwas dagegen zu unternehmen. Das ist ein Selbstläufer. Bei linksextremer Gewalt ist die Lage schon schwieriger… Die vielen von der politischen Elite und den Medien gesetzten Signale gehen leider in die Richtung, dass sich viele Linksextremisten eher unterstützt fühlen.

Wie geht es mit Ihnen politisch weiter?

Ich bin kein Politiker. Ich bin als Rechtsanwalt für Medienrecht tätig. Ich bin aber ein politisch denkender Mensch. Ich möchte, dass es in Deutschland zu einer Politikwende kommt, weil es so nicht mehr weiter gehen kann. Deshalb melde ich mich auch immer wieder öffentlich zu Wort. Ich bin überzeugt davon, dass es in Deutschland zu einer Politikwende kommen wird. Mit diesen Politikern oder mit anderen.

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