EP-Abgeordneter Benedek Jávor: „Wir zahlen buchstäblich mit unserem Leben für die Hobbys der Regierung und die allgegenwärtige Korruption.“ Foto: privat/FB

Die linke Seite: Kommentar zur zweiten Corona-Welle in Ungarn

Jetzt mal Klartext

Heute tritt die Coronavirus-Epidemie in Ungarn in eine katastrophale Phase ein. Das bis zum Äußersten ausgeblutete Gesundheitssystem kann mit der wachsenden Zahl der Fälle und dem Bedarf an stationärer und intensivmedizinischer Versorgung nicht mehr Schritt halten.

Die Hälfte der Patienten, die an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden, stirbt. Europaweit ist die Zahl der Todesopfer pro 100.000 Einwohner in Ungarn die dritthöchste. Dies ist nicht etwa darauf zurückzuführen, dass Ärzte und Pfleger unter diesen unmenschlichen Bedingungen nicht ihr Bestes geben.

Untätige Regierung und fehlendes Geld

Der Grund ist, dass die Regierung in den vergangenen zehn Jahren die Ausgaben für das Gesundheitssystem von rund 7,5 Prozent auf 6,5 Prozent des Bruttoinlands­produkts gesenkt hat. Sie sah untätig zu, wie Ärzte und Pflegekräfte auswanderten. Seit Beginn des Sommers hat sie keine nennenswerten Schritte zur Vorbereitung auf die zweite Welle unternommen: Es gibt noch immer keine ausreichenden Testkapazitäten, keine Kontaktnachverfolgung, kein ausreichend geschultes medizinisches Personal und auch keine klaren und durchgesetzten Quarantäneregeln. (…)

In Ungarn gibt es auch keine sinnvollen kurzfristigen Beschränkungen. Länder mit nur einem Bruchteil unserer Mortalitätsrate schließen Geschäfte, Nachtclubs und Restaurants, verbieten Massenveranstaltungen. In Ungarn gibt es dagegen Fußballspiele vor tausenden Zuschauern. Obwohl sich sogar einige Fidesz-Leute bereits darüber empören, wird es nicht einmal einen teilweisen Lockdown geben. Weil es kein Geld dafür gibt, denn das Land wurde schon vor langer Zeit geplündert.

Bereits im Frühjahr waren weder die Mittel noch der Wille vorhanden, um die Verluste der Geschäfte und Betriebe zu kompensieren, die geschlossen werden mussten, oder um Menschen zu helfen, die ihren Arbeitsplatz verloren hatten. Das ungarische Wirtschaftshilfepaket war eines der geizigsten in Europa. Zumindest, wenn wir die Milliarden nicht mitzählen, die sich Lőrinc Mészáros in die Taschen stopfen konnte. Und da es keine Möglichkeit zur Kompensation gibt, gibt es jetzt auch keine Beschränkungen.

„Wir zahlen mit unserem Leben für die Hobbys der Regierung“

Für die Gesundheitsversorgung, für Tests, wirtschaftliche Entschädigungen und Kontakt-Tracing gibt es in Ungarn keine Mittel. Die gibt es nur für das, was für die Regierung wichtig ist. Für die Fußballakademie in Pécs etwa gab es in letzter Minute noch 800 Millionen Forint. 204 Milliarden (!) wurden für die Leichtathletik-Weltmeisterschaft bereitgestellt. Einige Milliarden hier und da werden – wie gesagt – für Lőrinc Mészáros (der nach dem Staat der zweitgrößte Arbeitgeber in Ungarn geworden ist) abgezweigt. (…)

Nur für Menschenleben reicht es nicht – nicht für die 50 bis 60 Menschen, die täglich an Coronavirus sterben. Aufs Jahr betrachtet könnte das Virus zur dritthäufigsten Todesursache in Ungarn werden. Es ist nicht mehr nur im übertragenen Sinne wahr, wenn wir sagen: Wir zahlen buchstäblich mit unserem Leben für die Hobbys der Regierung und die allgegenwärtige Korruption.

Wenn es nicht gerade darum geht, mit Plakaten gegen György Soros oder andere fadenscheinige Gegner zu kämpfen, wenn das Propagandaministerium von Antal Rogán nicht ausreicht, sondern wirklich etwas getan und der Kampf mit einer wirklichen Gefahr aufgenommen werden muss, dann glaubt die Regierung plötzlich an die individuelle Verantwortung und überlässt alles den Menschen. Sollen sie es lösen, so gut sie können. Die Regierung ist weit weniger zurückhaltend, wenn es darum geht, wen wir lieben, wie viele Kinder wir haben, welche Bilderbücher wir lesen. (…)

Am Scheideweg

Wir stehen am Scheideweg: Die Regierung hat das Land sich selbst überlassen, als es in eine Krisensituation geriet. Es wird nicht regiert, nicht gehandelt – oder wenn, dann gerade genug, um etwas Propagandarauch zu entwickeln. Wenn Ungarn sich damit abfindet, wenn es denkt, dass das genügt, dann wird es tatsächlich so kommen. Wenn wir akzeptieren, dass wir unsere Mitbürger, Freunde und Angehörigen verlieren, weil die Hobbys des Premierministers und das Ausstaffieren seiner Freunde für den Staat wichtiger sind, als das Leben seiner Bürger, dann wird es so kommen.

Aus dem Ungarischen von EKG.

Der hier leicht gekürzt wiedergegebene Kommentar erschien am 1. November auf Benedek Jávors Facebook-Seite. Jávor ist Europaabgeordneter für die grüne Oppositionspartei Párbeszéd Magyarországért (dt.: Dialog für Ungarn).

2 Antworten auf “Jetzt mal Klartext

  1. Der Meinungsartikel strotzt nur so von Faslchbehauptungen (prozentual dritthöchsten Todesopfer in Europa, keine Hilfen für Wirtschaft) und Vermutungen. Aber Hauptsache gegen einzelne Personen schiessen und Soros als frommes Lamm darstellen. So geht das, wenn man keine Argumente hat und einem nur das Meckern bleibt. Danke für 5min Diebstahl meiner geschäzten Zeit. Davon gehörten zwei zu diesem, meinem Kommentar

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  2. Herr Javor bedient sich von Sprechblasen. Es gibt in Europa kein Land, wo die medizinische Personal genug im Zahl wären. Die Auswanderung betraf nicht nur Ungarn, sondern in Dänemark, Deutschland, Österreich, England, Belgien und so weiter. In den verschiedenen Ländern werden die Tote unterschiedlich gezählt. es gibt viele, wo NUR die Tote gezählt werden, die NACHWEISLICH an Corona gestorben sind und nicht MIT Corona an anderen Krankheiten. Leider ist die Gesundheit den Menschen, die jetzt hauptsächlich erkrankt sind, in der Nachkriegszeit, in der kommunistischer Zeit ungesund gelebt haben, es gab keine Vorsorge. Nach Deutschland gehen die Menschen am häufigsten zu Arzt.Wenn jemand kritisiert, sollte bitte die andere Ländern auch unter die Lupe nehmen!

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