„Der operative Stab wurde geschaffen, um nicht antworten und wahrhaftig informieren zu müssen.“ Foto: MTI / Gergely Botár

Die linke Seite / Kommentar zum Stand der Meinungsfreiheit

Das ist lupenreine Einschüchterung

Innerhalb von zwei Tagen wurden zwei Männer, denen die „Verbreitung von Schreckensnachrichten“ vorgeworfen wurde, von der Polizei abgeführt. Beide wurden wenig später wieder freigelassen. Doch das ist hier nicht der Punkt.

Was hatten sich die Männer zuschulden kommen lassen? Im ersten Fall ging es um ein küchenphilosophisches Brainstorming, unter anderem unter der Verwendung des Begriffs „Diktator”. Im zweiten Fall um einen in einer geschlossenen Gruppe (!) geteilten Beitrag des oppositionellen Politikers Ákos Hadházy. Diesem fügte der später Verhaftete eine (!) Zeile hinzu, in der er eine Tatsache feststellte. Im Hadházy-Post sinnierte der unabhängige Abgeordnete über den auf Krankenhäuser ausgeübten Druck, Betten freizumachen.

Haben wir nun Meinungsfreiheit?

Jemand hat mich kürzlich gefragt, ob wir bei Mérce keine Angst haben, dass die neuen gesetzlichen Regelungen zur Verbreitung von Schreckensnachrichten unsere Autoren nun davon abhalten, ihre Meinungen oder sogar trockene Fakten zu schreiben. Darauf habe ich geantwortet: Man kann keine Zeitung machen, wenn einem diese Angst ständig vor Augen schwebt. Natürlich veröffentlichen wir keine Schreckensmeldungen, aber wir halten uns an unsere Grundsätze und sehen dann, was daraus wird.

Es ist jedoch sehr schwer, wenn man sieht, dass Privatpersonen von der Polizei drangsaliert werden, nur weil sie ihre Meinung geäußert haben. Haben wir nun Meinungsfreiheit? Und wie wird entschieden, was noch Meinung und was bereits eine „Schreckensmeldung“ ist? Die Tatsache, dass sich diese Frage heute stellen kann, ist an sich schon furchtbar beängstigend.

Um ehrlich zu sein, ist es heutzutage verdammt schwer geworden, Nachrichten zu schreiben. Auch weil die Regierung es nahezu unmöglich macht, an Informationen zu gelangen. Auf gestellte Fragen antwortet sie nur vereinzelt und oft unzureichend (…). Und in der Zwischenzeit sehen wir auch, dass immer weniger Menschen es wagen, sich frei zu äußern, weil sie etwa Angst um ihre Stelle haben. Die Unsicherheit und die drückende Atmosphäre, die seit der Verkündung der Notstandslage herrscht, hilft der journalistischen Arbeit noch weniger. Von Minute zu Minute, von Stunde zu Stunde und von Woche zu Woche wird es schwieriger, an Informationen zu gelangen. (…)

Fragwürdige Regierungskommunikation

Auch die Art und Weise, wie die Regierung heute mit den Menschen kommuniziert, trägt nicht gerade dazu bei, dass wir in der aktuellen Situation die Dinge klar sehen können. (…) Sie behandeln uns wie dumme Kinder, denen es sich nicht lohnt, irgendetwas zu erklären, da sie es eh nicht verstehen würden. In dieser Situation ist es wahrlich nicht verwunderlich, dass Zweifel, Misstrauen und Spekulationen an der Tagesordnung sind. (…)

Und wenn wir nach all dem sehen, dass sich binnen zwei Tagen gleich zwei Menschen vor der Polizei erklären müssen, weil sie ihre Meinung mit ihren Bekannten (oder noch extremer, mit den Mitgliedern einer geschlossenen Gruppe) geteilt haben, dann stellt sich unweigerlich die Frage: Worum handelt es sich hier, wenn nicht um lupenreine Einschüchterung?

Es ist keine Verbreitung von Schreckensmeldungen, wenn jemand in einem regierungskritischen Post auf Unstimmigkeiten in der Regierungskommunikation hinweist. Ebenfalls nicht, wenn jemand der Regierung die Frage stellt, was in Herrgotts Namen sie eigentlich macht. (…)

Gefährlicher Präzedenzfall

Der Kern des Problems ist: Während es unheimlich wichtig wäre, dass die Behörden gegen tatsächliche Falsch- und Schreckensmeldungen vorgehen – damit die Verbraucher keine Panikmache und irreführende Inhalte erreichen –, ist es ein gefährlicher Präzedenzfall, gegen Menschen vorzugehen, die nur ihre regierungskritische Meinung geäußert haben. Dagegen kann man gar nicht laut genug seine Stimme erheben. (…)
Denn derzeit herrscht Meinungsfreiheit. Doch sollten Grenzüberschreitungen, von denen wir jetzt gleich zwei binnen zwei Tagen gesehen haben, zur Regel werden, dann können wir uns nicht mehr sicher sein, ob die Regierung ihre quasi grenzenlose Macht nicht missbraucht. Dazu hat sie keine Ermächtigung erhalten. Ganz sicher auch nicht dafür, dass sie anhand undurchsichtiger Kriterien ungarische Staatsbürger drangsaliert.

Aus dem Ungarischen von EKG.

Der hier verkürzt wiedergegebene Kommentar erschien am 13. Mai auf dem linken Nachrichtenportal merce.hu.

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