Die rechte Seite: Kommentar zum ungarischen Veto
Politisches Kurzzeitgedächtnis
Im Juli, als es um die Einigung über den EU-Haushalt und den Corona-Fonds ging, war es nicht Teil des zwischen den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten langwierig ausgehandelten Kompromisses, die EU-Ressourcenverteilung an sogenannte Rechtsstaatskriterien zu binden.
Das Abkommen beinhaltet zwar sowohl die Wichtigkeit der Rechtsstaatlichkeit als auch die Notwendigkeit, die finanziellen Interessen der EU vor einem Missbrauch zu schützen. Dies steht aber in zwei voneinander getrennten Punkten.
Kampf um die Interpretation
Natürlich begann der Kampf um die Interpretation sofort. Die westeuropäische Presse, der nun wirklich keinerlei Sympathie für Viktor Orbán vorgeworfen werden kann, betrachtete den ungarischen Premierminister als einen Sieger der Verhandlungen.
Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass es auf polnischen und ungarischen Widerstand stoßen würde, wenn die Linken und Liberalen trotzdem versuchen sollten, ihre willkürliche politische Erpressung mit den ominösen „Rechtsstaatskriterien“ erneut auf die Agenda zu schmuggeln. Selbstverständlich versuchten sie es trotzdem. Zielsicher schoben sie sich einen Stock in die Speichen und sorgten für einen wenig überraschenden Sturz.
Die EU-Funktionäre weinen sich nun im Politico-Magazin aus, dass sie keinen Plan B parat hätten. Es gäbe eine Krise. Und wegen der bösen Ungarn und Polen müssten nun bald die armen Italiener leiden und so weiter und so fort.
Sie beschuldigen Ungarn und Polen, für all das verantwortlich zu sein. Sie wundern sich, warum wir nicht einfach aus der EU austreten würden, wenn wir ein Problem mit ihrer Rechtsstaatlichkeit hätten. Das hätte gerade noch gefehlt!
Wegdelegierte Verantwortung
Die Regierungschefs der sogenannten „sparsamen Länder“, angeführt von dem Niederländer Mark Rutte, können sich jetzt natürlich insgeheim freuen, da sie ohnehin gegen eine gemeinsame Kreditaufnahme und ein größeres Budget waren. Aber natürlich werden sie ihre Freude nicht offen zeigen, schließlich wollen sie nicht als Geizhälse dastehen. Wesentlich eleganter ist es da, die Verantwortung an die barbarischen „Feinde der Rechtsstaatlichkeit“ zu delegieren.
Wie immer stimmten alle Liebhaber des Themas sofort ein. Einzelne Politiker scheinen sich offensichtlich nicht einmal daran zu erinnern, was sie im Juli eigenhändig unterschrieben hatten, geschweige denn daran, was sie vor ein oder zwei Jahren gesagt hatten. Fidesz-Vize Katalin Novák half ihrem Erinnerungsvermögen freundlich auf die Sprünge.
Selbst Donald Tusk und Jean-Claude Juncker hatten noch vor nicht allzu langer Zeit die Idee zurückgewiesen, die Auszahlung von EU-Geldern an politische Bedingungen zu knüpfen. Vor drei Jahren bezeichnete Juncker diesen Vorschlag sogar noch als toxisch.
Auch der EVP-Fraktionsvorsitzende Manfred Weber verfügt scheinbar nur über ein politisches Kurzzeitgedächtnis. Jedes Mal, wenn die ungarische Regierung für etwas kritisiert wird, schlagen die Liberalen der EVP Alarm. Jetzt müsse man den Fidesz sofort ausschließen! Das fordern natürlich auch die Linksliberalen der anderen Fraktionen. (…)
Keine Mehrheit
Laut Weber hätte die EVP ohne die Corona-Krise schon längst über den Ausschluss des Fidesz abgestimmt. Tusk setzte die Frage der Parteimitgliedschaft des Fidesz aber bereits vor der Pandemie bewusst nicht auf die Tagesordnung. Schließlich wusste er schon damals, dass es für einen Fidesz-Ausschluss keine Mehrheit gibt. Den sogenannten „Drei Weisen“ schenkte er jedoch keinerlei Beachtung, weil ihm nicht gefiel, was sie sagten.
Die Liberalen können die ungarische und polnische Regierung nach den Regeln der Politik nicht besiegen. Ihre Einwanderungspolitik hat in ihren Heimatländern das Leben kommender Generationen bereits ruiniert. Ihr Versagen wird immer offensichtlicher. Deshalb greifen sie jetzt zu anderen Mitteln und setzen sich über Abmachungen hinweg. Wir haben aber auch noch ein Wörtchen mitzureden.
Aus dem Ungarischen von Anita Weber.
Der Artikel erschien am 24. November auf dem Portal der konservativen Tageszeitung Magyar Hírlap.