Foto: Ministerpräsidentenamt/ Benkő Vivien Cher

Die rechte Seite: Kommentar zum bevorstehenden EU-Gipfel

Vernunft ist gefragt

Die bevorstehende Sitzung des Europäischen Rates bedeutet einen weiteren harten Kampf zwischen den Visegrád-Ländern und dem Westen. Zum Glück scheiterte die Opposition vergangenen Sonntag in Warschau bei der Präsidentschaftswahl.

In Polen hatten die linksliberalen Politiker und die Presse ein anderes Ergebnis erhofft. Jetzt trauern sie und kommen mit den üblichen, geschmacklosen Anschuldigungen daher. Die linksliberalen Kräfte Europas wirkten mit aller Kraft an der Kampagne des oppositionellen Präsidentschaftskandidaten Rafał Trzaskowski mit.

„Weise Großstädter vs. dumme Hinterwäldler“

Das ist nicht im geringsten überraschend, denn für den Westen ist es gang und gäbe, dass nur die linksliberalen Politiker in Mittelosteuropa als würdige Politiker betrachtet werden. Schließlich unterstützen sie gehorsam die Zentralisierungsbestrebungen Brüssels.

Wir sollten uns keinen Illusionen hingeben, wie die Linken und Liberalen im Westen über die mittelosteuropäischen Wähler denken: der gute Pole, der gute Ungar, der gute Tscheche, der gute Serbe, usw. gehört zur intellektuellen Schicht in den Großstädten und definiert sich in erster Linie als Europäer. Diese Wähler treffen ihre Entscheidung angeblich weise und verantwortungsvoll, während die anderen nur unkultivierte dumme Hinterwäldler sind.

Das Ergebnis von Andrzej Duda und seiner nationalkonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ist kein überlegener Triumph, nach dem man sich ruhig zurücklehnen könnte. Stolz kann man aber trotzdem sein, denn der internationale Gegenwind war überwältigend. Ein nationalkonservativer Präsident muss sich dann schon fast entschuldigen, wenn er eine demokratische Wahl gewinnt. Am besten auch gleich noch dafür, dass er überhaupt existiert.

Der Mythos von den Großstädten als letzter demokratischer Bastion

Die polnische Opposition profitierte übrigens nicht schlecht von der Corona-Pandemie. Hätte es keine Ausgangsbeschränkungen gegeben, dann hätte die erste Runde der Präsidentschaftswahl am 10. Mai stattgefunden. Die oppositionelle, liberale Bürgerplattform hätte mit ihrer damaligen Kandidatin Małgorzata Kidawa-Błonska eine gewaltige Niederlage eingefahren, denn ihre Umfragewerte lagen Anfang Mai lediglich bei 4 bis 5 Prozent. Deswegen tauschte die Bürgerplattform ihre Spitzenkandidatin kurz nach dem ursprünglichen Wahltermin gegen Rafał Trzaskowski aus, den liberalen Warschauer Bürgermeister. Ihm gelang das Kunststück, sich als neues und frisches Gesicht zu verkaufen, obwohl er bereits seit 20 Jahren in der polnischen Politik mitmischt.

Vor zwei Jahren gewann er die Bürgermeisterwahl und gleichzeitig kam der Mythos von den Großstädten als letzter demokratischer Bastion auf. Jetzt muss man in Polen und den anderen Ländern der Region vernünftig vorgehen. Die polnische liberale Opposition wird ihren Kampf fortsetzen, und auch Donald Tusk in der EVP.

Zentrales Thema: Schwächung souveräner, nationalkonservativer Regierungen

Die Schwächung souveräner, nationalkonservativer Regierungen ist ein zentrales Thema für die andere Seite, da derzeit eine Reihe wichtiger Themen auf der Tagesordnung der Europäischen Union stehen. Der Haushaltsetat, der „Next Generation Fund“ und das langjährige Problem der Migration sind alles Themen, bei denen die Linksliberalen am liebsten sehen würden, dass der ungarischen und der polnischen Regierung die Hände gebunden werden.

Wie der liberale luxemburgische Ministerpräsident Xavier Bettel jüngst gegenüber der Zeitung Politico bemerkte, haben sich die Kräfteverhältnisse im Europäischen Rat geändert, da die Epidemie die polnische und ungarische Wirtschaft weniger schmerzhaft getroffen hat als die spanische oder italienische. Vor einigen Monaten betonte er noch, dass das Rechtsstaatlichkeits-Kriterium einer „Daumenschraube“ gleichkomme. Heute ist das nur noch einer von vielen Streitpunkten.

Ein harter Kampf steht uns bei der Sitzung des Europäischen Rates bevor.

Aus dem Ungarischen von Anita Weber.

Der hier leicht gekürzt wiedergegebene Artikel erschien am 14. Juli auf dem Portal der regierungsnahen Zeitung Magyar Hírlap.

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