Demonstration zugunsten des Erhalts des bisherigen Index und seiner Linie: „Die Demo hätte nicht von einer Partei organisiert werden sollen.“ (Foto: MTI / Zsolt Szigetary)

Die linke Seite: Kommentar zur Causa Index

Mit erhobenem Haupt

Aufrecht und mit erhobenem Haupt haben sie alles geopfert, Zehntausende trauern nun mit ihnen.

Der Platz vor dem Karmeliterkloster und dem Sándor-Palais ist voller Menschen. Es ist nicht einmal möglich zu sagen, ob es sich hier in der Mehrzahl um eine Versammlung von jungen, alten, armen oder reichen Menschen, um Hauptstädter oder Dörfler handelt. In langen Reihen sind sie hierher marschiert, von einem völlig durchschnittlichen Bürogebäude in Óbuda bis ins Herz der ungarischen Macht, vor das Büro von Viktor Orbán. Rund zehntausend Menschen sind es. Sie alle sind demonstrieren gegangen, weil Index eine gute Zeitung war. (…)

In Ungarn herrscht viel Mauschelei, jetzt und auch generell. Die Macht aus dem Umfeld des sich selbst als Straßenkämpfer bezeichnenden Ministerpräsidenten hat der Zeitung auf hinterhältige Weise ein Grab geschaufelt. Den dort arbeitenden, meist Brille tragenden, oft etwas trödeligen Libschi-Intellektuellen (Anm.: Libschi, ung. libsi, wird in Ungarn pejorativ für Liberale genutzt) blieb nichts anderes übrig, als gleichzeitig aufzustehen und „Nein” zu sagen. So nicht. Sie wollen nicht zusehen, wie jemand mit ihrer Arbeit spielt und wie rückgratlose Menschen ihr Leben und ihre Karrieren beschmutzen.

„Die Demo hätte nicht von einer Partei organisiert werden sollen“

Nicht wegen der Momentum sind so viele Menschen gekommen. Es war auch nicht gut, dass es die Momentum war, die dazu aufrief. Es war keine gute Demonstration und auch die Reden waren nicht gut. Die Demo hätte nicht von einer Partei organisiert werden sollen und es hätten nicht diejenigen Reden halten sollen, die auch sonst auf allen Demos das Wort ergreifen. Es hatte sich aber kein anderer gefunden. Deshalb hat halt die Momentum die Demonstration organisiert, obwohl sie vermutlich wusste, dass das nicht gut ist.

Auch ein Teil der Demonstranten wusste das. Als die Reden begannen, traten sie den Heimweg an. Sie waren nicht gekommen, um Politikerreden zu hören, sondern um zu zeigen, dass Index eine gute Zeitung war. Nicht nur eine gute und wichtige Zeitung, sondern eine kulturelle Ikone Ungarns, die es aus historischen und kulturellen Gründen kein zweites Mal mehr geben wird.

Was mit Index geschehen ist und was wir auf dieser Demonstration gesehen haben, verrät uns etwas über den Allgemeinzustand Ungarns. (…) Die Kommunalwahlen haben der Opposition eine gewisse Zuversicht gebracht. Nach zehn Jahren der Niederlagen konnte sie endlich einmal wieder gewinnen. Die vergangenen, massiv bedrückenden Monate haben jedoch gezeigt, dass sich damit keines von Ungarns Problemen gelöst hat.

Immer weniger unabhängige Zeitungen

Währenddessen gibt es immer weniger unabhängige Zeitungen. Immer weniger Menschen müssen immer größere Aufgaben bewältigen. Ihre Verantwortung wird immer drückender.

Aber wenn wir uns das Video ansehen (Anm.: der Index-Mitarbeiter, wie sie die Redaktion verlassen), können wir erkennen, was zu tun ist. Wir können hier mehr als 80 Menschen sehen, die aufrecht und mit erhobenem Haupt losziehen, um alles zu opfern.

Sie alle haben Familie, Probleme und Freuden, vielleicht aber auch Kredite und Schulden. Das alles mussten sie mit der Entscheidung in Einklang bringen, ihre Arbeit für ihre Überzeugungen aufzugeben. Sie taten es, weil sie wussten, dass das, was jetzt ist, nicht gut ist.

Wenn die Hinrichtung von Index zu irgendetwas gut war, dann dazu, dass wir endlich einsehen: Wir müssen noch mehr tun. Das, was jetzt ist, wird nicht von allein verschwinden, es muss aktiv verändert werden. (…)

Noch härter arbeiten

Die Politiker müssen noch mehr tun, wenn sie gegen den Fidesz gewinnen wollen, und auch die Journalisten müssen noch mehr arbeiten, damit Ungarn nicht ohne Wissen und Informationen bleibt. Damit die Bürger verstehen, was die Regierung mit uns macht. (…) Die Demonstranten müssen ebenfalls mehr Risiken eingehen, und das in einem Land, in dem niemand gern etwas riskiert.

Was jetzt ist, ist nicht gut. Es kann besser werden, wenn wir aus dem, was gerade passiert ist, lernen und noch härter arbeiten. Wenn wir uns entscheiden müssen, dann sollten wir aufrecht und mit erhobenem Haupt stehen. Auch wir sind bereit, Opfer zu bringen.

Aus dem Ungarischen von Elisabeth Katalin Grabow.

Der hier gekürzt wiedergegebene Kommentar erschien am 27. Juli auf dem liberalen Nachrichtenportal 24.hu.

Schreibe einen Kommentar

Weitere Artikel