Entspannter und harmonischer V4-Gipfel am 4. Juli in Warschau: Ungarn könnte bei der Schaffung eines starken Mitteleuropas eine wichtige integrierende Rolle spielen. (Foto: MTI / Pressebüro des Ministerpräsidenten / Zoltán Fischer)

BZ-Kommentar zur politischen Teilung Europas und ihrer möglichen Überwindung

Linkes West- und rechtes Osteuropa

Entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs zieht sich heute abermals eine Grenze durch Europa. Erneut trennt sie zwei Denkmodelle.

Als hätte der Sturz des Kommunismus zu einer politischen Polverschiebung geführt, gibt linkes Denken heutzutage nicht mehr im Osten, sondern im Westen den Ton an. Verbunden ist es wie eh und je mit der Lust auf alle möglichen waghalsigen Gesellschaftsexperimente. Zwar ist es mehrheitlich zu linksliberalem Denken gezähmt. Dennoch trägt es die Ansätze der Weltanschauung in sich, die in letzter Konsequenz, nämlich in Form des Kommunismus, zur nachhaltigen Schädigung des östlichen Teils unseres Kontinents geführt hat.

Die Zerstörten setzen auf Bewährtes

Während die westlichen Länder zwar nur in kleinen Dosen, aber dennoch auf etwas setzen, das den Osten zerstört hat, setzen die Zerstörten von einst lieber auf das, was den Westen stark gemacht hat. Es hat ihn sogar so stark gemacht, dass er noch immer von dieser Stärke zehren und bis jetzt alle möglichen linken Gesellschaftsexperimente scheinbar problemlos wegstecken kann. Vielleicht ist die solide wirtschaftliche Basis des Westens überhaupt erst die Voraussetzung dafür gewesen, sich von der nüchternen Realität  wegzuträumen und vermehrt Pseudoproblemen zuzuwenden.

Die Gefahr, von diesem Wohlstandsphänomen erwischt zu werden, droht dem Osten noch lange nicht. Wollen diese Länder und ihre Bevölkerung einigermaßen über die Runden kommen, dann müssen sie mit beiden Beinen fest auf der Erde stehen. Für Traumtänzereien fehlt ihnen das solide Parkett. Realismus ist für sie überlebenswichtig.

Entspanntes Klima unter den östlichen Partnern

Diese gemeinsamen Rahmenbedingungen sind sicher ein Grund dafür, warum konservative Kräfte in nahezu allen Ländern des ehemaligen Ostblocks das Oberwasser haben und man untereinander wesentlich besser klarkommt als mit den Vertretern westeuropäischer Staaten. Die beiden, in entspannter Atmosphäre statt­gefundenen V4-Treffen der letzten Woche sind nur ein aktuelles Beispiel für das ausgezeichnete Klima unter den östlichen Partnern. Die Videokonferenz „Europa unzensiert“ vom Mittwoch ein weiteres.

Immer wieder wird bei solchen Begegnungen die Hoffnung auf ein geeintes und daher starkes Mitteleuropa geäußert. Schließlich zeigt die Geschichte: Dieser Teil Europas florierte stets dann am besten, wenn sich mehrere Länder geeint vorwärtsbewegten und sich nicht von externen Kräften gegeneinander aufhetzen ließen.

In der Vergangenheit spielten beispielsweise das Königreich Ungarn und die Österreichisch-Ungarische Monarchie eine solche integrative Rolle. Bedroht wurde die k.u.k. Monarchie wiederum von Frankreich und England, die erst die Mär vom „morschen Völker­kerker“ in die Welt setzten und sodann Mitteleuropa, also Europas Fundament nachhaltig zerstörten.

Heute könnte das Viererbündnis V4 und die Kooperation, die sich derzeit zwischen Ungarn und den ex-­jugoslawischen Ländern entwickelt, eine integrative Rolle spielen. Frankreich und England werden daran nicht groß etwas ändern können, sie haben inzwischen genug eigene Probleme.

Die USA, Russland und China sind für eine mitteleuropäische Integration derzeit zwar noch keine direkten Bedrohungen. Die mitteleuropäischen Länder sind aber gut beraten, deren Avancen in der Region genau zu beobachten und sich ihnen gegenüber auf eine gemeinsame Strategie festzulegen. Auf jeden Fall wäre es naiv anzunehmen, dass die geopolitischen Interessen der drei erwähnten Großmächte deckungsgleich mit denen der mitteleuropäischen Länder sind.

Desinteressiertes Deutschland

Deutschland, das geopolitisch unzweifelhaft ein Teil von Mitteleuropa ist, scheint bisher an einer Wiederbelebung seiner jahrhundertelang gewachsenen bestimmenden Rolle in Mitteleuropa genauso wenig interessiert zu sein, wie daran, in Europa eine offene Führungsrolle zu übernehmen. Eher beschwört es einmal mehr die deutsch-französische Achse, als über Mitteleuropa-Konzeptionen und einen deutschen Part darin nachzudenken. Liebdienerei gegenüber Frankreich und Überheblichkeit gegenüber den ehemaligen Ostblockländern erscheinen jedoch insbesondere im Post-Brexit-Europa als eine etwas kurzsichtige Strategie.

Dabei müsste Deutschland nur die ausgestreckten Hände seiner östlichen Partner ergreifen. Die Regierungschefs dieser Länder sind weise genug, trotz aller von deutscher Seite erlittenen Demütigungen, die Möglichkeit des Mitwirkens von Deutschland an einer wie auch immer gearteten Mitteleuropa-Konzeption nicht durch verbale Gegenangriffe zu gefährden.

Ja mehr noch: mit Blick auf all die erbitterten, aber wohl von Kanzlerin Merkel insgeheim gebilligten Angriffe insbesondere gegen Ungarn, scheinen die wiederholten salbungsvollen Botschaften ungarischer Regierungsvertreter an die Adresse von Merkel fast schon unterwürfig. Sie künden jedoch von einem ausgezeichneten strategischen Gespür der ungarischen Seite. Man wartet halt geduldig.

Fazit

Fakt ist: Ohne ein starkes Mitteleuropa gibt es kein starkes Europa. Ebenso sicher ist, dass die Länder Mitteleuropas ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen müssen, wenn sie nach über hundert Jahren nicht mehr Spielball, sondern endlich einmal wieder Spieler sein wollen. Ungarn könnte in diesem Prozess weiterhin eine wichtige integrierende Rolle spielen. Dass sich derzeit viele Länder der Region politisch auf einer Wellenlänge befinden, sollte als window of opportunity betrachtet und weiterhin beherzt genutzt werden.

 

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4 Antworten auf “Linkes West- und rechtes Osteuropa

  1. Fakt ist: Ohne ein starkes Mitteleuropa gibt es kein starkes Europa! Ja, es ist so. Ich wundere mich nicht darüber, dass immer mehr Bürger mitteleuropäischen Ländern sich von den Westen emanzipieren, wie sich von den Kommunisten emanzipiert haben. Ich glaube, ihnen kann man schon recht wenig vormachen. ALLE Sozialismus, ob national oder international war für sie ein Horror. Nach 1989 wollten sie eine bürgerliche, freies Land. Demokratie. Ohne Adjektiv.
    Merkel Deutschland hat nichts mehr mit “erstrebenswerte Demokratie” zu tun. Es hat kam etwas mit Deutschland in der Zeit, als die Mitteleuropa in die EU eigetreten war.
    Die Franzosen einmal bei der Zerstückelung Mitteleuropa mächtig mitgeholfen hatten, ein verlorenes krieg war sicherlich NICHT allein der Grund. Sie werden Mitteleuropa weiterhin bekämpfen. Schade, dass Deutschland es nicht bemerkt, irgendwann ist Deutschland auch dran. Frankreich will Hegemonie in Europa als einzige Atommacht. Nicht mit Krieg, sondern mit schwächen andere Länder. Vor allem Deutschland.
    Es ist in Ordnung, dass Herr Orban und seine Mitstreiter die Faden zu Deutschland nicht abreißen. Frage: wie lange haben sie noch Geduld?

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  2. “Dabei müsste Deutschland nur die ausgestreckten Hände seiner östlichen Partner ergreifen. Die Regierungschefs dieser Länder sind weise genug, trotz aller von deutscher Seite erlittenen Demütigungen, die Möglichkeit des Mitwirkens von Deutschland an einer wie auch immer gearteten Mitteleuropa-Konzeption nicht durch verbale Gegenangriffe zu gefährden.”

    Sicher hat sich Ungarn und seine Regierung in den letzten Jahren ein dickes Fell anschaffen müssen. Die Repräsentanten der jetzigen Berliner Regierung sind Meister der Repression und reden fortwährend von Rechtsstaatlichkeit, während sie selber am Parlament vorbei regieren.
    Nur zwei Hinweise: Verfassungsrichter in Ungarn dürfen keinen politischen Parteien angehören, in der BRD ist dies die Regel. Die Staatsanwalt in der BRD ist politisch weisungsgebunden (Justizminister). Noch niemals wurde in Ungarn eine Wahl einfach so anuliert, weil ein Wahlvorgang etwas ungewöhnlich war – wie in Thüringen zur letzten Landtagswahl. Hans Georg Maaßen als ehemaliger Präsident des Verfassungsschutzes könnte heute als freier Mann darüber Bücher schreiben.

    Wie viele noch gültige europäische Verträge haben westliche Staaten ausgehebelt oder übergangen? Da kommt einiges zusammen (Dublin, Maastricht, Schengen…) Die ö.r. Medien in Deutschland sind zu Hofberichterstattern eine linksliberalen Regierung geworden – bedenkt man, dass die CDU heute Politiker der LINKEN ex SED in hohe Positionen wählt, so muss man wohl von der Linkspartei CDU reden. Die CSU hat noch Reste konservativer Grundeinstellungen in einer linksliberalen Grundausrichtung. Während dessen reden alle vom Rechtsruck – auch in Bayern. Seit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist aber auch das letzte Liberale im Linksliberalen unter den Traktor gekommen. Es bleiben also unierte Linksparteien. Und seit der neuerlichen Aufgabe der schwarzen Null ging denn auch das letzte konservative Element hopps. Corona sei Dank. Allen westlichen Bürger steht nun der Schuldenstaat zur Verfügung. Er bildet junge Menschen immer schlechter aus und belässtigt seine Bürger mit Gender, während Fabriken reihenweise schließen. Die Chance für den Osten. Ich freu mich drauf.
    Die Wohlstandsverwahrlosung ist im Osten noch wenig ausgebreitet. Die Linke Diktatur ist im Osten in bester Erinnerung und deren Folgen sind noch sichtbar. im Westen ist man beleidigt, denn man meint, die im Osten hätten den Sozialismus/Kommunismus einfach schlecht organisiert. Der Westen weiß es besser, wie man Sozialismus macht. Sie bauen gerade einen modernen Versuchsreaktor in Berlin.

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    1. DR, warum so zaghaft? Mann kann nur noch durch politisch Unkorrektes die Welt ändern! Frau hat versagt, die Welt blickt in den Abgrund. Uns wollen Medien sogar beweisen, dass Frauen besser regieren, nur so könne Corona besiegt werden. Und “Divers” ist die neue Hoffnung. Mit Mult-Kulti kann die linke Diktatur durchstarten. Manche Linke glauben sogar, dass mit digitaler Technik die Planwirtschaft besser zu organisieren sei, darin läge nun die große Chance. Lenin hatte noch kein Smartphone. Dabei hassen sie Informatik und wollen Mathe in Matura oder Abitur abschaffen. Sie hassen Mint-Fächer genauso wie Religionen, nur den Islam schützen sie, weil er angeblich zu den diskriminierten Weltanschauungen gehört. Wir brauchen einen Aufruhr. Die 68er von damals sind fürstlich versorgt. Deren Altersbezüge sind dreimal so hoch wie die der arbeitenden Bevölkerung. Geschenkt, Gender ist wichtiger. Staaten mit kolonialer Vergangenheit liegen allesamt im Westen. Sie wissen wie Bereicherung geht. Die Visegradstaaten sollten Orte der Freiheit und der Wachsamkeit bleiben.

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  3. Ich danke Herrn Mainka für diesen schönen Artikel. Man sagt, die Hoffnung sterbe zuletzt: in diesem Fall die Hoffnung, das offizielle Deutschland könne zur Besinnung kommen, nämlich darauf, was unsere gemeinsame europäische Identität im wahren Kern ausmacht, und in der Folge würde die deutsche Regierung sich den Mitteleuropäern anschließen, die dieses Wissen und das aktive Bekenntnis dazu bis heute trotz aller Gegenkräfte mutig pflegen.

    Nur sind wir Deutschen in der Masse, wie in dem Artikel treffend ausgeführt, ganz offenbar durch den (zumindest auf dem Gebiet der alten BRD) seit Jahrzehnten anhaltenden materiellen Überfluß und (so ergänze ich jetzt) durch die Dauerberieselung mit US-amerikanischer Instant-Unterhaltung, die inzwischen die Hochkultur an den Rand gedrängt oder gar infiltriert und verwässert hat (man höre nur die Kulturprogramme der öffentlichen Rundfunksender), derart verbildet, korrumpiert und träge geworden, daß tatsächlich eine stabile Mehrheit weiterhin bei Wahlen sich für die Parteien entscheidet, die unser Land mit brutaler Konsequenz der kulturellen Selbstvernichtung entgegenführen. Aus geradezu ekelhafter Dekadenz heraus wird all das noch, angefeuert von den Mainstream-Medien, laut beklatscht (Ich denke an das u.a. von Coca Cola gesponserte “Konzert gegen rechts” in Chemnitz vor wenigen Jahren.) und von unserem werten Herrn Bundespräsident als staatstragend gelobt, auch wenn beispielsweise bei derartiger Gelegenheit eine Band rapt: “Stoß das Messer in die Journalistenfresse!”. (Das fällt dann unter den Begriff der künstlerischen Freiheit und darf so stehenbleiben; hingegen wird als Haßrede angezeigt, wenn man schreibt: “Es gibt hier zu viele kriminelle Ausländer.”)

    Ich wünschte mir selber, die noble Geduld von Viktor Orbán mit Frau Merkel und anderen grün gewendeten Granden der CDU/CSU würde einmal belohnt. Blicke ich indes realistisch auf die verdummte und ideologisierte Bevölkerung der deutschen Groß- und Universitätsstädte, deren Mehrheit sich in ihrer Verblendung einbildet, sie sei nicht nur “cool” (m.E. ein abstoßendes Ideal), sondern unschlagbar klug, kann ich leider die besagte Hoffnung nicht teilen.

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