Visegrád-Länder
Premier Viktor Orbán zusammen mit seinem tschechischen Amtskollegen Andrej Babis am vergangenen Donnerstag beim V4-Gipfel im tschechischen Lednice: Gemeinsam gegen die permanente Belästigung durch die West-EU-Länder mit ihren wirklichkeitsfernen Quotenüberlegungen. (Foto: MTI / Vivien Benko Cher)

Die rechte Seite / Kommentar zur Migrationskrise

Kalkutta in Europa

Die Visegrád-Länder sowie Slowenien, Estland und Lettland haben der Europäischen Kommission vergangene Woche in einem gemeinsamen Schreiben signalisiert, dass ein erneuter Versuch, die Verteilungsquote für Migranten einzuführen, auch diesmal auf ihre Ablehnung stoßen wird.

Anlass des Briefes ist ein neuerlicher Brüsseler Vorschlag in Sachen Asylpolitik, dessen Entwurf kürzlich durchgesickert ist. Der Vorschlag beinhaltet höchstwahrscheinlich auch wieder eine obligatorische Quote zur Verteilung von Migranten innerhalb der EU. Es ist wirklich erstaunlich, dass fünf Jahre nach dem Ausbruch der Migrationskrise diese Idee noch immer ins Gespräch gebracht wird, obwohl sie bereits mehrfach gescheitert ist.

Quote, Quote über alles

Hoffen wir, dass die Informationen falsch sind und Brüssel nicht schon wieder eine Quotenverteilung erzwingen will. Doch aufgrund der Erfahrungen aus den letzten Jahren ist kaum davon auszugehen. Die EU-Institutionen bestehen weiterhin felsenfest darauf, an den renitenten Ländern ein Exempel zu statuieren, und der Europäische Gerichtshof verzichtete selbst in Corona-Zeiten nicht darauf, die Visegrád-Länder aufgrund ihrer Zurückweisung der Quotenregelung vor vier Jahren zu verurteilen.

In Wirklichkeit hat keines der Mitgliedsländer die Erfüllung der Quote umgesetzt, aber dieses Manko stört Brüssel nicht. Nur wenn jemand aufgrund seiner Prinzipien offen Partei gegen die Zwangsquote ergreift, handelt er sich Probleme ein. Dabei sollte die Quote ein für alle Mal vergessen werden – einfach aus dem sehr praktischen Grund heraus, dass sie bereits mehrfach gescheitert ist. Die Eurokraten sprechen jedoch lieber weiter davon, dass die dummen und egoistischen östlichen EU-Mitgliedsländer nicht wissen, was gut für sie ist, und wollen ihnen ihre Brüsseler Vorstellungen aufzwingen – egal, ob sie ihnen nun gefallen oder nicht.

„Schon mit gesundem Menschenverstand kann man erkennen, dass die Quote eine schlechte Idee ist.“

Schon mit gesundem Menschenverstand kann man erkennen, dass die Quote eine schlechte Idee ist. Schon allein deswegen, weil sie die Migrationskrise nicht löst, sondern bloß noch weiter zuspitzt. Jede Stellungnahme in der EU-Politik, die nicht ein Stoppschild an den EU-Außengrenzen fordert, kommt einer Einladung gleich. Die Menschenschmuggler werden mit solchen Äußerungen die Menschen weiter dazu motivieren, Gewalt und Elend hinter sich zu lassen, um in Europa ein besseres Leben zu suchen.

Europa hat genug mit sich selbst zu tun

Ob nun mit oder ohne Quote, Europa kann all den unzähligen Einwanderern nicht die erhofften paradiesischen Zustände bieten. Europa hat schon genug mit sich selbst zu tun und kann nicht auch noch für jeden armen Bürger der Welt so viel abzweigen, wie dieser gerne hätte. Um mit den Worten des deutschen Journalisten Peter Scholl-Latour zu sprechen: „Wer halb Kalkutta aufnimmt, rettet nicht etwa Kalkutta, sondern wird selbst zu Kalkutta.“

Die schlechten Antworten der EU auf die Migrationskrise haben zum Brexit und zum Erstarken der rechtsgerichteten, einwanderungsfeindlichen Parteien geführt, vor allem aber zur Erkenntnis, dass auch eine vernünftige Integration wichtig ist. Nach der Abspaltung der Briten hätte ein Umdenken stattfinden müssen. Es hätte die Erkenntnis reifen können, dass man nicht einfach auf die Souveränität der Nationalstaaten pfeifen kann. Stattdessen wurden die Länder mit abweichenden Standpunkten nun noch aggressiver angegriffen.

Die Panik, die unter den Eurokraten ausgebrochen ist, als das deutsche Verfassungsgericht kürzlich die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs entkräftete, verrät viel über die Zustände. Viele interpretierten das Urteil gleich als den Anfang vom Ende der EU. Dabei begehen die, die so denken, den Fehler, sich die europäische Zusammenarbeit der Länder nur mit Blick auf die Errichtung eines vereinigten Superstaates vorzustellen.

Aus dem Ungarischen von Anita Weber.

Der Artikel erschien am 9. Juni auf dem Portal der regierungsnahen Zeitung Magyar Hírlap.

Schreibe einen Kommentar

Weitere Artikel