Die linke Seite: Kommentar zum Fall Eriksen

Mitgefühl

Man hört nie auf, sich zu wundern, aber schlimmer geht immer.

Bei der Fußball-EM sackte während des Spiels Dänemark gegen Finnland der dänische Fußball-Star Christian Eriksen leblos in sich zusammen, er musste noch auf dem Feld wiederbelebt werden.

Seine Teamkollegen weinten, auch auf den Rängen sah man dänische und finnische Fans mit Tränen in den Augen. Jeder, der nur ein bisschen Feingefühl besitzt, war von dem Geschehen geschockt. Eriksens von Weinkrämpfen geschüttelte Freundin wurde am Spielfeld­rand getröstet.

Keine Worte …

Der deutsche öffentlich-rechtliche Sender ZDF unterbrach seine EM-Übertragung, zuvor hatte der Kommentator vor Ort darum gebeten, dass nicht wieder zu ihm zurückgeschaltet wird. Die Stimmung im Stadion sei einfach so erdrückend, dass er sich davon nicht frei machen könne. Er selbst stehe unter dem Einfluss des Geschehens und fände einfach keine Worte.

Der frühere FIFA-Schiedsrichter Manuel Gräfe (er zog sich zum Ende der vergangenen Saison aus der aktiven Laufbahn zurück) sprach im Studio darüber, welche Entscheidungen die Mannschaften, die Schiedsrichter und die UEFA-Abgeordneten in solchen Situationen nun zu treffen hätten.

Im Anschluss daran verabschiedete sich das Studio mit dem Versprechen, die Zuschauer über die Entwicklungen in Kopenhagen auf dem Laufenden zu halten. Auf den Bildschirmen erschien später auch die Information, dass Eriksens Zustand stabil sei. Noch später kam dann die Nachricht, dass die EM-Übertragung fortgesetzt wird.

Abbruch oder Fortsetzung?

Als man noch nicht wusste, was mit Eriksen ist, wurde im ZDF auch darüber gesprochen, dass die EM, im Falle, dass Eriksens Leben nicht gerettet werden könne, ganz abgebrochen werden sollte. Denn es gibt Dinge, die sind einfach wichtiger als Fußball.

Eine korrekte, der Schwere der Umstände angemessene Reaktion.

Derweil waren die Experten fürs Spiel im Studio des staatlichen Fernsehsenders M4 Torwarttrainer Zsolt Petry, der wegen umstrittener Äußerungen über Flüchtlinge seinen Posten in Berlin räumen musste, und György Bognár.

Als bekannt wurde, dass Eriksens Zustand stabil sei, sagte Bognár, er verstehe nicht, warum das Spiel nicht fortgesetzt werde: „Bei der UEFA tun sich jetzt ein paar Leute wichtig, deswegen entscheiden sie so langsam. Eriksen geht es gut, jetzt muss weitergespielt werden.” Petry stimmte seinem Kollegen zu. Auch er sah keinen Grund, weiter über das Schicksal des Spielers nachzudenken.

Minimum an Empathie

Was die Studiogäste zu vergessen haben schienen, ist, dass wir in den vergangenen Monaten mehr als dreißigtausend unserer Mitbürger an die Corona-Pandemie verloren haben. Allen Anzeichen nach sind sie in der glücklichen Position, dass nicht einer ihrer Angehörigen, Familienmitglieder, Freunde oder Bekannten der Pandemie zum Opfer gefallen ist.

Wäre dies der Fall, dann sollte doch in dem Mensch noch ein Funken Mitgefühl stecken und es sollte möglich sein, in solchen Situationen zumindest ein Minimum an Empathie aufzubringen. Der Sendung Sportcsarnok auf M4 bleibt meiner Meinung nach jedenfalls nichts weiter übrig, als sich schleunigst von diesen beiden „Experten” zu trennen.

Aus dem Ungarischen von EKG.

Der hier wiedergegebene Kommentar erschien am 12. Juni auf dem Onlineportal der linken Tageszeitung Népszava.

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