Budapest
„Meine Aufgabe lautet, praktische Lösungen im Interesse der Budapester zu finden.“ Foto: Árpád Földházi

Interview mit dem für die Entwicklung von Budapest zuständigen Staatssekretär Balázs Fürjes

Wir sind zur Zusammenarbeit verdammt!

Der Staatssekretär spricht über die Bereitschaft und die Befähigung zu kooperieren, die im Verhältnis von Regierung und Hauptstadt auf beiden Seiten gegeben sein müssen. Den von der Opposition gestellten Oberbürgermeister sieht er in einer Opferrolle, die ihm niemand aufzwinge.

Ministerpräsident Viktor Orbán erklärte vor einem Jahr, noch in der Nacht der Kommunalwahlen, die Regierung sei bereit, mit der neuen Stadtführung von Budapest zusammenzuarbeiten. Sie versicherten Ihrerseits, das gleiche Verhalten an den Tag zu legen, wie einst unter OB István Tarlós. Ist Ihnen das gelungen?

Die Entwicklung von Budapest ist eine gemeinsame Aufgabe der Stadtführung und der Regierung, es ist unsere verdammte Pflicht zu kooperieren. Die Wähler richteten es im vergangenen Herbst so ein, dass sich zur rechten Regierung eine linke Stadtführung gesellte. In einer Demokratie heißt es in einer solchen Situation: „business as usual“. Es gibt weder Familien noch Freundschaften ohne Streitigkeiten. Natürlich streiten auch wir uns. Aber das muss mutig, offen und sachlich geschehen, auf der Suche nach konstruktiven Lösungen.

Würden Sie sich einem Streitgespräch mit OB Gergely Karácsony stellen?

Für Budapest zu jeder Zeit mit egal wem, der ernst zu nehmen ist. Der durch die Budapester gewählte Oberbürgermeister ist der erstrangige Zuständige für Budapest. Würde er sich dem Streitgespräch stellen, sollte es nicht an mir scheitern. Ich habe allerdings den Eindruck, er geht dem Dialog vor der Öffentlichkeit aus dem Weg. Es gibt keine regelmäßigen Pressekonferenzen, wie unter OB István Tarlós gewohnt, nur Facebook-Monologe. Dabei ist die Streitkultur ein Teil von Budapest.

Sie sprechen häufig eher nachsichtig über den Oberbürgermeister.

Meine Aufgabe lautet, praktische Lösungen im Interesse der Budapester zu finden. Ich bin überzeugt davon, dass ein entscheidender Faktor für individuelle und in der Gemeinschaft erzielte Erfolge die Bereitschaft und Befähigung zum Kooperieren sind. Es ist mein Naturell, im Team zu spielen. Doch um kooperieren zu können, braucht es immer mindestens zwei Seiten – da hängt viel von den Absichten und der Einstellung des anderen ab.

Im Rathaus meint man genau umgekehrt, die Regierung sei in vielen Fragen nicht zu Konsultationen bereit.

Die Rolle des Opferlamms anzunehmen ist das wichtigste politische Produkt der Linken; ständig wird reklamiert, gerechtfertigt, werden Einwände gesucht. Mal ist Tarlós schuld, mal die Regierung, mal die Hitze im Sommer, mal die Kälte im Winter. Damit soll der Anschein erweckt werden, dass wir es hier mit einer armen Stadt zu tun haben, die der bösen, aggressiven und rücksichtslosen Regierung ohnmächtig ausgeliefert ist. Sie würden ja gerne, aber es geht leider nicht. Auf diese Weise versuchen sie, Sympathien zu schüren und ihr Nichtstun zu kaschieren.

„Wir wollen im Entwicklungsrat eine nüchterne, fachliche Debatte über das Liget-Projekt. Wir suchen offen und ehrlich nach Lösungen.“ Foto: Árpád Földházi

Es war verblüffend zu sehen, dass auch Sie sich in den Wahlkampf in Borsod einmischten. Dabei attackierten Sie Karácsony scharf dafür, den durch die Linke ins Rennen geschickten Jobbik-Politiker László Bíró zu unterstützen. Was hatten Sie als Staatssekretär für die Entwicklung von Budapest in dieser Sache verloren?

Die Frage ist berechtigt. Ich habe mich aber das Gleiche gefragt: Wie kann der Stadtvater von Budapest einen Kandidaten unterstützen, der seinen Antisemitismus mit Begriffen wie „Judapest“ bekundet, und der antiziganistische Sprüche klopft? Einen Rassisten und Hassprediger? Was muss geschehen, damit der Oberbürgermeister seine Budapester vor den Nazis bewahrt, statt diese reinzuwaschen? Was folgt als nächstes, aus rein politischem Kalkül?

Budapest vor den Nazis schützen? Das ist aber doch etwas übertrieben in Verbindung mit Bíró…

Gergely Karácsony hat als Co-Vorsitzender der linken Partei Pár­beszéd ähnlich wie der Vorsitzende der Momentum-Bewegung, András Fekete-Győr, und ihre Verbündeten einen Nazi für eine Nachwahl um ein Parlamentsmandat nominiert. Im Wahlkampf wischte Karácsony den Rassismus-Vorwurf mit der Bemerkung vom Tisch, niemand sei perfekt. Und dann zog er für ein Wochenende nach Borsod, wo er persönlich für den Kandidaten warb, den Demokraten nicht tolerieren können. Kann das ein Koalitionszwang, ein erhoffter Sieg rechtfertigen? Während die gleichen Leute von Rechtsstaatlichkeit heucheln?

Aber müssen all diese Dinge ausgerechnet Sie zur Sprache bringen?

Der Oberbürgermeister von Budapest hat eine kritische Schwelle überschritten. Er hat etwas getan, was nicht akzeptiert werden kann. Er hat alle ungarischen Juden und Zigeuner verraten, alle anständigen Ungarn. Für ihn ist der Kampf gegen Ausgrenzung nur ein leerer Slogan. Es stimmt aber durchaus, dass politische Stellungnahmen nicht zu meinen Aufgaben gehören. Wenn ich jedoch von Journalisten dazu gefragt werde, dann halte ich mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg.

László Bíró bat um Verzeihung für Äußerungen, die er vor Jahren getan hat.

Man muss auch Bíró das Recht zusprechen, um Verzeihung bitten zu dürfen. Wer aber so heftige Dinge ausspricht und erst in dem Moment widerruft, da ihn seine politische Vergangenheit als Kandidat einholen könnte, der hat in der Politik nichts zu suchen. Ich bin da sehr sensibilisiert: Mein Vater war Absolvent der Ludovika-Militärakademie. Als die Deutschen Ungarn besetzten, organisierte er gemeinsam mit meinem Großvater Widerstand zur Rettung unserer jüdischen Mitbürger und zum Schutz der Budapester Brücken. Mein Vater wurde wegen Verrats von den Pfeilkreuzlern verhaftet. Ein Standgericht wollte ihn zum Tode verurteilen; diesem Urteil erging er nur, weil einer von drei Richtern gegen die Hinrichtung war. Todesurteile wurden aber nur bei einstimmigen Schuldsprüchen vollstreckt. Das ist der Grund, warum ich mich heute mit Ihnen unterhalten kann. Wir haben in unserem Elternhaus gelernt, dass es mit Nazis und Kommunisten keinen Pakt geben kann.

Zurück zu Budapest: Fidesz-Politiker behaupten im Einklang mit der Regierung, Budapest habe Finanzreserven in Höhe von 274 Mrd. Forint, der Fiskus spricht von deutlich weniger. Was stimmt nun?

Der Fiskus wies im Sommer 2020 aus, dass die Hauptstadt über 135 Mrd. Forint in Staatsanleihen und 30 Mrd. Forint an freien Geldmitteln verfügt. In diesem Jahr erhalten die Selbstverwaltungen in der Hauptstadt insgesamt 86 Mrd. Forint, im kommenden Jahr sogar 116 Mrd. Forint aus dem Staatshaushalt. Die US-Ratingagentur Moody´s bewertete dieser Tage die Finanzlage von Budapest und stufte den Ausblick auf positiv hoch. Sie sieht die wirtschaftliche Lage der Hauptstadt als ausgeglichen und sicher an.

Gergely Karácsony sagt da etwas ganz anderes. Bereits Ende vergangenen Jahres warnte er, die Stadt habe 150+50 Mrd. Forint Schulden geerbt und müsse in der Corona-Krise 2020/21 schwere Einbußen hinnehmen. Das spricht nicht gerade für stabile Finanzen…

Der Oberbürgermeister legt sich mit den Fakten, den Ökonomen und mit Moody´s an, nicht mit uns. Wie gesagt, hier tritt wieder die Opferrolle zum Vorschein, das ewige Klagen. Hauptsache, man schürt den Konflikt mit der Regierung, selbst wenn das zu Lasten der Budapester geht. Ich möchte einfach nur darum bitten, die Lage der einzelnen Kommunalverwaltungen anhand von objektiven Indikatoren zu messen. Anhand von Steueraufkommen, Sparrücklagen, freien Geldmitteln, dem Zuwachs bei der örtlichen Gewerbesteuer – Budapest gehört bei all diesen Indikatoren zu den reichsten Städten.

Der Solidaritätsbeitrag wächst in diesem Jahr um 12 Mrd. Forint, 2021 muss die Hauptstadt bereits 36 Mrd. Forint an den Staat einzahlen. Wieso erhielt István Tarlós eine Befreiung von dieser Abgabe, Gergely Karácsony aber nicht?

Seit 2017 zahlen die 135 größten und reichsten Städte diesen Solidaritätsbeitrag zu Gunsten der kleineren und finanzschwächeren Orte. Dem Beitrag liegt eine mathematische Formel als Standard zugrunde. Nur Budapest zahlt bislang weniger, als nach der Formel zu zahlen wäre. Dieser Vorteil wird binnen fünf Jahren systematisch abgebaut; das begann noch zur Amtszeit von Tarlós.

Aber heute haben wir es mit dem Coronavirus zu tun, das Budapest in eine schwierige Lage brachte. In vielerlei Hinsicht ist die Hauptstadt stärker betroffen, als andere Städte, der Tourismus kam praktisch zum Erliegen. Wäre es in dieser Situation nicht eine Geste von Seiten der Regierung, die Aufstockung des Solidaritätsbeitrags aufzuschieben?

Die Finanzen der Hauptstadt sind stabil, oder ist neuerdings auch Moody´s ein Agent der bösen Regierung? Die Pandemie hat alle in Schwierigkeiten gebracht, Familien, Arbeitnehmer und Unternehmen, allein die erste Welle riss ein 2.000 Milliarden Forint großes Loch in den Staatshaushalt. Diese Rechnung können wir nicht an das Virus weiterreichen. Alle müssen Opfer bringen, auch die Städte und Gemeinden. Die Regierung hat die eigenen Ausgaben um 1.000 Mrd. Forint gekürzt.

Budapest ist nun genötigt, eine Krisensteuer einzuführen.

Das enttäuscht, ohne mich wirklich zu überraschen: Wo die Linke antritt, gibt es Einschnitte. Steuern werden erhöht, Schulden gemacht, was die Bürger und die Unternehmen auslöffeln müssen. Sie finden einfach kein anderes Rezept. Das Erbe der liberal-sozialistischen Stadtführung in Budapest war 2010 ein bis zum Hals verschuldetes Rathaus. Die Orbán-Regierung übernahm 375 Mrd. Forint an Schulden von der Hauptstadt. Noch einmal dürfen die Linken Budapest nicht in die Schuldenfalle führen.

Das Europäische Parlament kann darüber entscheiden, ob es den Großstädten Gelder für die grüne Wende und den Neustart nach der Pandemie bewilligt. Halten Sie eine direkte EU-Finanzierung der Städte für eine gute Idee?

Die Regierung akzeptiert, dass die drei wichtigsten Aufgaben in Budapest die Modernisierung des öffentlichen Nahverkehrs, der Wohnungsbau und die Vermehrung niveauvoller Grünflächen sind. Der Ministerpräsident hat Ungarn im Ringen der Staats- und Regierungschefs 17.000 Mrd. Forint für die nächsten acht Jahre erstritten, wenn man die Mittel des EU-Finanzrahmens und des Wiederaufbaufonds zusammenzählt. Sollte der Oberbürgermeister weitere Gelder holen können, wäre das ein Glücksfall für alle. Wenn wir ihm dabei helfen können, tun wir das gerne.

Sie haben die provisorischen Radwege auf der Großen Ringstraße heftig kritisiert. Fürchten Sie nicht, mit dem Streiten für die Interessen der Autofahrer als ein Gegner der Radfahrer hingestellt zu werden?

Ich bin für nüchterne, funktionierende Lösungen. Meine Forderung lautete, den Autos die Fahrspur zum Schulbeginn zurückzugeben, weil es sonst ein Chaos und Staus geben wird. So wie es dann auch eintrat. Ich bat um einen Dialog in der Gesellschaft, um Modellrechnungen und Wirkungsstudien. Ebenso um die Analyse guter und schlechter internationaler Beispiele. Unsere Vorlagen im Rat für öffentliche Entwicklungsprojekte der Hauptstadt (FKT) basieren genau darauf.

Also was wird nun mit den Radfahrern?

Wir sind uns einig, dass es im Budapester Verkehr ein neues Gleichgewicht zwischen Autofahrern, Nahverkehr, Fußgängern und Radfahrern geben muss. Ein gemeinsames Ziel lautet, den Autoverkehr in der Innenstadt zurückzudrängen. Das soll aber nicht mit Zwängen und Strafen geschehen. Politik hat nicht die Aufgabe, die Menschen umzuerziehen und ihnen eine andere Lebensweise aufzuzwingen.

Wie lässt sich denn die Innenstadt verkehrsberuhigen?

Da haben wir drei Herausforderungen definiert. Der Nahverkehr muss besser, attraktiver und wettbewerbsfähiger werden. Wir brauchen Ringstraßen und Brücken, um die Randbezirke einander näher zu bringen, unter Umgehung der Innenstadt. An den Knotenpunkten vom Fern- zum Nahverkehr bedarf es ausreichend P+R- sowie B+R-Anlagen. Dies umzusetzen ist freilich anspruchsvoller, als ein paar gelbe Radspuren in der Innenstadt auf den Asphalt zu pinseln. Budapest besteht natürlich nicht nur aus der Innenstadt, die Bürger in den Außenbezirken haben ein Recht auf gute Verkehrs- und Lebensbedingungen.

Foto: Árpád Földházi

BALÁZS FÜRJES wurde 1971 in Budapest geboren, er ist verheiratet und Vater von drei Kindern. Im Jahre 1997 absolvierte er die Fakultät für Staat und Recht der ELTE. Seit 1988 ist er Mitglied im Fidesz, dessen Parteivorstand er 1990-1992 angehörte, bevor er 1996 die Jugendorganisation Fidelitas mitbegründete, deren Vize er bis 2001 war. Anschließend probierte er sich ein Jahrzehnt lang als Firmenchef in der Privatwirtschaft aus. Seit 2011 ist Fürjes Regierungsbeauftragter für strategische Entwicklungen in Budapest, seit Mai 2018 Staatssekretär für die Entwicklung von Budapest und der Agglomeration.

Welche Vorschläge wollen Sie im FKT einbringen?

Die Stadtführung sollte mehrere gründlich und professionell vorbereitete Alternativen prüfen. Saisonal könnte die Verkehrsordnung im Sommer und Winter abweichen, aber sogar nach Zeitfenstern an Arbeitstagen – das zu organisieren ist im 21. Jahrhundert nicht mehr wirklich kompliziert. Spuren ließen sich verbreitern, wenn die Haltestellen der Straßenbahnen nicht mehr einander gegenüberliegen, sondern seitlich verschoben würden. Radfahrer sollten an Ampeln einige Sekunden „Vorsprung“ erhalten oder in parallele Nebenstraßen umgeleitet werden. In der Heizsaison sind nun wieder deutlich weniger Radfahrer unterwegs; bis Ende April wäre Zeit, solche Veränderungen vorzubereiten.

Der Oberbürgermeister träumt von einer ganz anderen Großen Ringstraße, die mit Leben, Restaurants und Geschäften erfüllt ist.

Da stimme ich ihm zu. Von mir aus könnten die Radfahrer eine komplette Spur erhalten. Dafür müssen aber die Bedingungen geschaffen werden, ohne Staus und ein Verkehrschaos zu verursachen. Andernfalls wird die beste Absicht nach hinten losgehen.

Reden wir über das Liget-Projekt! Finden Sie es fair, dass die Regierung einen Tag vor der entscheidenden Bürgerschaftssitzung eine neue Bauordnung beschloss?

Die Regierung wird nichts im Stadtwäldchen erbauen lassen, was der Zustimmung durch die Stadtführung von Budapest entbehrt. Wir machen aber nicht bei dem Spielchen mit, dass der Oberbürgermeister einseitig Einfluss auf die Bebauung des Stadtwäldchens nehmen will, indem er die Errichtung von heute umstrittenen Objekten für alle Zeiten verbietet. Diesen Angriff haben wir abgewehrt. Wir wollen im Entwicklungsrat eine nüchterne, fachliche Debatte über das Liget-Projekt. Wir suchen offen und ehrlich nach Lösungen. Es braucht eine Aktionsgruppe, die schnellstens alle Möglichkeiten für Kompromisse auslotet und sicherstellt, dass es unbedingt mehr Grün­flächen geben wird.

Stichwort Kettenbrücke. Gergely Karácsony bemängelt, dass die Regierung die zugesagten 6 Mrd. Forint nur in dem Fall tatsächlich bereitstellen wird, wenn eine ihr genehme Baufirma den Zuschlag für die Generalsanierung erhält.

Wir respektieren, dass die Kettenbrücke Budapest gehört und damit die Verantwortung für die Sanierung beim Oberbürgermeister liegt. Dafür gibt die Regierung – wie sie seinem Vorgänger István Tarlós versprach – 6 Mrd. Forint. Wenn die Hauptstadt endlich das Verfahren der öffentlichen Auftragsvergabe abschließt und die Bauarbeiten ordnungsgemäß vorankommen, wird der Betrag überwiesen, der sich in der Haushaltsreserve befindet.

Was die „genehmen Baufirmen“ betrifft, muss ich schmunzeln. Die Stadt hat ein Jahr verloren und am Ende doch wieder Offerten der gleichen vier Unternehmen erhalten, die auch am Anfang angetreten waren. Da hatte ich doch etwas ganz anderes erwartet.

Was erwarteten Sie denn?

Seit zehn Jahren wirft uns die Opposition vor, wir würden Großprojekte zu teuer und zu langsam umsetzen. Da dachte ich mir: Mal schauen, jetzt kommt der Karácsony mit seinem Team, sie werden uns zeigen, wie das funktioniert. Sie werden ihre tollen internationalen Kontakte ins Spiel bringen, internationale Baufirmen einladen, die den Wettbewerb beleben, und am Ende gibt es mehr und preiswertere Offerten sowie eine schnellere Bauausführung. Stattdessen wird alles noch langsamer und noch teurer.

Das trifft erst recht für das Biodom im Tierpark zu. Warum helfen Sie nicht und geben der Stadt die fehlenden 5 Mrd. Forint?

Warum sollten wir?

Weil Sie die Hauptstadt darum bittet, die im Übrigen Anzeige wegen der ausufernden Kosten erstattet hat.

Auch diese Investition liegt vollständig in der Verantwortung der Stadt Budapest. Tiergartenchef Miklós Persányi, der Umweltminister mehrerer sozialistisch-liberaler Regierungen war, bat OB István Tarlós um freie Hand für das Biodom-Projekt. Die Orbán-Regierung sicherte nicht nur die Finanzierung, sondern stockte diese noch auf 43 Mrd. Forint auf, ohne in das Projekt hineinzureden. Der Zoodirektor plante eigenständig und wickelte ebenso die öffentlichen Aufträge ab. (Bis er Anfang März das Handtuch warf. – Anm.d.Red.)

Wir hören ständig von anderen Fehlbeträgen. Die neue Stadtführung behauptet zudem, das Biodom sei zu drei Vierteln fertiggestellt, wofür drei Jahre Bauzeit benötigt wurden. Für das letzte Viertel plant Karácsony aber nochmals drei Jahre ein. Doch nicht etwa, weil 2024 Kommunalwahlen anstehen? Oder weil ständig andere Leute in der Stadtführung für das Projekt eingesetzt werden, ohne dass es irgendwelche Fortschritte gibt?

Kommt das Biodom zum Stillstand, wenn es ohne finanzielle Deckung bleibt?

In den vergangenen dreißig Jahren konnten Regierungen und Stadtführungen in den verschiedensten Konstellationen erreichen, dass noch jedes Projekt in Budapest zu Ende geführt wurde. Ich vertraue darauf, dass auch die Stadtführung unter Gergely Kará­csony dazu in der Lage ist.

Sie haben ein Programm für Investitionen in Wohnparks auf Industriebrachen aufgelegt, das von einer vergünstigten Mehrwertsteuer profitieren sollte. Nun aber beschloss die Regierung, den vergünstigten Satz von fünf Prozent auf alle Neubauwohnungen auszuweiten.

Wir wollen auch weiterhin bezahlbare Wohnungen in den Städten; dafür bietet die Entwicklung ehemaliger Industriegelände gute Chancen. In der Corona-Krise ist es besonders wichtig, Arbeitsplätze im Bauwesen zu bewahren oder neue zu schaffen. Unsere Pläne sehen nun vor, dass die Mehrwertsteuer bei Projekten, mit denen Wohnparks auf Industriebrachen entstehen, komplett erstattet wird. Daneben bleiben Mietwohnungen selbstverständlich befreit von der Umsatzsteuer.

Budapest drängt eher auf die Verwirklichung eines staatlichen Mietwohnungsprogramms.

Die Hauptstadt besitzt den finanziellen Spielraum, also nur zu! Diese Initiative wäre eine tolle Ergänzung unseres Wohnungsbauprogramms für Familien. Auch in der Regierung wird seit Jahren kontrovers diskutiert, wie extrem die Quadratmeterpreise und auch die Mieten in den letzten fünf Jahren in Budapest gestiegen sind. Notenbankpräsident György Matolcsy rät beispielsweise zu einem Programm, das streng marktkonform den Bau von Mietwohnungen fördert.

Was denken Sie, wird Gergely Karácsony auch 2024 noch Oberbürgermeister von Budapest sein?

Er muss sich klar positionieren, ob er 2022 als Spitzenkandidat der Opposition bei den Parlamentswahlen antreten will und wie sich die beiden Ämter miteinander vereinbaren lassen. Natürlich hat der mit Abstand populärste Oppositionspolitiker das Recht, den amtierenden Ministerpräsidenten herauszufordern. Genauso dürfen aber auch die Budapester eine klare Stellungnahme erwarten, ob Karácsony das für fünf Jahre zugesprochene Mandat als Stadtvater vorzeitig quittiert.

Würden Sie als Oberbürgermeister kandidieren?

Ausgeschlossen.

Oder als Parlamentsabgeordneter? Im Fidesz halten Sie viele für geeignet.

In einer Demokratie ist es die größte Anerkennung, das Vertrauen der Wähler zu gewinnen. Zu kandidieren ist eine Ehre, doch möchte ich den Dingen nicht vorweggreifen.

 

Leser Sie auch das Gegenstück zu diesem Interview, nämlich das Gespräch mit OB Gergely Karácsony.

 

Aus dem Ungarischen übertragen von Rainer Ackermann.

Das Interview von Laura Szalai erschien Mitte Oktober im konservativen Wochenmagazin Mandiner.

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