BZ-Kommentar zur Coronavirus-Politik der ungarischen Regierung
Bloß kein neuer Lockdown!
Im Moment hat es den Anschein, als wäre das Problem mit dem Coronavirus von den ungarischen Verantwortlichen weitgehend externalisiert. Es könnte nur dann wieder aufflammen, wenn die Krankheitserreger aus dem Ausland eingeschleppt werden. Daher auch die sich immer mehr verdichtenden Überlegungen hinsichtlich möglicher Grenzschließungen ab September.
Wirtschaft verträgt keinen weiteren Lockdown
Dass es – so wie im Frühjahr – noch einmal zu einem strengen Lockdown kommt, ist vorerst nicht zu befürchten. Nicht nur wegen der derzeit niedrigen Fallzahlen, sondern vor allem wegen der Überzeugung, dass man der angeschlagenen Wirtschaft nicht noch einmal eine solche radikale Gesundheitskur zumuten kann. Zumal immer mehr Zahlen davon künden, dass Ungarns Wirtschaft allen zweckoptimistischen Erklärungen zum Trotz – ebenso wie die meisten europäischen Volkswirtschaften – von den Maßnahmen gegen das Coronavirus doch gewaltig in Mitleidenschaft berührt ist.
Eine der größten Fragen lautet derzeit, ob das neue Schuljahr wieder im ganz normalen Präsenzmodus begonnen und, wenn ja, wie lange dieser Modus durchgehalten werden kann. Das Interesse des Staates ist natürlich, dass das Leben an den Schulen wieder in die gewohnten Bahnen kommt. Nicht nur wegen der nach wie vor großen Kritik am Online-Unterricht, sondern vor allem wegen der wirtschaftlichen Folgen. Schließlich würde ein erneutes Home Schooling, bei dem abermals viele Eltern gezwungen wären, sich auf Kosten ihres eigentlichen Berufes als Kinderbetreuer zu engagieren, einem kleinen Lockdown ähneln.
Lieber Grenz- als Schulschließungen
Ein erneutes Aus des Präsenzunterrichts hätte unabsehbare Folgen für die Erholung der angeschlagenen Wirtschaft. Eben deshalb hat der 1. September als Stichtag für mögliche Grenzschließungen weniger den Grund, mögliche Sommerreisen ins Ausland zu blockieren, sondern vielmehr den normalen Schulbetrieb zu schützen. Lieber will man so viele Grenzen wie nötig schließen, als ein vorzeitiges Aus des Präsenzunterrichts zu provozieren.
Bei allen Maßnahmen, welche die ungarische Regierung in den nächsten Wochen zum Schutz ihrer Bevölkerung ergreifen muss, kann sie auf jeden Fall auf ein großes Plus zählen: Die Ungarn sind noch nicht so „Corona-müde“ wie etwa die Deutschen und stellen die getroffenen Maßnahmen der Regierung noch nicht derart in Frage.
Während in Deutschland immer mehr Bürger die Coronavirus-Politik ihrer Regierung ablehnen, dafür sogar auf die Straße gehen und Kritiker dieser Politik zu neuen YouTube-Stars avancieren, kann sich die ungarische Regierung bei allem, was sie jetzt tun muss, auf einen wesentlich größeren Rückhalt in der Bevölkerung stützen.
Dieses Grundvertrauen ist ein wichtiges Gut. Es liegt an der Regierung, es durch vernünftige, mit Augenmaß beschlossene Schutzmaßnahmen zu bewahren.
Anmerkung:
Dieser Kommentar erschien im aktuellen BZ Magazin, also einen Tag vor der Ankündigung der Rot-Grün-Lösung durch Kanzleramtsminister Gergely Gulyás. Obwohl umfangreiche Maßnahmen erwartet worden waren, scheint die Regierung mit dieser Lösung nun deutlich über das Ziel hinauszuschießen. Sicher wird Ungarn damit radikal vor möglichen Einschleppungen des Coronavirus aus dem Ausland geschützt. Auf der anderen Seite ist es jedoch nicht sicher, ob alle Risiken und Nebenwirkungen richtig abgeschätzt wurden. Möglicherweise entstehen jetzt größere volkswirtschaftliche Schäden, als wenn die Regierung die Grenzen differenziert und “smart” geschlossen hätte. Auch im EU-Kontext wirft der radikale Alleingang Ungarns Fragen auf.
Alle Zeugen Coronas sollten sich mal diesen Beitrag ansehen, falls sie an einem fairen und wissenschaftlichen Diskurs interessiert sind:
https://www.youtube.com/watch?v=-eR1j9vqKi8
Die Regierungen weltweit müssen in der Corona-Frage Recht behalten, weil alles andere ihre Macht in Frage stellen würde. Sie werden es mit Gewalt und abhängigen Medien durchzusetzen verstehen. Insofern hat Merkel in die Mitte getroffen, wenn sie behauptet: Die Corona-Maßnahmen sind eine demokratische Zumutung.
Sollte sich herausstellen, dass ein Lockdown wesentlich mehr Schaden anrichtet inklusive Todesopfer durch eingeschränkte medizinische Versorgung, wirtschaftlichen Niedergang usw. , dann können die Verantwortlichen einpacken. Die Folgeschäden sind ja noch gar nicht ganz abzusehen. In Deutschland gibt es aber eine besondere Situation: Hier hat Merkels Politik des alternativlosen Durchregierens – teils ohne parlamentarische Debatten – den Diskurs nahezu erstickt und gleichzeitig die politischen Ränder gestärkt. Gleiches passierte in der Migrationsfrage. Eine Hypermoral der politischen Korrektheit hat sich wie ein dicker Schleim über Deutschland gelegt. Die beiden Demos im August in Berlin von “Querdenken” u.a. waren nur ein etwas hilfloser und chaotischer Versuch, sich von dieser Merkel-Krake zu befreien. Das Thema ist in Deutschland : Demokratieabbau. Unter den Umständen einer Pandemie lassen sich noch ganz andere politische Vorhaben durchsetzen.