Die rechte Seite / Kommentar zur Lage der Nation
Auf in ein neues goldenes Zeitalter!
Zwei konkrete Feststellungen können wir indes auf jeden Fall schon treffen. Zum einen, dass 2019 das beste in der 1100-jährigen Geschichte Ungarns war. Zum anderen, dass das goldene Zeitalter für die ungarische Rechte im politischen Sinne erst einmal vorbei ist. Schauen wir uns beides genauer an.
Im Großen und Ganzen gut
Es ist eine steile These, dass 2019 Ungarns bestes Jahr gewesen sein soll, und wenn wir den Erfolg an den Ausmaßen unseres Landes messen, dann stimmt diese These auch nicht. Wenn wir jedoch messen, wieviele Einwohner Ungarns dieses Jahr in annehmbaren und sicheren Zuständen gelebt haben, dann besteht kein Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung.
Natürlich sind wir damit nicht allein, nach einigen Jahrzehnten verlief das letzte Jahr weltweit im Großen und Ganzen gut, besonders in Europa. Die Armut sinkt stetig, das Warenangebot wächst beständig, das moderne Gesundheitswesen ist für immer mehr Menschen zugänglich, die Lebenserwartung steigt, die Demokratie verbreitert sich. Zwar birgt die Zukunft auch ernsthafte Bedrohungen, aber die Gegenwart ist ausgesprochen erfolgreich.
Im Ländervergleich schneidet Ungarn im vergangenen Jahr besonders gut ab. In Sachen Wirtschaftswachstum zählt es zu den Spitzenreitern Europas, was auch die Zahlen im Bericht des World Economic Forum von Davos bestätigen. Stetig wachsende Reallöhne, eine geringe Inflationsrate, eine niedrige Arbeitslosenquote, eine zurückgehende Auswanderung, eine gestoppte illegale Einwanderung sowie wachsende Investitionen. Das Land funktioniert.
Gute Regierungspolitik zahlt sich aus
Doch diese Zahlen sind keine Selbstverständlichkeit, was wir in den letzten Jahrzehnten deutlich zu spüren bekamen. Ein Land funktioniert nicht einfach von selbst gut oder schlecht, sondern hängt von den wichtigsten Entscheidungsträgern in den Schlüsselpositionen ab. Weder Europas noch Ungarns Entwicklung gestaltete sich in den letzten Jahrzehnten geradlinig. In Ungarn kam es vor 2010 durch eine unfähige Regierung zu einem rigorosen Anstieg der Staatsverschuldung, einer Abwertung der Reallöhne und einer steigenden Inflation. Natürlich nehmen auch die internationalen Wirtschaftsentwicklungen Einfluss auf die Binnenökonomie, dennoch haben wir die Ergebnisse des letzten Jahres in erster Linie der guten Regierungspolitik zu verdanken.
Überraschenderweise führt der sich verbreitende Wohlstand in ganz Europa aber auch zu Aufständen gegen den Wohlstand. Augenscheinlich ist die entwickelte Welt nicht darauf vorbereitet, dass ganze Generationen aufsteigen und nicht mehr um ihre Lebensbedingungen kämpfen müssen. Dieser Wandel ist zu schnell, als dass sich die Gesellschaft intellektuell und moralisch darauf vorbereiten könnte. (…)
Dieser neue, selbstverständliche Wohlstand führt auch zu negativen gesellschaftlichen Trends. Einerseits entwickelt sich eine egoistische Kultur wie Kinderlosigkeit, die logischerweise unwiderruflich zum Aussterben beziehungsweise zu einem Bevölkerungsaustausch führt. Eine weitere Reaktion zeigt sich in den Klimaprotesten. Zweifellos ist der Klimaschutz und insbesondere der Umweltschutz eine überaus wichtige Sache. In den Medien der entwickelten Welt spiegelt sich jedoch vor allem die Ratlosigkeit wider, was aufgrund der neuesten Forschungserkenntnisse zu unternehmen sei. Die Einstellung der Klimaaktivisten erinnert eher an die städtische Jugend, die sich gegen die Ordnung auflehnt. Sie erinnert auch an die französischen Jakobiner, die Bolschewiken oder die jungen 68er Studenten, die stolz die roten Mao-Bibel schwenkten.
Das Alte und Bewährte ist langweilig geworden
Während wir den Segen des europäischen Wirtschaftswachstums genießen können, hat sich auch in Ungarn ein Widerstand gegen den Wohlstand gebildet. Materielle Sicherheit stellt für immer mehr Menschen eine unumstößliche Tatsache dar, für die niemand mehr wirklich dankbar ist.
Anstatt sich alternative Wirtschaftsmodelle zu überlegen, versucht die aktuelle, politische Oppositionsbewegung bei ihren Anhängern den Widerwillen gegen die Macht weiter zu befeuern, und das nicht ohne Erfolg. Das baut natürlich auf altbewährte Gefühlsmuster: Das Alte und Bewährte ist langweilig geworden und soll durch etwas Neues ersetzt werden. Dieses Bedürfnis ist so alt wie die Menschheit und drückte sich in verschiedenen Epochen nur unterschiedlich aus. Nun ist dieses Bedürfnis auch bei uns gereift, wofür sich grundverschiedene Oppositionsparteien zusammengetan haben, um „etwas anderes“ zu propagieren.
Ihrer Aufforderung kam auch ein großer Teil der Wählerschaft im Herbst nach, wodurch das Oppositionsbündnis zu einer politischen Kraft aufstieg. Bis jetzt ist diese Kraft nichts anderes als dieses „etwas anderes“. Sie hat kein Gesicht, keinen Charakter und keine Richtung. Das ist auch nicht möglich, wenn unvereinbare politische Gesinnungen plötzlich im selben Boot sitzen. Wir müssen aber betonen, dass die Wähler sich dessen bei den Bezirkswahlen bewusst waren, und es sich auch 2022 bewusst sein werden. Es reicht eben nicht, nur zu betonen, dass das Bündnis eigentlich regierungsunfähig ist, denn das reichte auch am 13. Oktober nicht. Das Versprechen von „etwas anderem“ gilt es zu beachten, falls die rechte Seite in zwei Jahren gewinnen will. Eine Erneuerung in ihrer Konstanz ist hierauf die richtige Antwort.
Gewonnen und verloren
Letzten Herbst hat die rechte Seite sowohl gewonnen als auch verloren; beide Versionen kann man aus den Wahlergebnissen ableiten. Wichtiger ist jedoch, dass sie die rechte Seite als Niederlage, die Opposition jedoch als Triumph empfunden haben. Die rechte Seite hat diese Niederlage unerwartet getroffen. Sie löste einen bösen Streit in unseren Reihen darüber aus, ob wir gerade zu weich oder zu hart gewesen waren. Wir müssen das aber als schlechte Diskussion und das Stellen der falschen Fragen werten, denn es suggeriert, dass es einen universalen Lösungsschlüssel für aktuelle, politische Probleme gibt, mit dem wir immer die richtige Lösung finden würden. Aber so etwas gibt es natürlich nicht. Jeder Fall ist einzigartig. Jede Situation verlangt politischen Verstand. Es gibt Situationen, in denen man jedes Stückchen Erde verteidigen muss, koste es, was es wolle. Es gibt aber auch Situationen, in denen man sich zurückziehen muss, wo man in den sauren Apfel beißen muss und manchmal auch eingestehen, dass man falsch lag.
Es schadet aber nicht, sich ein uraltes Gesetz ins Gedächtnis zu rufen: Wer den Gegner nicht ehrt, wird verlieren. Auf der rechten Seite ist es hingegen fälschlicherweise eine gängige Praxis, dass wir uns die Unsrigen immer als die Weißen, also die Guten, und die Anhänger des Gegners als die Schlechten, die Schwarzen, ausmalen. Besonders Letzteres ist gefährlich, weil es uns blind macht für die Realität. Wir verstehen nicht, warum sie gegen uns vorgehen, und so gelingt es uns auch oft nicht, erfolgreich gegen sie vorzugehen. Lernen wir also, den Gegner zu schätzen, damit wir ihn besiegen können!
Laut neuer Studien soll die rechte Seite einen Großteil ihrer jungen Anhänger verloren haben. Das ist zum Teil wenig überraschend, denn die jüngere Generation war noch nie sonderlich empfänglich für konservative Werte. Wie auch Winston Churchill sagte: Wer mit zwanzig Jahren kein Linker ist, der hat kein Herz. Wer mit vierzig noch Linker ist, hat keinen Verstand. Unsere Jugend hat ein Herz, deswegen ist es schwer, sie zu gewinnen. Es ist aber nicht unmöglich, wenn wir die Sprache finden, die sie sprechen. Hier ist es schwer, mit ihnen Schritt zu halten, sie in der Internetwelt zu erreichen, aus der sie die meisten ihrer Informationen beziehen. (…)
Toleranz gegenüber Kritik lernen
Im Lager der Regierungsanhänger wird auch noch der leiseste Hauch von Kritik strikt zurückgewiesen, um der Opposition kein gefundenes Fressen zu liefern. Wir müssen uns aber darüber bewusst sein, dass diese Kritikunfähigkeit bei den jungen Leuten nicht gut ankommt. Wenn sie bei einem Forum nicht frei ihre Meinung äußern dürfen, auch wenn diese falsch ist, und stattdessen angefeindet werden, dann wenden sie sich ab und suchen sich andere Plattformen, wo sie frei reden können. Darüber sollte tiefgreifender nachgedacht werden.
Die Lösung liegt trotzdem in unseren Händen. In stürmischen Zeiten besteht die einzig richtige Lösung darin, zu den Grundlagen zurückzukehren, sich darauf zu besinnen, wer wir sind, was wir wollen und wie wir unsere Werte umsetzen können.
Was sind unsere Werte? Eine auf Arbeit beruhende starke Wirtschaft und gesellschaftlicher Wohlstand, eine – auf einer erfolgreichen Wirtschaft basierende – starke, nationale Souveränität, eine – auf nationaler Souveränität beruhende – starke interne und grenzübergreifende nationale Solidarität und alles in allem, ein Ungarn, das das Erbe des zweitausendjährigen Christentums behütet und vermehrt, das zurückblickt und aufbaut, und das weltoffen und gleichzeitig stolz auf sich selbst ist.
Wenn wir diesen Weg erneut beschreiten, können wir nicht irren. Dann steht uns auch ein neues goldenes Zeitalter bevor.
Der Artikel erschien am 2. Januar auf dem Portal der regierungsnahen Zeitung Magyar Nemzet. Der Autor ist Journalist.
Aus dem Ungarischen von Anita Weber.