Kommentar zum „Geldregen“ der Staatsanleihen
Wer profitiert wirklich?
Ungefähr so viel Geld geben alle Ungarn zusammen in einem Monat im Einzelhandel des Landes aus. Weil es sich auch nach Ansicht der Regierung um „enorm viel Geld“ handelt, sollte nach den Erwartungen der Wirtschaftsführung nun ein kleiner Konsumrausch einsetzen. Denn immerhin handele es sich um mehr als 820.000 Familien, die Anleihen des ungarischen Staates gezeichnet haben und nun die wegen der zuletzt zweistelligen Inflation üppigen Zinsen einstreichen dürfen.
Von wegen „breite Massen“
Um die Effekte zu demonstrieren, präsentierte Wirtschaftsminister Márton Nagy in den Sozialmedien eine aufschlussreiche Tabelle. Unter dem bezeichnenden Titel „Zinsregen = Geldregen“ zeigt diese, dass insgesamt 822.000 private Kunden Staatsanleihen im Gesamtvolumen von 10.750 Mrd. Forint (rund 26 Mrd. Euro) halten. Auf 300.000 „Familien“ entfallen freilich nur Beträge von 1-5 Mio. Forint, auf jeweils kaum mehr als halb so viele Familien Beträge von 5-10 bzw. 10-25 Mio. Forint. Der Minister hat diese Gruppen zusammen mit jenen 100.000 Familien, die max. 1 Mio. Forint in Staatsanleihen angelegt haben, eigens in der Tabelle hervorgehoben. Demnach halten neun von zehn der „privilegierten“ Ungarn nur vier von zehn Vermögensanteilen.
Wenn man nun unterstellt, dass sich die Zinssätze gleichmäßig über die unterschiedlichen Gruppen verteilen (was aus der Tabelle nicht ersichtlich ist), entfallen auf diese „breiten Massen“ nur rund 700 Mrd. Forint. Das entspricht weniger als 1 Mio. Forint Ausschüttungen pro Haushalt. „Diese Summen können die Familien“, wie der Minister schreibt, „für Konsum, Reisen oder die Erneuerung ihrer vier Wände ausgeben, aber ebenso gut in eine Immobilie oder Staatsanleihen mit attraktiver Verzinsung für die Bevölkerung investieren.“ Es geht hier um umgerechnet weniger als 2.500 Euro pro Haushalt…
Milliarde als Zinsertrag
Es sind weitere ca. 85.000 Ungarn, die 25-100 Mio. Forint in Staatsanleihen anlegt haben, also ein Vermögen, mit dem sie auch eine Immobilie hätten kaufen oder zumindest finanzieren können. Diese Vermögenden teilen sich Zinserträge von rund 600 Mrd. Forint, also 7 Mio. Forint pro Haushalt. Und etwas mehr als 11.000 Multimillionäre erhalten auf ihre Geldanlage ab 100 Mio. Forint aufwärts einen Geldsegen von kumuliert 385 Mrd. Forint; der Staat verteilt also dank der inflationär angehobenen Zinsen an seine Oberschicht ca. 35 Mio. Forint pro Haushalt. Schließlich haben jene 20 Milliardäre, die der Minister ganz unten in seiner Tabelle aufführt, allein mit ihrer vom Staat 100% garantierten Geldanlage pro Kopf eine weitere Milliarde nur als Zinsertrag dazuverdient.
Angesichts dieser Gewichtung in der Verteilung der Anleihen unter mehr und minder vermögenden Magyaren erscheinen die tatsächlichen Effekte des anstehenden Zinsregens für die Konjunktur eher begrenzt.