SZFE
SZFE-Demonstration am 23. Oktober. Foto: MTI/ Zoltán Balogh

Die linke Seite: Rede bei den SZFE-Protesten

„Die Kraft der Gemeinschaft”

Am 31. August hatte ich bereits einmal die Möglichkeit, auf einer Bühne meinen Unmut zu den Vorgängen rund um die SZFE kundzutun. Kaum jemand außer uns wusste von unserer Sache, auch wir wussten natürlich nicht genug von anderen Angelegenheiten.

Seit der ersten Kundgebung zugunsten der SZFE sind 53 Tage vergangen. Die Ausgangssituation hat sich von Grund auf geändert. Wenn also dieses Mikrofon und diese immer größere Gemeinschaft einen so magischen Effekt haben, dann versuche ich noch etwas:

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!

Ich denke, Sie sind gerade nicht hier bei uns, obwohl ich von meinen Eltern weiß, dass Sie sich einst von ähnlichen Ereignissen haben begeistern lassen. Zunächst möchte ich mich entschuldigen, weil ich Ihnen im Sommer auf Facebook gefolgt bin und einige ironische Kommentare unter Ihre Beiträge geschrieben habe. Aber seitdem habe ich im Rahmen der Besetzung der SZFE erfahren, wie unglaublich schwierig es ist, eine Demokratie am Laufen zu halten.

Jeden Abend alles zu besprechen, allen zuzuhören, über alles abzustimmen. Es ist oft sehr anstrengend und sehr nervig. Und dann, in fast uferlos erscheinenden Diskussionen fällt ein Satz, der ein Schlaglicht darauf wirft, warum ich nicht Recht habe – das ist zwar auch ärgerlich, aber es stellt meinen Glauben wieder her.

Ich habe gelernt zu akzeptieren, wenn die Mehrheit etwas anderes für richtig hält als ich, dann muss ich auf die Kraft der Gemeinschaft vertrauen. Aber selbst die scheinbar größten Entscheidungen sind nur Stationen im eigentlichen Prozess, also werde ich nicht stillbleiben. Und die Leute hören immer wieder zu, vielleicht habe auch ich in den letzten 53 Tagen ein paar passende Sätze gesagt, die andere zum Denken angeregt haben.

Wir verwenden Handzeichen in unseren Foren, um zum Beispiel zuzustimmen oder nicht zuzustimmen. Eines der schlimmsten Gefühle auf der Welt ist, wenn ich noch nicht einmal meinen Satz beendet habe, aber bereits an den Handzeichen sehen kann, dass es wohl kein so passender Satz war. Ich habe gelernt, dennoch auszusprechen, was ich möchte. Ich hoffe, dass ich diese Handzeichen nie ignorieren werde.

Überfluss der unheilschwangeren Momente

Wenn wir schon heute und jetzt hier sind, können wir diesen Moment aus dem Überfluss der unheilschwangeren Momente der letzten Jahre herausheben und schauen, was dazu geführt hat, dass heute so viele nicht zustimmende Hände in die Höhe gereckt sind – das ist schließlich für uns alle sehr ärgerlich. Ich weiß, laut der Regierung hat sie nichts mehr mit der Causa SZFE zu tun. Ich glaube nicht, dass Sie das für wahr halten, aber die Stärke dieses Moments liegt ohnehin in der Tatsache, dass es sich letztendlich nicht nur um diesen Fall dreht, sondern um uns alle.

Am 23. Oktober 2020 glauben viele von uns erneut, dass es Ungarn leider nicht gut geht. Immer mehr von uns denken das nicht nur, sondern spüren es am eigenen Leib. Mir tut es leid, dass wir keinen Sinn mehr dafür haben, Ihnen und Ihrer Regierung für all die Dinge dankbar zu sein, die sie so machen. Aber es ist vielleicht ein zur Achtung mahnendes Zeichen, dass wir in Problemen versinken, die Sie und Ihre Regierung verursacht haben und für deren Lösung Sie verantwortlich sind und nicht dafür, diese zu vertuschen, zu lügen und zu erpressen.

Ich möchte nicht mit Ihnen tauschen müssen. Das scheint ein großes Stück Arbeit – aber da müssen Sie nicht allein durch, Sie müssen nicht alles können. Allein hier stehen reihenweise Fachleute aus zahlreichen Bereichen. Ungarn, die hier arbeiten, schaffen und leben wollen, die gerne dazu beitragen würden, einen Rechtsstaat zu schaffen, in dem Wissen einen Wert hat und man, ohne ausgebeutet zu werden, seinen Landsleuten dienen kann.

Den Blick nicht abwenden

Die Mehrheit hat mit Zuversicht für Sie gestimmt. Wenn Sie ein leistungsbereites Land leiten wollen, dann ist es wichtig, den Blick nicht von ihm abzuwenden. Wir machen dasselbe in unserem Beruf. Deshalb sind wir jetzt hier.

Wenn die Entscheidungen der letzten Jahre, die sich als sehr schlecht erwiesen haben, für uns getroffen wurden und Sie nicht von Machtgier oder Zynismus geleitet wurden, dann ist alles in Ordnung. Die Stimmen so vieler Menschen erreichen Sie vielleicht endlich, und nach der Einsicht können wir unsere gemeinsame Arbeit beginnen, um alles in Ordnung zu bringen.

Wenn aber der pessimistischere Teil des Landes Recht hat, was Sie angeht, dann ist es schade darum, dass jedes Jahr am 15. März und 23. Oktober jedem Ungarn von der Kinderkrippe bis zum Grab ins Bewusstsein eingehämmert wurde, dass eine Revolution sehr wohl möglich ist.

Aus dem Ungarischen von EKG.

Die Rede erklang am 23. Oktober auf einer Demonstration für die Autonomie der Universität für Film und Theater (SZFE). Die Autorin ist Regiestudentin im fünften Jahr.

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