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Wolf Illner, Geschäftsführer der BSD Hungarian Congress & Event Organisation: „Ungarn hat als eines der ganz wenigen Länder innerhalb der NATO bereits 2016 eine umfassende Modernisierung seiner gesamten Streitkräfte begonnen.“ Fotos: József Szaka

Interview mit Wolf Illner, Geschäftsführer der BSD Hungarian Congress & Event Organisation

Regionale Sicherheit im Fokus

Ende April findet in Budapest die Auftaktveranstaltung des Sicherheitskongresses „Budapest Security Dialogue“ (BSD) statt. Aus diesem Anlass unterhielten wir uns mit Wolf Illner, dem Geschäftsführer des Organisators.

Was hat Sie dazu motiviert, die Konferenz BSD zu organisieren?

Als erstes einmal ist es die Stadt Budapest, eine europäische Metropole, das Tor und Bindeglied von Zentral- zu Südosteuropa, einfach eine wundervolle Stadt mit Menschen, die mich inspiriert haben, hier eine Sicherheitskonferenz zu etablieren. In vielen anderen Städten in Europa gibt es Sicherheitskonferenzen oder -Kongresse, die sich in der Regel immer mit dem großen Blick auf die Weltpolitik und deren sicherheitspolitischen Herausforderungen befassen. Ob es die gerade erst abgehaltene Münchner Sicherheitskonferenz ist oder Ende Mai die Globsec in Bratislava, im November die Berliner Sicherheitskonferenz mit der europäischen Ausrichtung, aber auch das Warschauer Security Forum: Alle genannten Veranstaltungen blicken entweder auf die große Weltpolitik oder zumindest auf ganz Europa.

Bisher gibt es aber noch keine Sicherheitskonferenz, die sich ausschließlich mit Zentral- und Südosteuropa beschäftigt. Das hat mich bereits 2018 angeregt, ein Konzept mit dem Motto „Budapest building Bridges“ für eine Konferenz mit diesem sicherheitspolitischen Fokus zu entwerfen. Und hier bietet sich Budapest geradezu an, da es aufgrund seiner geostrategischen Lage und auch historisch betrachtet eine enge Bindung zur Region hat. Ich erachte es als äußerst wichtig, dass wir eine regionale sicherheitspolitische Betrachtung für Zentral- und Südosteuropa durchführen und uns mit einem solchen Forum die Möglichkeit geben, darüber zu diskutieren, unterschiedliche Meinungen zu erörtern und auszutauschen.

Neben dem thematischen Gesichtspunkt für eine solche Konferenz ist aber auch der Austausch von unterschiedlichsten politischen Bewertungen und Ansichten wichtig. Aus diesem Grund haben wir die Veranstaltung „Kongress“ genannt, um gerade den thematischen Austausch auf eine Ebene zu heben, die offen ist für die unterschiedlichsten Betrachtungsweisen und einen Austausch auf Augenhöhe ermöglicht. Daher ist für uns auch die Unabhängigkeit bei der Ausrichtung eines solchen Kongresses sehr wichtig.

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„Mit unserem Motto „Budapest building Bridges“ möchten wir Brücken schlagen und als Kommunikations­plattform und -Network agieren.“

Was erwartet die Gäste beim ersten Kongress?

Der Budapest Security Dialogue (BSD) soll ein Kongress zu sicherheits- und verteidigungspolitischen Themen mit Bezug auf Zentral- und Südosteuropa sein. Er richtet sich an Verteidigungsminister, Generalstabschefs der jeweiligen Streitkräfte sowie an hochrangige Repräsentanten von NATO, EU und anderen sicherheitspolitischen Organisationen. Die Gäste des Kongresses sollen angeregten und umfassenden Diskussionen zu ausgesuchten Themen folgen, die regierungspolitische Sichtweisen darstellen, aber auch Analysen von Think Tanks oder Sicherheitsexperten. Wichtig sind der regionale Aspekt und die sich daraus ergebenden Folgerungen, denn die Sicherheit in Europa und speziell hier in Zentral- und Südosteuropa können wir nur gemeinsam gestalten. Daher müssen wir auch wissen, wie die unterschiedlichen Sichtweisen und Einschätzungen zu den einzelnen Herausforderungen aussehen.

Eines der zentralen Themen der Auftaktveranstaltung ist die Zukunft des Westbalkans. Was hat Sie zu dieser Themenwahl bewogen?

Der Westbalkan ist ein Teil von Europa und tritt im Augenblick aufgrund des Russland-Ukraine-Kriegs etwas in den Hintergrund. Seit dem EU-Beitrittsantrag von Nordmazedonien 2004 haben nach und nach auch alle anderen Länder des Westbalkans einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt. Der Beitrittsprozess verläuft von Land zu Land unterschiedlich, ob beschränkt auf regionale Zusammenarbeit oder schon im Rahmen eines Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses.

Es stellt sich natürlich die Frage, gerade mit Blick auf den derzeitigen Beitrittsprozess der Ukraine, ob der Westbalkan hier nicht ins Hintertreffen gerät. Aber der EU-Beitrittsprozess ist nur ein Aspekt, hinzu kommt die Bedeutung des Balkans mit Blick auf die illegale Migration. Gerade die Balkanroute hat immer wieder für Aufsehen gesorgt, der Grenzschutz der Europäischen Union ist immer wieder ein Punkt umfassender Diskussionen. Hier stellt sich natürlich die Frage, wie die illegale Migration die Sicherheit in Europa beeinflusst.

Als dritten Punkt muss man aufführen, dass seit fast 30 Jahren Militäroperationen der NATO und der EU im Westbalkan laufen. Angefangen im Dezember 1995 in Bosnien und Herzegowina, damals mit der Implementation Force der NATO (IFOR), aus der sich die derzeitige militärische EU-Operation EUFOR ALTHEA entwickelt hat, und im Kosovo mit der Kosovo Verification Mission der OSZE, aus der sich dann die Kosovo Assistance Force der NATO (KFOR) entwickelte.

Wie soll die Zukunft hier aussehen, welche politischen, sicherheitspolitischen Lösungen gibt es oder gibt es nicht? Seit fast dreißig Jahren haben wir hier keine politischen Lösungsansätze, um einen Krieg zu vermeiden, außer dass wir permanent Militär stationieren.

Mit diesen drei Leitgedanken möchten wir gerne die Zukunft des Westbalkans unter Beleuchtung der sicherheitspolitischen Herausforderungen angehen und den Weg zu einer gemeinsamen Zukunft in Europa diskutieren.

Der Russland-Ukraine-Krieg hat in Europa dazu geführt, dass wieder mehr auf Verteidigungsfähigkeiten fokussiert wird. Wird auch dieses Thema eine Rolle spielen?

Ja, absolut! Der zweite Themenkomplex ist die Stärkung der europäischen Verteidigung. Europa ist nicht umgeben von Freunden, und mit dem Ausbruch des Russland-Ukraine-Kriegs ist dies jedem in Europa noch bewusster geworden. Die entscheidende Frage lautet also: Was muss getan werden, um uns in Europa wieder in die Lage zu versetzen, dass wir uns angemessen verteidigen können?

Die Dekaden nach dem Fall des Eisernen Vorhangs waren geprägt von Abrüstung, der Verkleinerung der Streitkräfte sowie der Abschaffung oder der Aussetzung der Wehrpflicht. Insgesamt kam es zu einer drastischen Reduzierung der Verteidigungsfähigkeit Europas. Beim NATO-Gipfel in Wales 2014 hatte man sich darauf geeinigt, die europäischen Streitkräfte wieder zu stärken und zu diesem Zweck zwei Prozent des BIP auszugeben.

Das Ergebnis war, wie am 24. Februar 2022 allen schlagartig bewusst wurde, dass kein Land in Europa augenblicklich in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen. Einige Länder in der NATO haben bereits seit 2014 wenigstens etwas dafür getan, um eigene Kapazitäten im Bereich der Verteidigungsfähigkeit auszubauen. So hat Ungarn als eines der ganz wenigen Länder innerhalb der NATO bereits 2016 eine umfassende Modernisierung seiner gesamten Streitkräfte begonnen, basierend auf einer sicherheitsstrategischen Analyse der Ereignisse des Jahres 2014 und den Ergebnissen des NATO-Gipfels in Wales. Dies ist natürlich ein großer Vorteil gegenüber vielen anderen, die nichts dergleichen veranlasst haben und nun im Wettstreit sind, wer was, wann und wie beschaffen kann, um die Leistungsfähigkeit seiner Streitkräfte zu verbessern.

Doch nicht nur die europäischen Streitkräfte sind in ihren Fähigkeiten beschränkt, auch die europäische Verteidigungsindustrie ist gewaltig geschrumpft oder reglementiert worden, Produktionsfähigkeiten wurden abgebaut oder ins Ausland verlagert. So wurden unter anderem im Rahmen der Nachhaltigkeitstaxonomie der Europäischen Union durch Green Financing dringend notwendige Investitionen im Rüstungsbereich gezielt nicht gefördert und dadurch die Entwicklung von Schlüsselfähigkeiten für die Verteidigung drastisch eingeschränkt.

Was könnte die Lösung sein?

Um aus diesem Tal wieder herauszukommen und eine umfassende strategische Verteidigungsindustrie in Europa zu haben, müssen wir gemeinsam daran arbeiten, diese Fähigkeiten wieder nachhaltig aufzubauen und auch verfügbar zu halten. Hier muss das Zusammenspiel von Regierungen und Verteidigungsindustrie funktionieren, denn nur gemeinsam sind wir stark.

Bei unserem Kongress wollen wir betrachten, was Europa und speziell Zentral- und Südosteuropa tun muss, um eine starke Verteidigungsindustrie zu bekommen und zu erhalten. Wie können wir auch mit unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten erreichen, dass eine gemeinsame Fähigkeitssteigerung der europäischen Streitkräfte erfolgen kann? Dabei sind Verteidigungskooperationen zur Stärkung der finanziell schwächeren Länder, aber auch zur Steigerung der Interoperabilität der Systeme von großer Bedeutung.

Es kann doch nicht sein, dass mit dem gleichen Modell einer Panzerhaubitze nicht überall die gleiche Munition verschossen werden kann. Was Europa braucht, sind möglichst viele gleiche Waffen-Systeme, um den höchsten Mehrwert im Bereich Nutzung, Betrieb, Wartung, Munition und auch Weiterentwicklung zu haben.

Zu guter Letzt stellt sich die Frage, wie das Gefechtsfeld der Zukunft militärisch betrachtet aussieht? Vieles kann man schon aus den derzeitigen Konflikten, gerade beim Russland-Ukraine-Krieg ableiten, so etwa die gewachsene Rolle von Drohnen.

An welche Zielgruppe richtet sich der BSD?

Der Budapest Security Dialogue richtet sich an alle, die Verantwortung im Bereich Sicherheit und Verteidigung in Europa tragen, aber auch an diejenigen, die sich fachlich mit diesem Bereich beschäftigen, wie Think Tanks, Analysten, Sicherheitsberater von Regierungen, Militärs, aber auch an interessierte Bürger. Wir sind besonders offen auch für junge Menschen, Studenten, die sich mit der Thematik Verteidigung und Sicherheit befassen, und ermöglichen ihnen sehr gerne die Teilnahme am Kongress. Nur wer sich umfassend informiert, kann auch qualitativ fundiert analysieren.

Wir haben beim Kongress verschiedene Gesprächs- und Diskussions-Modelle instrumentalisiert, so etwa einen High-Level Dialogue auf der Ebene der Verteidigungsminister sowie das Europa-Forum auf gleicher Ebene, aber auch Fachpanel zur Diskussion des Einflusses von illegaler Migration auf die Sicherheit in Europa oder zum Weg von Bosnien-Herzegowina und Kosovo nach Europa. Neben den sicherheitspolitischen Themen wird es aber auch militärstrategische Gesprächsforen geben, wie das Military Leaders Forum und den Military Leaders Roundtable, bei dem Generalstabschefs der Streitkräfte über die Fähigkeitsentwicklung von Streitkräften oder über neue strategische Sicherheits- und Fähigkeitskonzepte sprechen. Es gibt auch zwei Panel, die den Bogen zur Verteidigungsindustrie schlagen: „Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie“ und „Wie Innovationen zur Fähigkeitsentwicklung moderner Streitkräfte beitragen“.

Was unterscheidet den BSD von der MSC oder der Berliner Sicherheitskonferenz?

Wie ich bereits ausgeführt habe, ist der Fokus des Budapest Security Dialogue auf Zentral- und Südosteuropa gerichtet. Durch die regionale Fokussierung sind natürlich die verteidigungs- und sicherheitspolitischen Betrachtungen zum Teil sehr unterschiedlich. Diese aber im Bereich der betroffenen Länder und Regierungen zu erörtern, zu analysieren und vielleicht sogar abzustimmen, ist erforderlich, wenn man gemeinsam das Ziel eines starken und sicheren Europas verfolgt.

Das Besondere an einem solchen Kongress ist mir bei der Zusammenfassung der letzten Münchener Sicherheitskonferenz durch ihren Präsidenten Christoph Heusgen bewusst geworden. Es sind nicht zuletzt die kleinen Gespräche auf den Gängen und Fluren, die Seitengespräche, die auf Regierungsebene, aber auch zwischen Verteidigungsindustrie und Regierungen oder anderen Konferenzteilnehmern stattfinden, die einen solchen Kongress so wertvoll machen. Gerade dieser Ansatz ist einer der grundlegenden Beweggründe für uns gewesen, den Budapest Security Dialogue ins Leben zu rufen, um in Budapest die Möglichkeit zu schaffen, dass man sich zu einem solchen Kongress treffen und austauschen kann, ohne dem Zwang von protokollarischen Regularien zu unterliegen, die man bei offiziellen Regierungsbesuchen stets hat. Man kommt zum offenen Austausch, zum Networking und zur Meinungsbildung, weil es immer besser ist, miteinander, als übereinander zu sprechen.

Wie häufig wird der BSD stattfinden?

Unser Konzept vom sicherheits- und verteidigungspolitischen Kongress für Zentral- und Südosteuropa ist langfristig ausgerichtet, wie planen eine jährliche Frequenz. Wir würden uns freuen, wenn wir diesen Kongress hier in Budapest nachhaltig implementieren könnten. Vom Zeitpunkt her möchten wir diesen auch in den Folgejahren wieder im April abhalten. Das ist aus unserer Bewertung eine sehr gute Zeit, gleich nach der Münchener Sicherheitskonferenz, die immer im Februar stattfindet, und noch vor den NATO- oder EU-Gipfeln Mitte des Jahres.

Wird es außer der Konferenz noch andere BSD-Aktivitäten geben?

Natürlich wollen wir erst einmal unsere gesamte Energie in die Durchführung des ersten Kongresses stecken. Das ist Arbeit genug für ein kleines Team.

Es gibt aber schon mehrere Ideen, die über den Kongress hinausreichen. So planen wir für das zweite Halbjahr einen Kongress unter dem Motto „European Drone Defence“, der sich mit dieser neuen Fähigkeit innerhalb der europäischen Streitkräfte beschäftigen soll. Hier geht es um neueste Entwicklungen, aber auch um doppelt, also zivil und militärisch, nutzbare Drohnenlösungen. Wir wollen offen bleiben für andere Veranstaltungen, der Kongress im Frühjahr wird aber stets unser Schwerpunkt bleiben.

Welche perspektivischen Pläne verfolgen Sie mit dem BSD?

Von 2018 bis heute hat es gedauert, bis wir unser Konzept auch umsetzen konnten. Natürlich hat da auch die Finanzierung eine große Rolle gespielt, denn ohne kompetente Partner, die an unsere Idee und das Konzept glauben, hätten wir es nicht umsetzen können. Mein besonderer Dank gilt allen Partnern von Budapest Security Dialogue. Ich glaube, dass es Budapest als europäische Hauptstadt verdient hat, einen solchen Kongress mit regionaler Ausrichtung zu beheimaten.

Mit unserem Motto „Budapest building Bridges“ möchten wir Brücken schlagen und als Kommunikationsplattform und -Network agieren. In unserem Logo befindet sich die Budapester Freiheitsbrücke – ungarisch: Szabadság híd. Wir haben diese Brücke bewusst gewählt, weil sie zum einen das Brückenschlagen symbolisiert und zum anderen die Freiheit im Namen trägt. Diese kann wiederum nur erreicht werden, wenn sie auf den starken Pfeilern „Sicherheit“ und „Verteidigung“ ruht.

Wir, mein Geschäftspartner Dr. Arne Gobert und unser kleines Team, wünschen uns viele interessierte Teilnehmer, gute Diskussionen und interessante Gespräche. Wir möchten mit diesem Kongress einen umfassenden Gedankenaustausch auf allen Ebenen ermöglichen. Wir hoffen, dass wir den Budapest Security Dialogue nachhaltig in der ungarischen Hauptstadt etablieren können.

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Budapest Security Dialogue 2024
26. – 27. April 2024
Marriott Hotel Budapest
Apáczai Csere János u. 4
1052 Budapest

Tel.: +36 70 570 2246
Email: info@bsd-congress.com
Web: www.budapestbuildingbridges.com

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