Im Oktober konnte der Autor sein Buch in der Andrássy-Universität vorstellen. Foto: AUB

Rezension: „Exit Budapest“ von Sebastian Garthoff

Wenn die Traumstadt zum Albtraum wird

Der Journalist und Autor Sebastian Garthoff hat mit „Exit Budapest“ eine spannende Budapest-Erzählung vorgelegt.

Alles begann mit einem Film. Als 1999 der Streifen „Gloomy Sunday“ in die Kinos kam, hatte es Sebastian Garthoff nicht nur die Hauptdarstellerin Erika Marozsán angetan, sondern auch der Ort der Handlung. „Da wusste ich: Ich muss nach Budapest“, erinnert er sich.

Leidenschaft für Budapest

Als er schließlich zum ersten Mal die ungarische Hauptstadt besuchte – es war die Abschlussfahrt seiner Abiturklasse –, war es endgültig um ihn geschehen. „Ich bin von der Großen Markthalle die Donau entlang gelaufen, vorbei an der Kettenbrücke und dem Parlament, um die Margareteninsel herum und auf der anderen Seite wieder zurück“, schwärmt er noch heute von seinem ersten Mammutspaziergang durch Budapest.

Als sich während seines Studiums die Möglichkeit bot, ein Praktikum bei der deutschsprachigen Wochenzeitung Pester Lloyd zu absolvieren, zögerte er nicht lange. Aus dem Praktikum wurden mehrere Jahre. Die Zeitung gibt es längst nicht mehr. Doch Garthoffs Leidenschaft für Budapest ist geblieben. Jetzt hat er mit „Exit Budapest“ ein spannendes Buch vorgelegt, in das er viele seiner Erfahrungen aus Budapest und Ungarn einfließen ließ.

Foto: Privat

Sebastian Garthoff, Jahrgang 1984, wurde im thüringischen Bad Frankenhausen geboren. Nach seinem Geschichtsstudium in Erfurt und Vilnius arbeitete er mehrere Jahre als Reporter beim Pester Lloyd in Budapest. Parallel dazu setzte er sein Geschichtsstudium mit Schwerpunkt Ostmitteleuropa an der Central European University fort.
Während dieser Zeit unternahm er zahlreiche Recherchereisen in die Region. Seine Reportagen über Budapest und Ungarn erschienen in Zeitungen und Zeitschriften in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Polen. Nach seiner Zeit in Budapest arbeitete er als Lokaljournalist bei der Thüringer Allgemeinen, bevor er das Provinzleben wieder gegen die Großstadt eintauschte. Derzeit arbeitet er als Redakteur bei einem Berliner Medien-Start-up. Seine alte Wahlheimat Ungarn besucht er nach wie vor regelmäßig. Sein Debütroman „Tote wird man nicht los“ erschien im Frühjahr 2022 in einem kleinen Verlag, die von Garthoff selbst gezeichnete Comicadaption folgt 2025. Mit der düsteren Erzählung „Exit Budapest“ tritt er erstmals als Selfpublisher in Erscheinung.

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Vermisstenfall als Inspiration

In dem Buch geht es um den Auslandsjournalisten Gregor Merten. Seine in Budapest erscheinende Zeitung – im Buch heißt sie „Donaustimme“ – steht vor dem Aus. Dann verschwindet Gregors einzige Vertraute von einem Tag auf den anderen spurlos. Auch Mitglieder seiner Redaktion geraten in Verdacht, etwas mit ihrem Verschwinden zu tun zu haben. Auf der Suche nach ihr irrt Gregor durch Budapest, das sich immer mehr von seiner Traumstadt zur Hauptstadt der Albträume entwickelt.

Wie Garthoff im Gespräch erklärt, hat ihn das Verschwinden einer französischen Austauschstudentin in Budapest zu der Geschichte inspiriert. Die junge Frau war eines Nachts auf dem Heimweg von einem Club im jüdischen Viertel, auf der Kettenbrücke verlor sich ihre Spur. Erst Monate später wurde ihre Leiche im Süden der Stadt in der Donau bei Csepel gefunden.

Es war auch die Zeit, in der sich das nahende Ende des Pester Lloyd bereits abzeichnete. Für Garthoff selbst stellte sich damals die Frage, ob er in Budapest bleiben oder nach Deutschland zurückkehren sollte. „Ich war damals schon sehr zerrissen“, gibt er heute zu. „Und diese Zerrissenheit prägt auch Gregor im Buch.“

In „Exit Budapest“ finden sich viele Erfahrungen wieder, die der Autor persönlich in Budapest gemacht hat.

Als Gastjournalist bei HVG und Origo

Garthoff kehrte zwar nach Deutschland zurück, hielt aber den Kontakt nach Budapest. So war er unter anderem Stipendiat eines journalistischen Austauschprogramms und arbeitete mehrere Monate als Gastjournalist in den Redaktionen des Wochenmagazins HVG und des Online-Portals Origo. Seine ungarischen Sprachkenntnisse erwarb er in Budapest.

Zusammen mit seinem Kollegen, dem Fotografen Daniel Kaldori, veröffentlichte er zudem zahlreiche Reportagen in internationalen Zeitungen und Magazinen. Gemeinsam verfassten sie auch einen Reiseführer über Budapest. „Budapest war immer eine Inspirationsquelle, bei jedem Besuch sind neue Ideen entstanden“, schwärmt Garthoff. „Und irgendwann auch die Idee für ein Buchprojekt.“

Doch die Umsetzung war nicht so einfach, wie es sich der Autor vorgestellt hatte. „Ich dachte, ich bin ein ganz passabler Journalist, dann kann ich auch Bücher schreiben, aber das sind zwei völlig unterschiedliche Bereiche, und wie ich als Autor ticke, das musste ich erst selbst herausfinden.“

Doch mit dem Endergebnis ist der Autor zufrieden – und auch mit der Entscheidung, das Buch als Selfpublisher, also ohne Verlag an seiner Seite, zu veröffentlichen. Nach eigenen Angaben hat er sich im Laufe der Jahre bei Dutzenden Verlagen beworben. Bei zwei Verlagen war „Exit Budapest“ sogar unter Vertrag, doch das Buchprojekt wurde nicht realisiert.

Auch aufgrund dieser Enttäuschungen entschloss sich Garthoff, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Seit September ist das Buch nun auf dem Markt. Man kann es als Taschenbuch oder als eBook über Garthoffs eigene Website beziehen oder im Buchhandel bestellen.

Segen gebürtiger Budapester

Die Premierenlesung fand in Berlin statt, wo der Autor inzwischen mit seiner Familie lebt. Es war ihm aber auch ein Bedürfnis, „Exit Budapest“ vor Ort in der ungarischen Hauptstadt vorzustellen. Ende Oktober präsentierte er sein Buch in der Österreich-Bibliothek der deutschsprachigen Andrássy-Universität.

Besonders gefreut hat Garthoff, dass das Buch auch den Segen von gebürtigen Budapestern erhalten hat, die ihm persönlich bescheinigten, die Stadt sehr gut beschrieben zu haben. Zur Zielgruppe des Buches zählt der Autor vor allem Leser, die unkonventionelle Erzählungen mögen, die Geschichten mit einer psychologischen Dimension schätzen und die sich für die Kultur und Geschichte Osteuropas erwärmen können.

Garthoff selbst wird Budapest natürlich treu bleiben, wie er versichert. Er sei mit Budapester Kulturinstitutionen über gemeinsame Veranstaltungen im Gespräch. „Es könnte also gut sein, dass wir uns nächstes Jahr in Budapest wiedersehen.“

Weitere Budapest-Krimis und -Thriller

In den letzten Jahren sind neben dem vorgestellten Werk von Sebastian Garthoff auch einige weitere Krimis und Thriller aus nicht-ungarischer Feder erschienen, die in Budapest spielen:

Viktor Íro: „Tödliche Rückkehr“ (Piper Verlag, 2010)
Als in einem Budapester Thermalbad ein Staatssekretär ermordet wird, wird die ehrgeizige Nachwuchskommissarin Viki Kiss mit der Aufklärung des Verbrechens betraut. Hinzugezogen wird der Europol-Ermittler Antal Peringer, der zum ersten Mal seit seiner Flucht aus Ungarn vor fast 50 Jahren in seine Heimatstadt Budapest zurückkehrt. Die Spuren führen in die wechselvolle Geschichte Ungarns – und in Peringers eigene Vergangenheit.

Jerome P. Schaefer: „Der Dschungel von Budapest“ (Transit Verlag, 2021)
Ein Roman noir, der auf wahren Begebenheiten beruht: Es geht um Betrug, staatliche Korruption, Bestechung. Vielen der reichsten ungarischen Geschäftsleute wird heute nachgesagt, ihre „Karriere“ einst bei der Ölmafia begonnen zu haben.

Adam LeBor: „Bezirk VIII“ und „Zwischen den Korridoren“ (Polar Verlag 2023/2024)
In seinen beiden Budapest-Krimis macht Adam LeBor den aus einer Roma-Familie stammenden Baltazár Kovács von der Budapester Mordkommission zur zentralen Hauptfigur. In den Büchern begegnen wir den Intrigen der politischen Macht in Budapest und ihren Verbindungen zum organisierten Verbrechen.

Oliver Diggelmann: „Die Lichter von Budapest“ (Kröner Verlag, 2023)
Ein packendes Zeitporträt der ungarischen Politik in den Nullerjahren – ein kenntnisreicher Roman über kriminelle Vergabepraktiken, Manipulation und EU-Gelder aus Brüssel, die mit Hilfe internationaler Anwaltskanzleien unauffindbar im Nirgendwo versickern.

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