Laut Harari muss die Landwirtschaft abgeschafft werden, schließlich trage sie massiv zur Zerstörung der natürlichen Tier- und Pflanzenwelt bei. Foto: MTI/ Zsolt Czeglédi

Essay zur Geschichtstheorie und den Zukunftsfantasien des Great Reset

Vom bösen Homo Sapiens zum unsterblichen Homo Deus

2025 wird als ein entscheidendes Jahr in die Geschichte Europas eingehen. Denn mit der Rückkehr des amerikanischen Präsidenten Donald Trump erhält nicht nur die Politik des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán kräftig Rückenwind.

In der gesamten EU werden den patriotischen Bewegungen neue Möglichkeiten eröffnet. Vieles, was mit dem Ziel der UN-Agenda 2030 und im Rahmen der geplanten Techno-Diktatur durch das Verwaltungskon­strukt EU bereits eingeführt wurde, kann vielleicht teilweise rückgängig gemacht oder zumindest gestoppt werden: Die brutale Deindustrialisierung Deutschlands, die bewusste Veränderung der ethnischen Zusammensetzung Europas, die Kriegstreiberei und die digitale Verknechtung der europäischen Bürger.

Die ideologischen Fundamente

Im Rahmen einer wohl bald von den USA ausgehenden politischen und gesundheitspolitischen Aufarbeitung all dessen, was seit Corona in der sogenannten westlichen Welt abläuft, ist es von daher auch wichtig, einmal die ideologischen Fundamente dieser geplanten und von den europäischen Regierungen willfährig in kleinen Schritten durchgeführten Etablierung einer Techno-Diktatur näher zu betrachten.

Sie konnten sich nur entwickeln, weil seit Jahrzehnten im Hintergrund daran gearbeitet wurde. Das Zentrum dieser äußeren politischen Einflussnahme auf die europäische und internationale Politik ist das in der Schweiz angesiedelte World Economic Forum (WEF). Dies ist ein elitärer Club, der seit Jahrzehnten unter der Leitung von Klaus Schwab und in Zusammenarbeit mit einflussreichen Politikern, Journalisten, Wirtschaftsexperten und Milliardären auf die Umsetzung der UN-Agenda 2030, auf den sogenannten Great Reset hinarbeitet. In diesem „Think Tank” wurde die Mehrheit der heute regierenden Politiker sowie der Journalisten und Wissenschaftler der westlichen Welt zu sogenannten „young global leaders” herangezogen. Diese sind die Vollstrecker des sogenannten „Great Reset”, der eine neue technologisch kontrollierte Weltordnung samt einer einzigen Weltregierung anstrebt.

Die Gallionsfigur

Einer der einflussreichsten Ideologen dieses WEF ist der israelische Historiker Yuval Noah Harari. Bekannt wurde er nicht zuletzt durch Videos, in denen er Arbeitslose herablassend als „unnütze Esser” bezeichnet und vom Zeitalter des technologisch erweiterten „Gottmenschen” spricht. Harari gehört wohl zu den aktivsten Mitgliedern dieser Gruppe, er ist einer der auserwählten „Young global leaders” die daran arbeiten, den Great Reset bis 2030 Realität werden zu lassen.

Harari ist somit fester Bestandteil jener illustren Gruppe, zu der auch George und Alexander Soros gehören, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, der amerikanische Präsident Biden, kurz gesagt, all jene, die man als „Globalisten” bezeichnet und die zur Zeit Deutschland nach Kräften deindustrialisieren und Europa unter allen Umständen in den Dritten Weltkrieg treiben wollen. Bei diesen vielen hochrangigen Kontakten erstaunt es niemanden, dass seine Bücher wie „Sapiens” und „Homo Deus” bereits in 50 Sprachen übersetzt wurden. Vor allem sein Buch „Sapiens” stand lange ganz oben auf der New York Times Bestsellerliste, umrankt von zahllosen Empfehlungen und Lobeshymnen.

„Harari ist einer der auserwählten „Young global leaders”, die daran arbeiten, den Great Reset bis 2030 Realität werden zu lassen.“

Gleich oben auf dem Buch prangt das Zitat des IT-Milliardärs Bill Gates: „Ich würde dieses Buch jedem empfehlen, der einen unterhaltsamen und spannenden Einblick in die frühe Menschheitsgeschichte gewinnen möchte. Es wird Ihnen schwerfallen, es aus der Hand zu legen.” Fast der gleiche Wortlaut findet sich in der Rezension des Wochenblattes Die Zeit wieder. Das Magazin Christian Science Monitor jubelt, das Buch wäre „ehrgeizig und aufschlussreich.” Der bekannte amerikanische Journalist Sebastian Junger freut sich darüber, dass endlich mal jemand „ein so exaktes Buch” geschrieben hat. Ja, sogar Barack Obama und das Wall Street Journal sind hellauf begeistert. „Faszinierend” rufen sie in die Menge. Und selbst die Feinde der WEF-Ideologie, wie etwa der habilitierte Arzt und Molekulargenetiker Dr. med. Michael Nehls, der Verfasser des Buches „Das indoktrinierte Gehirn”, respektieren Yuval Noah Harari zumindest als versierten Historiker. Denn schließlich ist er Professor für Geschichte an der Hebräischen Universität in Jerusalem und hat in Oxford promoviert.

Wer sich jedoch ernsthaft und in aller Ruhe mit den Thesen Hararis auseinandersetzt und diese dann mit anderen Forschungsergebnissen und gängigen Debatten zu den gleichen Themen vergleicht, dem drängt sich die dringende Frage auf, ob diejenigen, die die Schriften Hararis und vor allem das Buch „Sapiens” so lauthals empfehlen, diese denn auch wirklich ganz gelesen haben.

Die Bücher „Sapiens” und „Homo Deus” bilden den Hintergrund dessen, was politisch zur Zeit läuft.

Präzise politische Ideologie

Immerhin sollte man sich zumindest einmal mit dem historischen Denken Hararis auseinandersetzen, denn dort findet man die historisch eschatologische Erklärung der gesamten aktuellen westlichen Politik. Die Bücher „Sapiens” und „Homo Deus” bilden den Hintergrund dessen, was politisch zur Zeit läuft. Sie zeigen allgemein, auf welcher Art von „Wissenschaftlichkeit” und auf welchen „historischen Argumenten” die aktuelle linksgrüne Ideologie basiert.

Denn die Politik der Europäischen Union, sowie die der meisten europäischen Regierungen, entsteht nicht aus Unwissen oder Dummheit heraus, sie zeugt von einer ganz präzisen politischen Ideologie. Lockdowns oder sogar Shutdowns zur angeblichen Rettung des Klimas, Impfzwang, Genderpolitik, aber auch die Abschaffung der Landwirtschaft, Inflation und geplante Währungskrise, die Rundum-Digitalisierung des menschlichen Lebens, die unkon­trollierte Massenmigration, die Enteignung der europäischen Bürger sowie zu guter Letzt die endgültige Abschaffung der westlichen Demokratien – finden in den Schriften von Yuval Noah Harari ihre quasi historische Rechtfertigung. „Die Demokratien werden sich nach und nach auflösen und einer Einheitsmacht weichen”, schreibt Yuval Noah Harari ganz unverhohlen und niemand stört sich daran. Und anhand einer allumfassenden globalen Menschheitsgeschichte mit vielen einfach wahllos herausgepickten und aneinandergereihten Beispielen aus zig tausend Jahren versucht er zu zeigen, warum dies alles so und nicht anders kommen muss.

Der Mensch – Eine Bedrohung für das Ökosystem

Denn alles beginnt natürlich mit dem Auftreten der Menschheit. In seinem Buch „Sapiens” zeichnet Harari eine sehr vereinfacht dargestellte und sich scheinbar linear entwickelnde „Menschheitsgeschichte” nach, in welcher der Mensch schon von Anfang an eine Bedrohung für das Ökosystem darstellt. Vor allem der Homo Sapiens war offensichtlich schon immer ein Vielfraß gewesen, der, man höre und staune, schon sehr früh für das Aussterben bestimmter Tierspezies verantwortlich zu machen ist. So etwa in Australien vor 45.000 Jahren.

So kann man im „Sapiens” lesen: Die Klimaveränderungen, die Australien vor etwa 45.000 Jahren heimsuchten, zerstörten das Ökosystem und machten es besonders anfällig. Unter normalen Umständen hätte sich das System wahrscheinlich erholt, wie es schon oft zuvor der Fall war. Doch genau zu diesem kritischen Zeitpunkt erschien der Mensch auf der Bühne und stürzte das brüchige Ökosystem in den Abgrund.“ Zwar bestätigt Harari, dass der Planet Erde mehrfach von einem Klimawandel heimgesucht wurde und dass dieser Klimawandel zum Aussterben bestimmter Spezies geführt haben könnte, trotzdem fährt er fort: „Die Kombination aus Klimawandel und menschlicher Jagd war für Großtiere besonders verheerend, da diese aus verschiedenen Richtungen angegriffen wurden.“

Nun ja! Vor rund eintausend Jahren lebten 250 bis 350 Millionen Menschen auf der Erde, so nimmt die UNO an. Nach diesem Stillstand der Bevölkerungsentwicklung im ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung begann das Wachstum im Hochmittelalter erneut, erlitt im Spätmittelalter jedoch Einbrüche durch Pest, Pocken und andere Seuchen. Wenn diese Zahlen für das Mittelalter stimmen, dann stellt sich die Frage, wie viele Menschen gab es wohl 46.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung? Und wie viele Menschen lebten zu dieser Zeit überhaupt auf dem australischen Kontinent? Inwieweit war es darüberhinaus möglich, in der Frühsteinzeit mit Speeren, Faustkeilen und anderen primitiven Waffen so viele Tiere auf einmal zu töten, dass diese ausstarben? Und gab es zu jener Zeit Kühlmöglichkeiten, um das massenhaft erjagte Fleisch über längere Zeit aufzubewahren? Immerhin müssen diese Homo-Sapiens-Bösewichte ja ordentlich zugegriffen haben, um die Megafauna eines ganzen Kontinents aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Ziel: Die Verteufelung des Menschen

Dieses naive Geschichtsnarrativ ist dabei nur ein Beispiel aus den viel gelobten Schriften von Yuval Noah Harari. Ziel dieses Narrativs ist eindeutig die Verteufelung des Menschen, was dann später im „Homo Deus” die genetische und technologische Verwandlung des Homo Sapiens in einen perfekt funktionierenden Maschinenmenschen rechtfertigt. Dieser elektronisch und genetisch umgeformte Maschinenmensch bedrohe dann im Gegensatz zum Homo Sapiens die Natur nicht mehr, weil er diese, sprich die Natur, für sein Überleben nicht mehr benötige.

Damit jedoch nicht genug. Wer glaubt, dass Ackerbau und Viehzucht die Situation des Lebens auf dem Planeten verbessert hätten, der irrt. Harari nennt dies „die größte Lüge der Geschichtsschreibung”. Mit der „landwirtschaftlichen Revolution” beginnt die „Bevölkerungsexplosion” und die Etablierung fest gefahrener, verwöhnter Eliten. Die Menschen beuten seit der landwirtschaftlichen Revolution die Natur lediglich immer systematischer aus. Dabei geht es ihnen nicht um die Natur selbst, sondern nur um den Eigennutz, den sie aus ihr ziehen können.

Das Huhn hat keinen Eigenwert, auch die Kuh, die geschlachtet wird oder das Schwein, das selbst vom Biohof aus ins Schlachthaus transportiert wird, haben keinen Eigenwert, sie haben nur das Recht auf eine vom Menschen vorgezeichnete kurze Existenz, um danach getötet und gegessen zu werden. Ebenso die Bäume, die zum Heizen oder zum Möbelbauen gefällt werden, oder der Weizen, der zum Brotbacken angebaut wird, auch sie besitzen nur einen einzigen Wert: den des Nutzens für den Menschen. Dieser Missbrauch allen Lebens auf diesem Planeten wird durch den aufkommenden Kapitalismus noch perfider ausgebaut und perfektioniert. Wie wäre es aber, wenn man diese Perspektive verließe und den Tieren und Pflanzen wieder ihren ursprünglichen Eigennutz zurückgäbe, ohne sie weiter verwerten zu wollen?

Im Klartext, man hört es schon her­aus: Die Landwirtschaft muss abgeschafft werden, denn sie trägt massiv zur Zerstörung der natürlichen Tier- und Pflanzenwelt bei und lässt den Planeten nicht in seinem ursprünglichen Zustand. Dies ist der Grund, weshalb letztendlich technologisch erzeugtes, synthetisches Essen die landwirtschaftlichen Produkte ersetzen soll. Denn erst dadurch kann der Planet Erde wieder „zu sich finden”.

Sicherlich ist die moderne Massentierhaltung und die Verwendung von Tieren in medizinischen und kosmetischen Laboratorien grausam und abzuschaffen! Das wird schon lange von den Tierschutzverbänden gefordert und vereinzelt auch durchgesetzt. Doch wie steht es mit den Produktionsabläufen der synthetischen Nahrungsketten? Sind diese wirklich so frei von kapitalistischem Profitstreben und sind sie wirklich umweltfreundlich? Genetisch manipulierte Insekten, Fische oder genetisch manipuliertes Getreide kontaminieren ja „normale” Insekten, Fische und normales Getreide. Diese können sich dann nicht mehr selbst reproduzieren, müssen ständig neu „produziert” und „gekauft” werden oder sterben aus. Liegt darin etwa die Rettung des Planeten? Darauf findet sich in Hararis Schriften keine Antwort.

Der böse Sammler

Schenkt man Yuval Noah Harari Glauben, so hat selbst der Mensch im Laufe seiner Evolution nicht wirklich viel erreicht, denn „(…) die evolutionäre Perspektive ist ein unvollständiges Kriterium für den menschlichen Erfolg. Sie beurteilt alles nach den Kriterien des Überlebens und der Fortpflanzung, ohne Rücksicht auf individuelles Leiden und Glück”. Das Ansammeln von Gegenständen ist dem bösen Homo Sapiens ein Hauptanliegen, was ihm aber nicht viel nutzt, da es ihn weder vor Krankheit noch vor Katastrophen oder gar vor Kriegen schützt. Dazu kommen noch seine imaginären Rechtssysteme, die nichts als reine Fantasieprodukte sind, sich oftmals über die Jahrhunderte und je nach Kultur widersprechen und nur scheinbar das Zusammenleben von Menschengruppen ordnen. Ganz gleich ob die Rechtssprüche des 3800 Jahre alten babylonischen Codex Hammurabi oder die Menschenrechtserklärungen der amerikanischen Gründerväter. Diese Ideen sind nicht Teil einer planetarisch natürlichen Realität, sie sind nirgendwo „objektiv” zu finden, sondern existieren ausschließlich in der menschlichen Vorstellungskraft. Von daher gibt es für Rechtssysteme allgemein keine objektive Werterealität. Bestimmte juristische Regelungen des Codex Hammurabi widersprechen den Rechtsnormen von Unabhängigkeit und Menschenrechten der Amerikaner und Franzosen. Beide Systeme behaupten von sich jedoch, das einzig „wahre” Rechtssystem zu sein. Da es ihnen aber an „nachweisbarer materieller Realität” fehlt, sind sie beide gleichermaßen unbedeutend und eigentlich nur mythologische Erscheinungen.

„Schenkt man Yuval Noah Harari Glauben, so hat der Mensch im Laufe seiner Evolution nicht wirklich viel erreicht.“

Erstaunlich dabei ist, dass bei diesem Argument die intellektuellen Entwicklungen der gesamten europäischen Philosophiegeschichte überhaupt keine Rolle spielen und Harari einfach mal kurz zwei Rechtssysteme willkürlich herausgreift und miteinander vergleicht, obwohl sie tausende Jahre auseinanderliegen. Ist das wissenschaftlich so überhaupt sinnvoll? Diese methodische Frage wird hier einfach nicht gestellt.

Das primitive Recht des Stärkeren

Dagegen wendet sich Harari in seiner angeblichen „Menschheitsgeschichte” genau an diesem Punkt gegen jedwede Form von Rechtsstaatlichkeit. Indem Harari die menschliche Erfindergabe und die Fähigkeit, rationale und möglichst gerechte Systeme zu erschaffen und diese immer wieder zu erneuern, als reine Fantasiehandlung abtut, erlaubt er jeder Form von Diktatur auf der gleichen ethischen Ebene zu stehen wie die Menschenrechte und die Demokratie. Ganz gleich ob Menschen aufgrund einer Ideologie vergast werden oder ob sie in Freiheit leben können und eine bürgerliche Existenz aufbauen, beides hat den historisch gleichen Wert, es sind Resultate der menschlichen Fantasie. Das ist eine einfältige und gefährliche Vereinheitlichung von empirischer und intellektueller Realität, was die menschliche Gesellschaft im Grunde wieder auf das primitive Recht des Stärkeren zurückwirft. Wenn alles das gleiche Fantasiegebilde ist, dann gilt letztendlich nur noch die objektive Realität, das heißt im Klartext: die Faust oder die Waffe oder beides gleichzeitig.

Nicht erst seit dem deutschen Philosophen Immanuel Kant steht jedoch fest: Es gibt so etwas wie menschliches Erkenntnisvermögen. Kant spricht dabei von der praktischen Vernunft und von der reinen Vernunft. Es gibt die mehr oder weniger objektive Gültigkeit der Ansehung der Gegenstände, so wie der Mensch seine Umwelt sieht und definiert. Das ist die praktische Vernunft. Und es gibt die transzendentale Deduktion dessen, was der Mensch aus dem Erlebten heraus logisch hinterfragt. Das ist die reine Vernunft, und diese beschäftigt sich mit Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach einem ersten Ursprung, nach dem Wahren, dem Guten und dem Bösen, nach dem Schönen und Hässlichen.

„Harari bleibt an den platten materiellen Erscheinungen des Lebens einfach hängen.“

Irgendwie bleibt Harari aber an den platten materiellen Erscheinungen des Lebens einfach hängen. Für ihn gibt es diese Fragen nicht, vielleicht weil man auf sie keine eindeutigen Antworten aus dem Ärmel schütteln kann. Und darum ist es ihm wohl auch zu langwierig oder zu schwierig, sich mit den vielen metaphysischen Denkansätzen von der Antike bis zur Neuzeit auseinanderzusetzen.

Blind für faszinierende Lebenskraft

Ganz anders dagegen die wirklich großen Wissenschaftler, Denker und Historiker, die diesen Fragen bescheidener entgegentreten. Während Harari wie ein Kleinkind erklärt, dass die Medizin und die Biologie im menschlichen Körper keine Seele gefunden hätten und der menschliche Körper somit reine Materie sei, wusste der Biologe und Naturwissenschaftler Erwin Chargaff durchaus, dass man schon „das Leben” an sich, diese unheimlich faszinierende Lebenskraft, die in allen Tieren, Pflanzen und Menschen wirkt, wissenschaftlich überhaupt nicht definieren kann, dass es sie aber trotzdem gibt. „Kein Wissenschaftler, niemand weiß, was das Leben ist, und niemand wird es je erklären können. Es ist ein ewiges Mysterium. Ist es Gas? Ist es Flüssigkeit?” sagte Erwin Chargaff noch in einem letzten Interview, bevor er 2002 starb. Es sind eben nicht „die Flügel”, die den Vogel fliegen lassen, so wie Harari es beschreibt, sondern das lebende Organ, das aufgrund eben dieser Lebenskraft überhaupt erst als „Flügel” funktionieren kann. Genau diese differenzierte Wahrnehmungs- und Denkebene fehlt Yuval Noah Harari jedoch vollkommen, und das macht sein Buch so banal und so gefährlich.

Nun ist es in Hinblick auf seinen oberflächlichen Umgang mit den Religionen und mit den philosophischen Fragen des Lebens nicht weiter erstaunlich, dass die Heilige Kuh der Hindus, der monotheistische Dogmatismus und auch der Marxismus, die Indianer auf dem amerikanischen Kontinent, Adolf Hitler und die amerikanischen Gründerväter bunt durcheinander gewürfelt werden. Das Ganze erscheint dem Laien dann als „großes Wissen”. Dabei ist jedoch Vorsicht geboten, vor allem wenn es denn um gesellschaftliche Fragen geht!

Auflösung jedweder Identität

Harari führt den Leser gezielt zur Auflösung jedweder Identität, sei diese geschlechtlich, national oder kulturell. All diese Identitäten sind für ihn und für diejenigen, die lauthals Genderpolitik und Nationalstaatenauflösung predigen, letztendlich wieder nur wertlose Fantasiekonstrukte des menschlichen Gehirns, die notwendigerweise verschwinden werden, um den Menschen dann über eine zukünftige technologische Erweiterung zum allmächtigen Gottmenschen werden zu lassen. Der Mensch als ein technologisch erweitertes, perfekt funktionierendes, unsterbliches und nie erkrankendes Neutrino soll tatsächlich die Krone seiner eigenen Schöpfung werden. Er soll zum Homo Deus werden! Man wundert sich nur: „Wozu eigentlich”?

Es ist zudem schon erstaunlich, wie Yuval Noah Harari versucht, die Bedeutung der Geschlechterrollen einfach aufzuheben. Letztendlich, so schreibt er, ist das Geschlecht nur ein Chromosomenunterschied. Und ob xx oder xy, aus diesen beiden Chromosomen entsteht eben nur ein biologisches männlich und weiblich, deren biologische Funktionen über die Jahrtausende immer die gleichen bleiben. Die daraus abgeleiteten Rollen in den Gesellschaften aber verändern sich ständig. Sicherlich hat das weibliche xx mehr Östrogen, es trägt die Kinder aus und produziert Milch, aber daraus eine „Frauenrolle” innerhalb einer Gesellschaft abzuleiten, sei pure menschliche Fantasie und kann bedenkenlos abgeschafft werden.

Nicht minder sind für Harari auch die sogenannten Nationalstaaten nur reine Fantasievorstellungen. Oftmals wurden die Landesgrenzen von Königen und Diplomaten einfach willkürlich gezogen, und auch die jeweiligen Kulturen in diesen Umzäumungen verändern sich ständig. „Die menschliche Kultur ist in ständigem Wandel. Ist dieser Wandel völlig zufällig oder hat er eine Richtung? Hat er ein allgemeines Muster? Mit anderen Worten: Hat die Geschichte eine Richtung?“ fragt Harari und antwortet auch sofort mit einem klaren Ja.

Globaler Einheitsstaat mit Maschinenmenschen

Denn für ihn hat die Geschichte eine Entwicklung eingeschlagen: hin zum globalen Einheitsstaat mit Maschinenmenschen auf dem Weg zu Gottmenschen. Dann wird auf wunderbare Weise alles perfekt sein. Nanopartikel sausen durch den menschlichen Körper und zerstören Krebszellen, Chips im Hirn steuern eine schnelle und bessere Verarbeitung von Informationen und irgendwie soll der Mensch dank genetischer Manipulationen dann auch noch unsterblich werden. Die Roboter helfen ihm dabei. Eine Risikobewertung zu den dafür geplanten Experimenten fehlt vollkommen: weder zu den Experimenten an der menschlichen DNA, noch zu jenen mit injizierten Nanopartikeln. Und die Vorstellung, dass alles einfach perfekt funktionieren wird, ist mit einem Mal – man lese und staune – kein Fantasiegebilde mehr.

Auch Hararis Einteilung der Menschheitsgeschichte in „Kognitive Revolution”, „landwirtschaftliche Revolution”, die „Vereinheitlichung der Menschheit” und die „Wissenschaftliche” Revolution wirft viele Fragen auf. Wieso spricht er hier von „Revolutionen”, was ja doch eher langwierige historische Entwicklungen waren? Da hat der Mensch plötzlich ein Gehirn, das anders funktioniert als das der „anderen Tiere”, denn wohlgemerkt, der Mensch ist in Hararis Version ebenso Tier wie die Ratte, das Pferd und der Vogel. Woher kommt also diese Entwicklung des menschlichen Gehirns? Ist das menschliche Gehirn einfach so plötzlich vom Himmel gefallen?

„Harari führt den Leser gezielt zur Auflösung jedweder Identität, sei diese geschlecht­lich, national oder kulturell.“

Zudem verwendet er den Begriff „Wissenschaft” durch seine ganzen Schriften hindurch im Singular, was ja nun auch gerade nicht der Realität entspricht, denn es gibt die Naturwissenschaften, die Technologie, die statistischen Wissenschaften, die Geisteswissenschaften, die Gesellschaftswissenschaften. Schon in den Naturwissenschaften wird je nach Fachbereich mit ganz unterschiedlichen Methoden gearbeitet, und jeder wirkliche Wissenschaftler weiß, dass man nicht einfach nur mal „die Natur beobachtet”, sondern dass man für jedes Experiment vorher ein präzise ausgearbeitetes Projekt mit klaren und vom Menschen „logisch selbst erdachten” Definitionen benötigt und dass selbst die Ergebnisse nicht immer eindeutig bewertet werden können.

Totalitäre und zerstörerische politische Absicht

Die Diskrepanz zwischen dem, was man über die Bücher von Yuval Harari liest und dem, was man dann in ihnen selbst liest, ist enorm. Woher kommt das? Haben hier die Redakteure der Wochenzeitschrift Die Zeit, Abteilung Wissen und die anderen Kommentatoren einfach nur die Bewertung aus der New-York Times abgeschrieben? Bemerkt hier denn niemand die totalitäre und zerstörerische politische Absicht hinter dieser angeblich „provokativen” und „neuen” Geschichtsvision?

Fakt ist, dass diese „Menschheitsgeschichte” der Vergangenheit und die Visionen der Zukunft mit ihrer zusammengeschusterten Kritik am Menschen und am menschlichen Leben, ergänzend zum „The Great Reset” von Klaus Schwab verfasst wurden und dass sie einen konkreten politischen Zweck erfüllen: die Einführung einer Form des Technofaschismus. Vielleicht sollten die Damen und Herren Redakteure und Kommentatoren die Bücher von Yuval Noah Harari noch einmal ganz in Ruhe durchlesen.

Die Autorin publiziert Artikel und produziert Radiosendungen zu politischen Themen und religionshistorischen Debatten in Europa und Israel. Sie wuchs in Heidelberg auf, studierte in Paris und lebt seit 1990 abwechselnd in Rumänien, Frankreich und Ungarn.

12 Antworten auf “Vom bösen Homo Sapiens zum unsterblichen Homo Deus

  1. Für alle, die sich nicht durch rechts oder links selbstbeweihräuchern müssen, empfehle Arthur Koestlers Buch: “Der Mensch – Irrläufer der Evolution. Die Kluft zwischen Denken und Handeln. Eine Anatomie menschlicher Vernunft und Unvernunft”

    Die Welt ist voller Nihilisten, ohne dass die betroffene Personen sich selber so bezeichnen würden. Sie halten sich selbst z. B. für Kommunisten, Christen, Demokraten usw., doch ihr Handeln offenbart den fundamentalen Widerspruch zu ihrem Selbstbild.

    2
    0
    1. Kurze Begründungen von Koestlers Thesen:

      Seit Beginn der menschlichen Geschichte gibt es Menschenopfer, rituelles Töten von Kindern, Frauen, Männern, um damit Götter zu besänftigen. Man vgl. Abraham will Isaak opfern. Arthur Koestler bezeichnet das „als Ausdruck einer wahnhaften Tendenz der menschlichen Psyche…“

      Der Mensch ist so ziemlich das einzige Wesen, welches organisiert einzelne oder Gruppen seine Mitmenschen auch kollektiv ermordet und auch grausame Methoden des Folterns entwickelt hat.

      Nach Koestler gibt es eine chronische, fast schizophrene Spaltung beim Menschen zwischen Vernunft und Emotion.

      Es gibt eine große Diskrepanz zwischen den Wachstumskurven der Wissenschaft und Technologie einerseits und des ethischen Verhaltens andererseits.

      3
      0
      1. Ursachen, die den Menschen zum Irrläufer machen:

        a) Neurophysiologie

        Unwidersprochen durch die Wissenschaft gibt es drei Entwicklungsschübe unseres Gehirns: Das älteste Gehirn ist aus der Reptilienphase, das zweite hat der Mensch von den niederen Säugetieren geerbt und das dritte entwickelte sich in der späten Säugetierphase. Das dritte Gehirn ist der Neocortex, der im Verhältnis zum Tempo der Evolution rasend schnell sich entwickelt hat. Das Althirn, Zentrum der “Instinkte”, grundlegenden Emotionen, biologischen “Trieben”, hat sich nicht entscheidend weiterentwickelt, nur der Neocortex. Koestler nennt diesen Teil des Gehirns eine „Denkhaube“, weil sich im Neocortex der Verstand des Menschen befindet, aber nicht koordiniert und nicht verbunden mit den älteren Strukturen des Gehirns ist, den Emotionen. Daraus ist eben der Mensch entstanden, bei dem der Verstand und die Emotion völlig unkoordiniert nebeneinander liegen. Welche praktischen Beispiele kann man dafür anführen? Wenn wir z. B. wütend sind, begehen wir leicht Handlungen, die wir später bereuen, wenn wir nicht mehr wütend sind. Auf der einen Seite haben wir einen rationalen Verstand und gleichzeitig sind wir auch irrationale Glaubensvorstellungen überzeugt. Weshalb Menschen vielleicht an einen Gott glauben, sich der Esoterik verschreiben o.ä. Arthur Koestler macht diese Entwicklung des Gehirns für die irrationalen Massenmorde in der Geschichte der Menschheit verantwortlich.

        b) Psychologie

        Weil Kleinkinder sich sehr lange Zeit unter der Obhut der Eltern in Abhängigkeit befinden, dem sie „zwangsweise“ ausgesetzt sind, könnte vielleicht ein Grund dafür sein, warum sich Erwachsene später Obrigkeiten oder Gruppen unterwerfen. Also eine Art „Gehirnwäsche“ in der Wiege. Das könnte der Grund dafür sein, weshalb sich viele Menschen an ihre gewohnten Glaubenssätze halten, die sie trotz aller gegenteiligen Beweise fanatisch verteidigen. Der Mensch ist deshalb leicht in Versuchung, eine Hingabe zum Fanatismus zu entfalten.

        c) Anthropologie

        Es geht um den „territorialen Imperativ“, der besagt, es gäbe einen Trieb, der dafür sorgt, dass man sein Land, sein Revier verteidigt, vergleichbar mit dem Tierreich. Arthur Koestler kann sich für diese Theorie nicht begeistern, er ist davon überzeugt, dass ein Krieg immer aufgrund von “Worten” begonnen wird. Es geht um eine „Devotion gegenüber Symbolen, die ihre Kraft aus Stammeskulten, göttlichen Geboten oder politischen Schlagworten beziehen.“

        Einen weiteren Punkt in der Fehlentwicklung der Spezies Mensch sieht Arthur Koestler im Wissen um seinen Tod. Wir wissen, unser Tod kommt irgendwann, arbeiten aber emotional dagegen. Koestler spricht von der „Schizophrenie des menschlichen Geistes, der fortdauernde Widerspruch zwischen Glaube und Vernunft.“

        Diskrepanz zwischen Emotion, Verstand und Ethik:

        Wir bringen es beispielsweise nicht fertig, einen vernunftgerechten Klimaschutz im Interesse aller umzusetzen, obwohl wir das Wissen dazu haben. Wir sind nicht in der Lage, die Nahrung auf unserem Planeten gerecht zu verteilen und vernebeln die Ursachen dafür, um uns selber nicht damit befassen zu müssen. Wundern uns aber, warum es Kriege und Migration gibt. Wir handeln egoistisch, beziehen uns dabei auf Gott oder unsere Weltanschauung, jedes Land und jeder Kapitalmarkt für sich, sodass der Verstand, wenn überhaupt, nur eine Nebenrolle spielt. Wir sind nicht in der Lage, für das gesamte Menschenwohl zu denken und zu handeln und genau darin liegt das Problem unserer menschlichen Existenz.

        1
        0
  2. Es ist hilfreich für den o.a. Artikel ein paar Kenntnisse über den Begriff des Nihilismus zu haben:

    Der Nihilismus ist die philosophische Überzeugung, dass es keinen höheren Sinn in unserer Realität gibt und alles zufällig passiert. Er besagt, dass Dinge wie Moral, Bedeutung und Werte von Menschen gemacht sind und keine unveränderlichen Wahrheiten darstellen. Das heißt, es existieren beim Nihilismus beispielsweise keine moralischen Normen wie „Töten ist falsch“ und „Helfen ist richtig“. Für einen Nihilisten sind sie nur menschliche Konstrukte (also durch den Menschen selber geschaffen) und gelten außerhalb vom Menschen nicht. Nihilismus wird oft mit Pessimismus verwechselt. Pessimismus ist eine emotionale Haltung, die Dinge grundsätzlich negativ sieht. Dagegen ist Nihilismus eine neutrale philosophische Position. Ein berühmtes nihilistisches Zitat von Friedrich Nietzsche ist: „Gott ist tot und wir haben ihn getötet“. Denn Gott ist der Inbegriff dessen, was der Nihilismus ablehnt.

    0
    0
  3. Der Begriff Nihilismus umfasst einige Teilbereiche. Dabei gibt es gemäßigtere und extremere Positionen.

    Moralischer Nihilismus:

    Demnach gibt es keine objektiven moralischen Werte. Alle unsere Werte wie Ehrlichkeit und Gerechtigkeit existieren nur in unserem Gehirn. Diese Position wird von recht vielen Philosophen vertreten.

    Epistemischer Nihilismus:

    Der epistemische Nihilismus geht davon aus, dass wir Menschen niemals die Wahrheit kennen. Es gibt keine Methode, wie wir an objektives Wissen kommen, denn unser Gehirn gibt nur einen Bruchteil der äußeren Welt an uns weiter.

    Existenzieller Nihilismus:

    Nach dieser Position gibt es keinen Sinn in unserem Leben. Denn alles ist irgendwann weg und es gibt nichts, was ewig bleibt.

    Logischer Nihilismus:

    Der logische Nihilismus ist eine extreme Form des Nihilismus. Hier wird die Logik an sich infrage gestellt. Demnach ist jede Schlussfolgerung durch unser Gehirn falsch.

    1
    0
  4. Hier ein Film auf Arte zu Yuval Noah Harari als Ergänzung. Ist natürlich positiv gestrickt, deshalb auch nicht unreflektiert übernehmen. Es bringt aber bei kritischer Betrachtung auch Hinweise auf seine nicht offenliegende Persönlichkeit und seine Weltanschauung. Ist einfach gehalten und man braucht kein tiefergehendes Wissen. Man wird in der Regel von dem Wordschwall überfahren und man hat kaum Zeit beim Zuhören darüber zu reflektieren.

    https://www.arte.tv/de/videos/118865-008-A/jagoda-marinic-trifft-yuval-noah-harari/

    1
    0
  5. Hier ist eine kurze Buchbeschreibung zum Homo Deus auf seiner Homepage. Die eigene Beschreibung muss nicht mit der von Dritten identisch sein, was fast immer die Regel ist. Sie soll nur zum erweiterten Verständnis beitragen. D.h., dass man kritisch hinterfragen muss.

    Buchbeschreibung des Autors:

    Eine kurze Geschichte von morgen geht der Frage nach, was mit der Welt passieren könnte, wenn alte Mythen mit neuen göttlichen Technologien wie künstlicher Intelligenz und Gentechnik kombiniert werden.

    In seinem Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ hat Yuval Noah Harari erklärt, wie die Menschen die Erde erobern konnten – dank ihrer einzigartigen Fähigkeit, an kollektive Mythen zu glauben, etwa über Götter, Geld, Gleichheit und Freiheit. In „Homo Deus: Eine Geschichte von Morgen“ fragt er, was es für die Welt bedeutet, wenn diese alten Mythen auf neue, gottähnliche Technologien wie künstliche Intelligenz und Gentechnik stoßen.

    Was wird mit der Demokratie passieren, wenn Google und Facebook unsere Vorlieben und unsere politischen Einstellungen besser kennen als wir selbst? Was wird aus dem Wohlfahrtsstaat, wenn Computer die Menschen aus dem Arbeitsmarkt verdrängen und eine neue Klasse der Unnützen schaffen? Wie wird der Islam mit der Gentechnik umgehen? Wird das Silicon Valley am Ende neue Religionen produzieren und nicht bloß neue technische Spielereien?

    Was für neue Ziele wird sich der Homo Sapiens setzen, wenn er zum Homo Deus wird? Welche Projekte sollen wir uns als selbsternannte Götter des Planeten Erde vornehmen und wie können wir diesen fragilen Himmelskörper und die Menschheit selbst vor unseren zerstörerischen Kräften schützen? Hararis neues Buch „Homo Deus“ gibt uns einen ersten Einblick in die Träume und Albträume, die das 21. Jahrhundert bestimmen werden.

    In „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ hat Yuval Noah Harari erklärt, wie die Menschen zu den Herren des Planeten Erde aufsteigen konnten. In „Homo Deus“ erforscht er unsere Zukunft. Das Buch verbindet Naturwissenschaft, Geschichte, Philosophie und verwandte Disziplinen, um eine Vision der Zukunft zu entwerfen. Diese mag auf den ersten Blick unglaublich wirken, erscheint aber schnell unausweichlich: Die Menschheit wird schon bald nicht nur ihre Dominanz verlieren. Auch der Begriff Menschheit selbst wird seine Bedeutung einbüßen. Und wir sollten unsere Hoffnungen nicht auf den Widerstand setzen – während in unseren bevorzugten Science-Fiction-Geschichten Menschen im Namen von Freiheit und Individualismus gegen Maschinen kämpfen, werden diese menschlichen Mythen in der Realität dann längst ebenso obsolet geworden sein wie Kassettenrekorder oder Regentänze. Dies mag alarmierend klingen, aber Veränderungen sind immer beängstigend.

    Im Laufe des letzten Jahrhunderts hat die Menschheit das Unmögliche geschafft und Hunger, Seuchen und Krieg gezähmt. Heute gehen mehr Menschen an Fettleibigkeit zugrunde als verhungern; mehr Menschen sterben an Altersschwäche als an ansteckenden Krankheiten und mehr Menschen begehen Selbstmord als im Krieg getötet werden. Wir sind die einzige Spezies in der langen Geschichte der Erde, die mit eigener Kraft den gesamten Planeten verändert hat. Und wir erwarten heute nicht mehr, dass irgendein höheres Wesen unser Schicksal für uns bestimmt.

    Erfolg weckt Begierden, und daher wird die Menschheit als Nächstes nach Unsterblichkeit, Glückseligkeit und göttlicher Schöpfungskraft greifen. Doch das Streben nach diesen Zielen wird die meisten Menschen in letzter Konsequenz überflüssig machen. Was aber fangen wir mit dieser Erkenntnis an? Zunächst einmal ermöglicht sie uns, die Entscheidungen der Gegenwart mit offenen Augen für ihre Konsequenzen zu treffen. Wir können den Lauf der Geschichte nicht aufhalten, aber wir können seine Richtung beeinflussen.

    Vorhersagen nehmen für gewöhnlich an, dass die Zukunft in ihrem Kern so sein wird wie die Gegenwart – wir werden erstaunliche neue Technologien besitzen, aber die alten humanistischen Werte wie Freiheit und Gleichheit werden uns immer noch leiten. „Homo Deus“ hinterfragt diese Annahmen und öffnet unsere Augen für die Vielfalt an alternativen Möglichkeiten. Auf jeder Seite liefert es provokante Argumente:

    Nach vier Milliarden Jahren organischen Lebens beginnt nun die Ära des anorganischen Lebens.

    Die wichtigsten Produkte des 21. Jahrhunderts werden nicht Textilien, Autos und Waffen sein, sondern Körper, Gehirne und Bewusstseinszustände.

    Während die industrielle Revolution die Arbeiterklasse schuf, wird die nächste große Revolution eine Klasse der Nutzlosen schaffen.

    Die Art und Weise, wie wir mit den Tieren umgegangen sind, ist ein guter Anhaltspunkt dafür, wie upgegradete Menschen den Rest von uns behandeln werden.

    Der radikale Islam mag Rückzugsgefechte führen, aber die wirklich mächtigen Religionen werden eher im Silicon Valley entstehen als im Nahen Osten.

    Die Demokratie und der freie Markt werden zusammenbrechen, sobald Google und Facebook uns besser kennen als wir selbst und die Macht von einzelnen Menschen auf Netzwerke von Algorithmen übergeht.

    Für unsere Gesundheit werden wir unsere Privatsphäre freiwillig aufgeben.

    Die Menschen werden nicht gegen die Maschinen kämpfen, sie werden mit ihnen verschmelzen. Wir steuern auf eine Hochzeit zu, nicht auf einen Krieg.

    Die meisten von uns werden nicht darüber entscheiden können, wie die Technologie unser Leben beeinflusst, weil die meisten von uns sie nicht verstehen (hat irgendjemand von uns darüber abgestimmt, wie das Internet funktioniert?).

    Dies sind die Umrisse der neuen Welt und der Graben zwischen denen, die dazu gehören, und denen, die zurückbleiben, wird größer sein als der zwischen industriellen Imperien und Landwirtschaft betreibenden Stämmen, größer sogar als der zwischen Homo Sapiens und dem Neandertaler. Dies ist die nächste Stufe der Evolution. Dies ist „Homo Deus“.

    ————–

    Mich selber überzeugt das insgesamt nicht. Einzelne Entwicklungen halte ich ebenso für wahrscheinlich, andere für ausgeschlossen. Teile erinnern mich an den Hype des Neuen Marktes zu Beginn dieses Jahrhundert oder neuerdings an die Überbewertung von KI und andere alte und neue “Heilsbringer”.

    Was ich wie er für sehr wahrscheinlich halte, wenn sich das Norm- und Wertsystem weg vom christlichen Glauben ändert, ist ein rücksichtsloserer Umgang mit dem Leben und dem Glück anderer Menschen. Erste Anfänge kann man bereits erkennen. Er selber befürwortet das nicht, er erwartet es aber. Das ist ein großer Unterschied.

    1
    0

Schreibe einen Kommentar

Weitere Artikel