Die rechte Seite: Kommentar zum Verhältnis EU-Ungarn
Heißer Herbst
Gerade fand die erste nachsommerliche Sitzung des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission unter deutscher Präsidentschaft statt. Es ging um den neuen EU-Haushalt und den Fonds zur Bewältigung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie.
Erster Angriff auf Ungarn und Polen nach der Sommerpause
Wie zu erwarten, erfolgte kurz nach dem Startschuss gleich der erste Angriff auf Ungarn und Polen. Die großen europäischen Parlamentsfraktionen – EVP, Sozialdemokraten, Grüne und Liberale – stellten Angela Merkel und Ursula von der Leyen in einem Brief ein ziemlich unfeines Ultimatum. Sie forderten eine offizielle Rechtsstaatlichkeitsklausel, die sie zur Verabschiedung der Haushaltspläne bräuchten. Natürlich wissen sie dabei genau, dass sie diese Forderung eigentlich nicht stellen dürften.
Die Liberalen gingen sogar noch weiter. Die Französin Valerie Hayer, die der Partei Emmanuel Macrons angehört, schrieb in einer Parteimitteilung: Die Verknüpfung von Ressourcen mit der Rechtsstaatlichkeit kann verhindern, dass „Ungarn das nächste Weißrussland wird“. Ihr deutscher Kollege Moritz Körner äußerte, dass die EU kein Mitfinanzierer der „illiberalen Politik der ungarischen und polnischen Regierung“ mehr sein dürfe.
Keine Überraschung
Das überrascht natürlich nicht. Beim letzten EU-Gipfel trugen die Visegrád-Länder den Sieg davon. Die Rechtsstaatlichkeit steht im Vertragstext in keinem Zusammenhang mit der Auszahlung von Geldern. Doch es war zu erwarten, dass die Linksliberalen und leider auch große Teile der EVP nach der Sommerpause wieder neue Attacken starten.
Der größte Teil der Linksliberalen im EU-Parlament erachtet es nicht so sehr als Priorität, endlich den Haushaltsplan von 2021-2027 zu verabschieden, obwohl wir bereits in der letzten Jahreshälfte von 2020 angelangt sind. Ganz zu schweigen von Beschlüssen zum Corona-Fonds, dessen Hilfsgelder eigentlich möglichst bald fließen sollten.
„Wenn die linksliberalen Politiker von Rechtsstaatlichkeit sprechen, führen sie immerfort Ungarn und Polen als Beispiele an, als ob in den anderen Mitgliedsstaaten alles völlig in Ordnung wäre.“
Stattdessen widmen sich die Europaabgeordneten wieder einmal lieber dem ideologischen Kampf. Wenn die linksliberalen Politiker von Rechtsstaatlichkeit sprechen, führen sie immerfort Ungarn und Polen als Beispiele an, als ob in den anderen Mitgliedsstaaten alles völlig in Ordnung wäre.
Sie sprechen von einem grundlegenden Mechanismus, der alle betreffen solle, aber trotzdem ist klar, was sie damit wirklich bezwecken wollen. Hauptsache sie können irgendeine Sache in Ungarn oder Polen in den Fokus rücken und immer wieder betonen, dass wir schon wieder irgendeine rote Linie überschritten hätten, was stärkere Sanktionen erfordern würde.
Ohne jegliche Grundlage
Wie wir an dem kürzlichen Ausfall von Außenminister Michael Roth mit dem pauschalen Antisemitismus-Vorwurf gegenüber Ungarn gesehen haben, versuchen sie oft nicht einmal, ihre Anschuldigungen zu begründen. Roth streute einfach ohne jegliche Grundlage ein, dass in Ungarn der Antisemitismus grassieren würde. Er warf diesen schwerwiegenden Vorwurf so lässig ein, als ob er ihm gerade eingefallen wäre.
Das ist nicht neu. Ein Jahrzehnt voller Verwirrungen, Falschmeldungen und Halbinformationen liegt bereits hinter uns. Auf ähnlich lapidarer, unbegründeter Grundlage werden Beschlüsse durchgesetzt und ganze Berichte erstellt.
Aufschlussreich wird der Kampf der EU-Institutionen im Herbst auf jeden Fall. Das Europäische Parlament bereitete uns schon jetzt auf den kommenden Grundton vor. Das Parlament bleibt damit selbst ein Problem, anstatt Teil der Lösung sein zu wollen. (…)
Und dann wundern wir uns, wenn immer mehr Leute bei der Lösung von Problemen lieber den Nationalstaaten vertrauen.
Aus dem Ungarischen von Anita Weber.
Der Artikel erschien am 29. August auf dem Portal der regierungsnahen Zeitung Magyar Hírlap.