BZ-Kommentar zum versuchten Missbrauch von EU-Geldern
Die Geldentzugspeitsche
Beim ursprünglichen Deal ging es vereinfacht gesagt darum, dass sich die östlichen Länder für westliche Waren, Dienstleistungen und Investitionen öffnen sollten. Als Kompensation für die daraus resultierenden Nachteile (insbesondere durch die Zerstörung bestehender einheimischer Wertschöpfung und den Wegfall von Zolleinnahmen) wurden ihnen attraktive Transferzahlungen in Aussicht gestellt. Der Deal schien gut konzipiert zu sein und zu funktionieren. Beide Seiten kamen auf ihre Kosten.
Uminterpretation des Wesens von EU-Geldern
Die Lage änderte sich jedoch, als die Ost-EU-Länder nicht nur wirtschaftlich, sondern auch mit Blick auf ihr Selbstbewusstsein zunehmend stärker wurden. Je mehr sie begannen, eigene Interessen zu artikulieren, umso mehr versuchten die westlichen Länder, die Transferzahlungen in Almosen umzuinterpretieren, für die es sich natürlich gezieme, dankbar, ergo auch willfährig zu sein.
Einige besonders forsche westliche Oberlehrer begannen sogar, zum rein wirtschaftlichen Deal politische Bestimmungen hinzuzudichten. Zwar waren diese nicht einmal ansatzweise im Kleingedruckten des ursprünglichen Vertragswerkes zu finden, dennoch wird unverdrossen auf sie gepocht. Nach diesen fiktiven Bestimmungen müssten sich beispielsweise die östlichen Länder, wenn sich die westlichen Partner mit ihrer Willkommenskultur mal wieder etwas überhoben haben, durch die Aufnahme von Quotenmigranten am Feuerlöschen beteiligen.
Auch bei anderen, eher gesellschaftlichen Fragen, in denen zwischen westlichen und östlichen EU-Ländern Meinungsverschiedenheiten bestehen, wird vermehrt mit den Fördergeldern „argumentiert“. Inzwischen kann man sich darauf verlassen, dass, sobald Ost-EU-Länder – vorzugsweise Ungarn und Polen – nicht nach der Pfeife des Westens tanzen, das Gespräch sofort auf die EU-Gelder gelenkt wird. Diese Verknüpfung ist zwar Nonsens, weil eine Fiktion, nichtsdestotrotz wird sie permanent in den Raum gestellt.
Neunmalkluge Rausschmeißer
Das Vorbild westlicher Politiker zeigt Wirkung. Inzwischen kann man sich darauf verlassen, dass es bei jedem Zeitungsartikel in einer westlichen Mainstream-Zeitung – insbesondere deutscher und österreichischer Provenienz – in dem über „nicht genehmes“ Verhalten östlicher Länder berichtet wird, im Kommentar dazu, aber mindestens im Forum darunter mindestens einen neunmalklugen Deppen gibt, der lauthals fordert, das entsprechende Land endlich aus der EU zu schmeißen oder ihm wenigstens den „Geldhahn“ zuzudrehen.
Natürlich sind all das nur Wunschvorstellungen, die jeglicher rechtlicher Grundlage entbehren. Es ist für die Ungarn- und Polen-Kritiker sicher bitter, aber an geschlossene Verträge kommen sie nun mal nicht heran. Pacta sunt servanda – auch das gehört zur Rechtsstaatlichkeit! Ganz anders verhält es sich freilich mit noch nicht geschlossenen Verträgen, wie etwa mit dem Vertragswerk hinter dem Next Generation Fund – was für ein schöner EUphemismus! –, mit dem die nächste Generation kräftig verschuldet und die EU-Geldverteilungsmaschinerie gewaltig angefeuert werden soll.
Hier wittern nun all jene Morgenluft, die unbotsame EU-Mitglieder mit der Geldentzugspeitsche züchtigen wollen. Schließlich sind diese Verträge ja noch nicht geschrieben. Also ließe sich hier doch etwas machen… Fehlanzeige! Ungarn schiebt solchen Überlegungen von vornherein einen Riegel vor. In einem BZ-Interview hat Fidesz-Vizechefin Katalin Novák ganz klar erklärt, dass es eine der Grundbedingungen für die Zustimmung Ungarns sei, dass der leicht politisierbare Komplex der Rechtsstaatlichkeit bei der Verteilung der Gelder aus dem Fonds als Kriterium keine Rolle spielen dürfe. Begründet hat sie die ablehnende Haltung Ungarns übrigens damit, dass es derzeit kein objektives, für alle geltendes Kriterien-System gibt, mit dem Rechtsstaatlichkeit klar definiert und gemessen werden könnte.
„Rechtsstaatlichkeits-Verteidiger“ wollen Rechtsstaatlichkeit untergraben
Mit anderen Worten: derzeit könnte also selbst beim besten Willen niemand genau sagen, mit wieviel Geld-, Punkte- oder Prozent-Abzug Länder bestraft werden müssten, deren Regierungen beispielsweise demokratische Wahlentscheidungen selbstherrlich annullieren, eine auswuchernde Internetzensur zulassen, staatliche Einrichtungen gegen nicht genehme Oppositionsparteien einsetzen oder die nicht bereit sind, das Privateigentum von Oppositionspolitikern gegen die Selbstjustiz durch Polit-Vandalen ausreichend zu schützen.
Da es kein objektives und für alle geltendes Kriterien-System gibt, wären willkürliche, subjektive Entscheidungen vorprogrammiert. Genau das aber würde der Rechtsstaatlichkeit zuwiderlaufen und müsste daher im Sinne der Erfindung eigentlich sofort mit Strafmaßnahmen gegen Länder geahndet werden, deren Vertreter mit solchen unausgegorenen Ideen hausieren gehen.
“Nach diesen fiktiven Bestimmungen müssten sich beispielsweise die östlichen Länder, wenn sich die westlichen Partner mit ihrer Willkommenskultur mal wieder etwas überhoben haben, durch die Aufnahme von Quotenmigranten am Feuerlöschen beteiligen.”
Überhoben haben sich Brüssel und Berlin nicht nur in der Frage millionenfacher Migration aus Islamischen Ländern, auch beim Thema Euro hat die EU 100% versagt. Italien, Griechenland, Spanien und Portugal hätten niemals die gleiche Währung wie die Niederlande oder die BRD erhalten dürfen. Heute weiß man es, aber man sagt es selten. Die Entscheidung hatten damals vor allem Politiker des linken Spektrums getroffen, und wenn ich mich recht erinnere, so waren es die damals noch vollschlanke Tante von der SPD und die deutschen Grünen, die ohne den geringsten ökonomischen Sachverstand das Projekt Einheitswährung vorantrieben.